Incubus Expeditus. Xenocyon Daemonicus. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Xenocyon Daemonicus
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752933703
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„Brillenschlange!“, riefen die anderen Kinder seiner Gruppe in einem entnervenden Singsang. Yvonne, Maik, Christopher und die anderen. Eigentlich fast alle.

      Dem Rest war es egal und die Erzieherinnen kümmerten sich nicht drum. Sie hielten es für normale Gruppendynamik und schritten in der Regel nur ein, wenn es jemand meldete.

      Aber das machte für gewöhnlich keiner, denn niemand der anderen Kinder wollte als „Petzeliese“ bezeichnet werden.

      Sie fuhren fort, Kai auf der Spielwiese – hinter den Büschen bei der Sandkiste – zu drangsalieren, wo er kurz zuvor einen schwarz-lila schillernden großen Käfer entdeckt hatte, den er sich genauer ansehen wollte.

      In diesem Moment erschrak er sich, als ein Mädchen „Iiiiiiiiih!“ schrie, den Krabbler zertrat und Kai wegschubste, wo er sie gerade sichtlich erbost fragen wollte, was der Kerf ihr getan hatte. Es war Yvonne, eine schwarzhaarige kleine Göre in einem rosa Kleidchen.

      Sie schaute ihn aus großen Augen an und sagte: „Na und? Du siehst schon selber fast wie ein Käfer aus, du Brillenschlange!“

      Als sie das sagte, kamen gerade die anderen vorbei und stiegen gleich auf kindlich-grausame Weise in das Geschehen ein.

      Sie schubsten Kai auf den Boden, zeigten mit dem Finger demonstrativ auf ihn, lachten und riefen immerzu dasselbe, während er das überhaupt nicht witzig fand.

      Einfach so ein Insekt zertreten, das eigentlich recht hübsch war, als es noch ganz war. Es sah doch so faszinierend aus, wie das Tierchen versetzt zueinander immer drei Beine gleichzeitig vorwärts bewegte und mit seinen Fühlern wackelte.

      Und was kann er schon für seine Brille? Ohne die sah er nicht einmal die nähere Umgebung scharf. Es nervte ihn, der einzige in der Gruppe zu sein, der eine Brille tragen musste.

      Auch sonst konnte er mit den Kinderspielen der anderen wenig anfangen. Wenn er doch oft versucht hatte, sich den anderen anzuschließen, es wollte ihm nicht gelingen, sich Freunde zu machen, oder bei ihren Spielen mitzuhalten.

      Aus seinen blauen Augen flossen die Tränen, was die anderen Kinder noch mehr zum Lachen brachte.

      Kein Wunder, dass er lieber alleine spielte -

      „Kinder! Reinkommen zum Mittagessen!“, riss die altbekannte Stimme der Erzieherin Frau Meyer mit der dunkelbraunen kurzen Dauerwellenfrisur die Kinder aus ihrem Unterfangen. Alle rannten über die Wiese zur gläsernen Eingangstür.

      Alle außer Kai, der stattdessen missmutig und wesentlich langsamer hinterhertrottete und sich seine Tränen trocknete.

      „Kai, du Bummelletzter, muss man denn immer auf dich warten? Die anderen sind schon da und du? Trödelst nur herum!“, versuchte sie ihn zur Eile anzutreiben, was die Kinder seiner Gruppe wieder zum Lachen brachte.

      Er schaute sie nur mit einem leeren, dennoch gereizten, uralten Blick an, der doch irgendwie auszudrücken schien, dass er ihr am liebsten den Kopf abreißen würde, auch wenn das sicher nicht in der Absicht und jenseits der Art des viel zu ruhigen, schüchternen Kindes lag.

      Sie wandte den Blick von ihm ab. Er war ihr unheimlich.

      Es gab Bratwurst, Sauerkraut und Kartoffeln. Etwas, was Kai schon beim Gedanken zum Würgen brachte, weil sowohl in der Wurst als auch im Kraut die Kümmelkörner nur so wimmelten. Schon von dem Geruch wurde ihm anders... Zu viel Kümmelöl als Baby. Bäh.

       Kai zwang sich so gut es ging das Zeug rein und verschwand nach dem Essen ganz schnell auf der Toilette, um zu brechen.

      Er verzichtete gern auf den Pudding. Sein Appetit war nach dem Angriff, den Beleidigungen seiner Geschmacksnerven und des Kotzreizes ohnehin im Orkus der Kloschüssel gelandet.

      Er spülte noch eben ab und wusch sich das Gesicht, denn er musste – wie alle anderen auch – Mittagsschlaf machen.

      Den Nachmittag verbrachte er nach dem Ganzen lieber alleine und auf der Schaukel schwingend, während die anderen sich auf der Wiese einem Ballspiel hingaben.

