Das weite Gemach mit den Wänden aus kostbarem grünem Marmor Lakedämoniens, mit den Säulen aus Porphyr war von der Feierlichkeit und Stille einer heiligen Handlung erfüllt.
Fabulla streifte der Herrin die Tunika aus feinster weißer Seide über und gürtete dieses hemdartige, ärmellose Kleidungsstück dicht unter dem jungen Busen der Domina. Rasch brachte eine andere Sklavin die Stola herbei, die Fabulla durch Hefteln auf den Schultern befestigte und mit einer von Goldfäden durchflochtenen Seidenschnur über den Hüften zusammenraffte. So floß das schneeige Oberkleid, kostbar nur durch die Kostbarkeit des Stoffes, doch ohne jeden anderen Schmuck, in reichen Falten nieder an der hohen, jungen Gestalt. Während ein Mädchen die Gewänder mit Parfüm besprengte, ließ Valeria Messalina sich die mit Edelsteinen besetzten Socci auf die Füße streifen. Und nun war sie fertig.
In diesem Augenblicke trat Domina Lepida ein.
Sie blieb bei dem Türvorhang stehen, überrascht von dem anmutigen Anblick, der sich ihr bot: der Kreis der jungen, hübschen Dienerinnen und in seiner Mitte die Tochter, ein Bild jungfräulicher Frische und Unberührtheit.
Während Fabulla noch hurtig die fast vergessenen Ohrgehänge – für jede Seite drei birnenförmige, durch Goldkettchen getragene Perlen – befestigte, reichte eine andere Sklavin eine Silberplatte dar. Valeria Messalina wählte einige mit Smaragden und Beryllen besetzte Armreifen, die sie über ihre schmalen kleinen Hände auf den Oberarm streifte, und eine Anzahl kostbarer Ringe. Nun trat Domina Lepida näher.
»Du wirst großen Eindruck machen, mein Kind, auf dem ersten Gastmahle, das du besuchst,« sagte die Mutter stolz.
»Sie gleicht ganz dir, edle Domina,« behauptete Fabulla. Sie ließ niemals eine Gelegenheit ungenützt, wenn die ihr als Hausgeborenen vergönnte Wortfreiheit ihr gestattete, sich durch eine gut angebrachte Bemerkung in Gunst zu setzen.
»Befahl dir der Kaiser denn aber nicht, ein koisches Gewand zu tragen?« mahnte Lepida mit Bedenken die Tochter.
»Ich habe diese Zumutung zurückgewiesen,« erklärte Valeria Messalina, trotzig die Oberlippe nagend. »Ihr alle fürchtet den Cäsar über Gebühr. Er verträgt die Wahrheit sehr gut, sobald er erkennt, daß einer den Mut zur Wahrheit hat. Das bewies Abalanda heute im Zirkus.«
»Abalanda ist der Gesandte eines fremden Fürsten und daher als Gast unverletzlich,« warf die Mutter ein.
»Lud der Kaiser mich nicht als Gast zu seinem Mahle? Auch ich muß ihm also unverletzlich sein.«
»Du kennst Caligula nicht, wie wir alle ihn kennen,« warnte Lepida eindringlich. »Kleide dich um, mein Kind.«
»Ich müßte die Schamhaftigkeit verlernt haben, ehe ich mich entschließe, durchsichtige Gewänder zu tragen.«
Fabulla flüsterte der Freundin Laronia zu: »Dann dürfen wir schon morgen solche Gewänder bereithalten.« –
»Du meintest, Mutter, ich kenne den Kaiser nicht?« fuhr Valeria Messalina nach kurzem Nachdenken fort. »Ich glaube, du hättest richtiger gesagt, der Kaiser kenne mich nicht. Das Beispiel Abalandas hat mich erst recht ermutigt. Ich werde mich seinen Launen nicht beugen, wenn ihr, du und der Vater, mich auch zwingt, schutzlos und führerlos in seinen Palast zu gehen.«
»Dann spielst du mit deinem Leben!« rief die Mutter entsetzt.
Das Mädchen lachte hell und glücklich auf. »Mit dem Leben zu spielen, ist lockend. Vielleicht gerade deshalb, weil es erst heute für mich begonnen hat.«
Valeria Messalina umarmte die Mutter herzlich und rief:
»Tränen entstellen dich, Mutter. Ich will den ersten Weg, den ich ins Leben tue, nicht unter deinen Tränen gehen. Das könnte üble Vorbedeutung haben. – Darum weine nicht. Was kann mir geschehen! Hat man mir nicht verheißen, ich würde Kaiserin sein?«
»Caligulas Gattin Cäsonia lebt noch,« sagte Domina Lepida ernst und mit Betonung.
