»Der Kaiser läßt dir ferner danken, daß du mit den Deinen so vergnügt die heute von ihm dem Volke gebotenen Zirkusspiele verfolgt hast,« setzte Proculejus hinzu.
»Triffst du den Kaiser noch?« erkundigte sich Messala hocherfreut.
»Selbstverständlich, da ich ihn zum Palatin zurückgeleite.«
»So bitte ich dich, dem Kaiser folgendes zu sagen: ich hätte ihm gern selbst erzählt, daß ich mit meiner Tochter einen harten Auftritt hatte wegen ihres ungezogenen Auflehnens gegen seine geheiligte Person und Gnade. Valeria Messalina ist noch zu unerfahren, die Fülle dieser Gunst voll zu würdigen. Sie ist von uns, ihren Eltern, nunmehr belehrt und zurechtgewiesen und freut sich der ihr zuteil gewordenen Bevorzugung. Sie wird dem Kaiser Abbitte leisten. Und ich selbst, ich kann dem Kaiser meine Ergebenheit nicht besser beweisen, als daß ich Valeria Messalina gestatte, unbeaufsichtigt einem Gastmahle im kaiserlichen Palast beizuwohnen.«
Der Prätor lächelte verbindlich und meinte, die Stimme dämpfend: »Ich kenne dich als einen klugen Mann, Valerius Messala. Sei versichert, daß ich dem Kaiser getreulich deine Worte berichten werde. Doch ich nannte dich einen klugen Mann. Es wird dir also recht sein, wenn ich dem Kaiser vorenthalte, daß du besondere Betonung legst auf das ›Unbeaufsichtigtbleiben‹ deiner Tochter.«
Proculejus Gillo grüßte und eilte dem Kaiser nach.
In der Arena begann der Wettlauf der Weiber. Ihrem Jauchzen nach war ihnen jetzt, nach dem Scheiden des Kaisers, weniger um einen ehrbringenden Kampf zu tun als um eine eigene Belustigung und um Zurschaustellen ihrer körperlichen Vorzüge und ihrer geheimsten Reize.
Abalanda sprach finster zu seines Gastgebers Tochter: »Du hörtest, Valeria Messalina, was dein Vater sagte und was er von dir verlangt?«
Sogleich unterbrach sie ihn ärgerlich: »Du bist hier, um unsere Bräuche zu erlernen. Dann merke dir auch, mein Freund, daß es gegen römische Sitte verstößt, andere in ihrem Vergnügen zu stören.«
»Dir gefällt dieses tolle Gebaren?« wunderte er sich kopfschüttelnd.
»Du bist doch ein Mann,« erwiderte sie mit heißen Wangen. »Ich begreife nicht, daß es dir nicht Freude bereitet, diesem hübschen Spiele des Dahinstürmens schöner Glieder und weiblicher Formen zu folgen.«
»Du bist anders, als du noch gestern warst, Valeria Messalina,« raunte er vorwurfsvoll.
»Vielleicht bin ich so, wie ich fortan sein werde,« gab sie geheimnisvoll achselzuckend zurück.
»Auch wenn mich das sehr traurig stimmt?« fragte er verzagt.
»Wir haben in Rom nicht Zeit, traurig zu sein. So lehrte man mich.«
Damit wandte sie sich der Arena wieder zu, um sich nichts von dem aufwühlenden Bilde des Wettlaufes entgehen zu lassen. Schweigend harrte Abalanda neben ihr aus.
Er dachte, es gäbe für römische Gesinnung und Gesittung kein besseres Symbol als dieses Rennen dort unten auf dem Sande, den die Septembersonne in sprühendes Silber verzauberte. Was war dieses blinkende Dahinstürmen der nackten Frauenleiber mit dem bacchischen Jubelrufe der Lust aus den Lippen anderes als ein Abbild des von allem Höheren des Daseins gelösten tierischen Triebes nach einem vergänglichen, kurzen Glücke des Augenblickes?
3
Die bläuliche Farbe des Marmors verlieh dem Badewasser ein durchsichtiges Türkisblau, als wäre die nach starken Essenzen duftende Flüssigkeit in der Wanne dem Meere entnommen. Von diesem Naß ließ Valeria Messalina behaglich den jungen Körper umfluten.
Wohlig regungslos lag sie in dem Bassin. Sie erfrischte sich von der Anstrengung des langen, staubigen Aufenthaltes im Zirkus, um vorbereitet zu sein auf die neuen Forderungen, die das Gastmahl im kaiserlichen Palaste an sie stellen würde.
Einmal erhob sie den Arm und beobachtete, wie klare Tropfen von den Fingerspitzen in die Wanne zurückfielen, wie die kristallhellen Wasserstreifchen auf der Haut des Armes dahinrieselten, ein Gefühl erweckend, als streichele kosend eine unsichtbare, linde Hand. Dann tauchte der Arm zurück in den blauen Schimmer.