      Zumindest waren sie jetzt abgelenkt und ließen ihn für den Rest dieses echt beschissenen Tages in Ruhe. Bis seine Mama ihn endlich aus dieser Irrenanstalt – für heute – erlöste.

      Sie bemerkte bereits seine schlechte Laune und fragte ihn, was wieder vorgefallen ist. Er erzählte ihr: „Das Essen schmeckte nicht, Bratwurst, Wäks! Und die haben mich wieder alle geärgert.“

      Sie ging nicht weiter drauf ein, schwieg und dachte nur bei sich: Immer wieder dasselbe... Er wunderte sich, dass sie ihn nicht tröstete oder so.

      Der Abend verlief ziemlich ereignislos. Es gab Graubrot mit Leberwurst und seine Lieblingslimonade. Danach kam der Sandmann, wo heute ein Märchen von einer Meerjungfrau gezeigt wurde.

      Danach musste Kai schon ins Bett, wo er von seinen Eltern kurz – für seinen Geschmack zu kurz – gedrückt wurde, und bald darauf war er weggedämmert.

      Nachtwandler

      Als er eingeschlafen war und begann, in die erste Traumphase überzugehen, geschah etwas Merkwürdiges: Eine dunkle, von sich selbst aus in unheiligem Licht leuchtende, wabernde Masse verließ seinen Körper und schwebte über dem Bett, bis sie langsam die Form eines Kindes, Kai in Größe und Gestalt ähnelnd, annahm.

      Unterschiedlich waren seine Hautfarbe, die eher fast schwarz war, seine Augen, die rot glühten und geschlitzte Pupillen, wie die einer Katze, aufwiesen.

      Außerdem hatte das Wesen spitze, lange Ohren und zwei kleine Ansätze von Hörnern auf seiner Stirn. Im Gegensatz zu Kai hatte es keinen Topfschnitt, sondern seine roten Haare standen wie die Stacheln eines Igels zu Berge.

      Die Zähne waren spitz, und die Finger- und Fußnägel glichen gekrümmten Krallen. Umgeben war das Geschöpf von einer flammenähnlichen, wabernden, rot schimmernden Schicht, einer Art Aura, die immer in Bewegung und Veränderung zu sein schien.

      Es schaute sich im Zimmer um, während es noch immer über Kais Kopf schwebte, um sich zu orientieren.

      Das Zimmer hatte ein Fenster, durch dessen dunkelblaue Vorhänge der abnehmende Mond schien, eine blau gestrichene Spielzeugkiste aus Holz mit darauf abgebildeten gelben und roten Blumen, einen großen, hellbraunen Kleiderschrank, eine ebenso gefärbte Kommode und einem metallenen Bett, das am Kopf- und Fußende Längsgitter hatte. Außerdem hing genau über dem Kopfende ein Blatt Papier mit einer Zeichnung.

      Diese hatte er doch vor Kurzem erst angefertigt. Darauf war ein Gesicht abgebildet. Sein jetziges Gesicht. Das eines kleinen, schwarzen gehörnten Teufels mit roter Stachelfrisur.

      Sogar ein Name stand da. Wahrscheinlich der, den er sich ausgedacht hatte, mit krakeligen Kinderbuchstaben, die er erstaunlicherweise schon mit seinen viereinhalb Jahren beherrschte: Shynn.

      „Ich seh ja aus, wie auf dem Bild! Woher wusste ich denn, wie ich jetzt aussehe? Heiße ich jetzt so? Wie komme ich hierher und was mach ich jetzt?“, fragte sich der Kleine, während er auf sein menschliches Alter Ego schaute und sich wunderte, wie er gleichzeitig im Bett liegen und darüber schweben konnte.

      Zuerst irritiert, versuchte er dennoch auszutesten, was er außer Schweben noch konnte. Er driftete im ganzen Zimmer herum und versuchte, Dinge zu greifen, was ihm auch gelang.

      Er stellte auch fest, dass er jetzt ohne Licht alles erkennen konnte, wie sonst am Tag. Farben, die sich sonst nur im Hellen unterscheiden ließen und sogar was darüber hinaus ging, konnte er problemlos sehen. Und das zu allem Überfluss gestochen scharf, ohne Brille.

      Als er weiter durch die Luft glitt, stellte er fest, dass er plötzlich nicht mehr im Kinderzimmer war, sondern in der Wohnstube.

      Diese schien er durch die Wand betreten, beziehungsweise beschwebt, zu haben. Shynn drehte sich um, damit er zurück in sein Zimmer kam. Auch das gelang problemlos.

      Dass er nicht nur schweben, sondern auch fliegen