Die Tochter machte eine abweisende Gebärde. »Mag sie noch lange leben! Ich denke nicht an Caligula. Er ist mir zu häßlich, zu plump mit seinem Bocksgesicht, das heute auf dem Forum ein Schaudern in mir hervorrief. Es wird nach ihm einen andern Kaiser geben.«
Mit einem raschen, forschenden Blicke tiefster Bestürzung musterte Lepida die Mienen der Sklavinnen, die diesen gefährlichen Worten kichernd lauschten. Doch – sie waren bisher alle treu befunden und wurden von Valeria Messalina gut behandelt. Lepida brauchte unter ihnen eine Angeberin nicht zu fürchten.
»Wir wollen die pränestinischen Lose befragen,« schlug Domina vor. »Wenn sie Gutes besagen, so wird mich das beruhigen.«
»Wie du willst, Mutter. – Doch sie können nur Gutes künden,« entgegnete das Mädchen zuversichtlich. »Ruft Ulsis und den Knaben Elpenor.«
Fabulla, stets diensteifrig, eilte aus dem Gemache, während Valeria Messalina eine Auswahl traf unter den Lacernen. Sie wählte einen veilchenfarbenen Überwurf, dessen Ränder reiche Stickerei in gelber Seide zierte. Der Besatz stellte aufgeblühte Dotterblumen dar, deren Staubgefäße von eingenähten Bernsteinkügelchen gebildet wurden.
»Du willst dich für den Weg in der Sänfte in einen Mannesmantel hüllen?« staunte Domina Lepida.
»Es ist eine Laune,« gab das Mädchen zurück. »Ich habe verschiedene Lacernen mit Stickereien schmücken lassen und finde, es sieht sehr hübsch aus. Diese Umhüllungen sind bequem. Warum soll man sie verschmähen? Warum sollen nur Männer ihre kosende Weichheit genießen?«
»Es gilt als ungehörig für eine Frau, ein Stück der Männerkleidung zu tragen,« erinnerte die Mutter.
»Ist es auch ungehörig, wenn ein Mann Frauenkleider anzieht?« fragte Valeria Messalina.
»Selbstverständlich!«
»Nun, dann wird der Cäsar nichts an mir auszusetzen haben. Denn ich hörte, daß er sich häufig mit Weiberkleidern behängt.«
»Er ist der Cäsar.«
»Und ich nehme für mich in Anspruch, was ihm erlaubt ist,« schnitt Valeria Messalina das Gespräch kurz und schnippisch ab.
Domina Lepida kannte den Eigenwillen ihres Kindes. Sie seufzte und schwieg.
Fabulla kam zurück. In ihrer Begleitung folgte ein schöner Knabe und die dunkelhäutige Sklavin Ulsis. Ihre mattbraunen Glieder waren nur dürftig mit einem Linnenkleide von krassem Rot verhüllt. Um den Hals trug sie allerlei sonderbaren Schmuck und eine zehnfache Reihe dicker Glasperlen, hinter denen sich der volle Busen verbarg.
Ulsis warf sich der jungen Herrin zu Füßen und berührte dreimal mit der Stirn das Mosaik des Fußbodens, bevor sie die unergründlichen Tieraugen stumm fragend auf Valeria Messalina richtete.
»Du sollst uns die Lose deuten,« befahl die Domina. Ulsis gab dem kleinen Griechenknaben einen Wink. Elpenor war bescheiden an der Tür stehengeblieben. Nun trat er mit zierlichen Schritten näher, vorsichtig ein Elfenbeinkästchen vor sich her tragend, das er der jungen Herrin überreichte. Sie ging damit in einen Winkel des Gemaches. Dort setzte sie das Kästchen auf ein aus der Wand hervorragendes zierliches Kapitäl. Eine sonderbare Figur aus Kupferguß stand auf dem Vorsprung. Valeria Messalina entzündete das Rauchopfer. Die aufmerksame Fabulla hatte alles vorbereitet. Ein betäubender Duft entströmte dem zur Decke aufsteigenden Rauchwirbel.
Mittlerweile hatte Ulsis ihrer Gürteltasche ein Lorbeerblatt entnommen, auf dem sie jetzt nach Seherinnenart kaute. Sie saß in der Hockstellung äthiopischer Sklavinnen mit gesenktem Haupte. Zu ihr ging nun Valeria Messalina und hielt ihr das geöffnete Elfenbeinkästchen hin. Ulsis entnahm dem Behältnis eine Faustvoll Stäbchen und warf die aus dem Holz der Ulme geschnitzten Lose zu Boden.
Sogleich eilte Elpenor herbei und suchte, wie seines Amtes war, mit geschlossenen Augen vier Lose aus, jedes einzeln der Afrikanerin