Wieder unbeweglich rastete die Schönheit der Mädchenglieder in dem kühlenden Wasser, das die Haut so wundersam täuschend färbte, als leuchte die lebensgroße Gestalt einer Göttin aus Elfenbein durch einen sie umschließenden riesigen Aquamarin.
Valeria Messalina sann dem im Zirkus Erlebten nach.
Doch dachte sie nicht an die Greuelbilder der einander zerfleischenden Netzfechter und ihrer Gegner: der mit dem Sichelschwert kämpfenden Mirmillonen und der mit der knochenzerschmetternden Kugel am Riemen bewaffneten Sekutoren – auch nicht an das blutspritzende Ringen zwischen Mensch und Raubtier, nicht an das Wutgebrüll der verwundeten Bestien, noch an die Schmerzensschreie der Unterliegenden – nicht an den tödlichen Ikarusflug des unseligen Menalippus – nicht an jenen Menschen, der unter schauerlichen Rufen bald irrsinnig in der Arena umherrannte, bald sich kreischend vor Schmerz im Sande wälzte in dem vergeblichen Trachten, das lodernde Gezüngel des auf seinem Körper brennenden Harzes zu ersticken.
An all dieses Häßliche und Abstoßende dachte dieses junge und lebensfrohe Geschöpf nicht.
Aber alle Schönheiten des Bildes der Rennerinnen suchte sie sich noch einmal zurückzurufen. Wie die geschmeidigen Körper dahineilten, als wären sie mit Windesschwingen beflügelt. Dort, wo die Sonne sie traf, waren sie wie zum Dasein erwachte goldene Statuen über den Sand geglitten – im Schatten der Spina glichen sie dann wieder marmornen Gestalten, denen die Sehnsucht, zu leben, Odem eingezaubert hatte. – Sie dachte daran, wie die weißen Körper beim Niederstürzen durcheinander taumelten, übereinander fortrollten und in der glühenden Röte, die das sonnendurchleuchtete Purpursegel über alle Vorgänge in der Arena goß, aus Flammenzungen geschaffenen Gebilden ähnelten – dann wieder durcheinander wirbelten, als ergötze sich die Gottheit in heiterem Spiele mit dem Schönsten, das sie erschaffen: vollendeten nackten Frauenleibern.
Ein geringschätziges Lächeln rieselte jetzt um Valeria Messalinas ausdrucksvollen Mund. Dann kam ein halblautes, silbernes Lachen über die roten Lippen. Sie hatte an den Nordländer Abalanda gedacht. Wie war es möglich, daß ein Mann – ein Mann! – vor dem Anblick der Rennerinnen das bärtige Kinn in die Toga vergrub und schamhaft den Blick senkte?! Dem Barbaren aus dem Lande der Unwirtlichkeit, fern der sieghaft leichtlebigen, sonnendurchglühten Freudigkeit Roms, ihm fehlte das Verständnis für das Schöne. Nüchtern und blutlos, glutarm war er. Ebenso sonderbar war sein nordisch zurückhaltendes Werben um ihre Gunst, das sich kaum je wirklich verriet und sich nur manchmal durch ein rasches Aufleuchten des Blickes sehnsüchtig offenbarte.
So warb man nicht um ein römisches Mädchen! Das hatte ihr Fabulla verraten.
Fabulla wartete vor der Tür des Baderaumes. Valeria Messalina rief hastig den Namen der Sklavin. Der schwere Vorhang aus dunkelblauem Filze, mit malachitfarbenen Ornamenten aus schmalen Seidenstreifen über und über benäht, schob sich nur ganz wenig zurück. Denn sein Gewicht diente dazu, die Tür so fest zu verschließen, daß in die wohlige Wärme des Gemaches keine Zugluft dringen konnte.
Fabulla trat ein. Sie war von gutem Wuchs, den die kurze Tunika der Sklavinnen mehr enthüllte als verbarg. Das Gewand bedeckte die Brust, die Schultern und den Nacken nur wenig. Auch die über kräftigen Knien sich muskelstark aufbauende Prallheit der Oberschenkel blieb halb entblößt. Fabullas Gesicht mit den nicht sehr großen, aber klugen braunen Augen unter steil nach den Schläfen abfallenden Brauen war ein Gemisch von bäuerlicher Hübschheit und dreist verschmitzter Schläue. Sie war die vertrauteste Dienerin der Valeria Messalina und hatte als Verna, als im Hause geborene Sklavin, das Vorrecht, sich zutraulicher zu benehmen als sonst eine Dienende.
»Wenn du nicht