Incubus Expeditus. Xenocyon Daemonicus. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Xenocyon Daemonicus
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752933703
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      „Wer will dich schon haben, du Spast?“

      „Was schaust du mich so an? Willst du ’n paar aufs Maul?“

       Ich will das nicht mehr!

       Sie sagen schlechte Dinge zu mir. Über mich.

       Sie mögen mich nicht.

       Was hab ich ihnen getan?

       Keiner will mein Freund sein.

       Ich verstehe die anderen nicht, sie mich auch nicht.

       Alles geht nur schief. Warum das Ganze? Was soll ich noch hier?

      „Kai!“

       Wer ruft mich? Lasst mich doch alle in Ruhe! Ich will schlafen...

      „Kai!“

       Endlich schlafen und weit weg sein...

      „Kai!!!“

       „KAI!!!“

      2

      Der Himmel glänzte in irisiertem Lila und Orange. Wenn man hier überhaupt von „Himmel“ sprechen konnte. Denn Oben und Unten waren hier relativ, genauso wie Schwerkraft, Entfernungen, Form und Farbe, Hell und Dunkel.

      Der Boden hatte eine leuchtend gelbe Färbung, so wie das Gras, welches von sich selbst aus zu leuchten schien. Verschiedene fremdartige Geräusche umgaben die Gestalt, die sich manifestierte.

      Lang und schlacksig, mit drahtigem Körperbau und durchaus definierten Muskeln, von blasser Hautfarbe, die in ein sehr helles Grün oder Blau hineinspielte, stand er da: ein Dämon.

      Er hatte auf der Stirn gekrümmte, relativ kurze, ziegenartige Hörner, fast weiße lange Haare, lange, spitze Ohren und eine blaue Iris mit senkrecht geschlitzter Pupille.

      Die Augenfarbe veränderte sich aufgrund seiner Stimmung in mehreren Übergängen zu einem Rot und wieder zurück. Denn er wunderte sich schon, wo er hier war und was mit ihm los war.

      Er dachte eigentlich, dass er ein Junge sei und gerade eben gestorben. In dem Punkt war er aber unsicher. Erst recht als er sich seiner Gestalt bewusst wurde.

      Diese erinnerte an seine Zeichnungen, die er in seinem Leben angefertigt hatte. An seine Träume. Nur die Farbe war anders. Nicht schwarz, sondern grünlich.

       Ich seh aus... wie Shynn! Irgendwie jedenfalls. Wie kann das...

      Er sammelte seine Gedanken und überlegte.

       Ich bin doch eigentlich ich, oder bin ich er? Sind wir denn etwa eins? Schließlich dachte ich mein ganzes Leben lang, dass ich das nur träumte. Oder doch nicht? Wieso weiß ich das überhaupt? Verliert man nach dem Tod nicht normalerweise die Erinnerungen an sein Vorleben?

       Was, verflucht nochmal, ist da schiefgelaufen?

       Wieso fühle ich mich so unvollständig?

      Soviel begriff er seltsamerweise sofort: Er schien ein relativ alter Geist zu sein und dementsprechend mächtig. In dieser Welt verfügte er erst recht über das vollständige Ausmaß seiner Fähigkeiten.

       Aber komischerweise nicht über die Erinnerungen seines jetzigen Ichs, maximal über Bruchstücke davon. Nur die seines Alter Egos Kai waren abrufbar. Was ihn eher wunderte.

      Er folgte einer spontanen Eingebung und rief zugleich mit Stimme und Gedanken seinen Namen: „Kai!“

      Keine Antwort. Schon komisch, sich selbst zu rufen...

      „Kai!“

      Der Dämon wurde stutzig, seine Ohren zuckten und seine Pupillen verengten sich. War da nicht was zu spüren? Er rief noch einmal:

      „Kai!!!“

      Keine Antwort. Vielleicht hab ich mich doch getäuscht, dachte er. Trotzdem rief er noch mal wesentlich lauter:

      „KAI!!!“

      Immer noch keine Antwort.

      Halbtot

      Die Maschinen, welche die Vitalfunktionen überwachten, piepsten. Das angeschlossene Sauerstoffgerät zischte. Die Sonde, die mit einer Kanüle in seinem Arm steckte und ihn mit Nährstoffen versorgte, tropfte.

      So lag der schmächtige dunkelblonde Junge im Bett. Im weißen Zimmer. Im Krankenhaus. An den Wänden eine eintönige Raufasertapete, weiß gestrichen. Eine Steckdosenleiste mit verschiedenen Anschlüssen für Strom oder andere Geräte medizinischer Art und ein Anschluss für Sauerstoff hing über dem Kopf des Patienten.

      Der Raum war recht spartanisch eingerichtet: Neben dem Bett befanden sich ein Schrank, diverse Geräte, der Tropf, das EEG, das EKG und das Gerät für die künstliche Beatmung.

      Auf der Fensterbank des Raumes stand ein langsam verwelkender Strauß Blumen und eine Genesungskarte, die von den Mitschülern des Jugendlichen – allerdings recht halbherzig – unterschrieben worden war.

      Und nicht mal alle hatten sich darauf verewigt. Eigentlich schon eine Sauerei, mochte man denken.

      Als man ihn fand, ihn mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus brachte, ihn künstlich ins Koma versetzte, erinnerte er sich...

      An sein Leben...

      An alles...

      3

      21. April 1982, Geburt

      Eine mittelgroße kräftige Frau von etwa 30 Jahren mit kurzen, mittelbraunen lockigen Haaren, einer runden Nase, lag in den Wehen. Ihre hellbraunen Augen kniff sie jetzt allerdings sehr zusammen, denn ihr Leib krümmte sich unter den Kontraktionen der Geburt des bald zur Welt kommenden Lebens.

      Auf dem Rücken liegend mit gespreizten Beinen lag sie im Krankenhauskittel auf dem Geburtsbett, während die Hebamme zwischen ihre Schenkeln schaute, ob der Muttermund schon offen stand.

      Die nächste Wehe war im Anmarsch.

      „Pressen, Frau Neumann!“, wurde sie angewiesen.

      Die Frau verzog vor Anstrengung und Schmerzen das Gesicht, während sich in ihr der kleine Körper aus dem Geburtskanal wand.

      „Na los, pressen Sie!“

      Ich presse doch, du dumme Kuh!, dachte die werdende Mutter sichtlich gereizt.

      Sie presste und bäumte sich dabei auf. Schließlich spritzte das Fruchtwasser aus ihr heraus.

      „Ja, Sie haben’s gleich geschafft!“

      Die Gebärende atmete durch und der nächste Schub kam.

      „Los, noch einmal pressen!“

      Sie konzentrierte sich und presste. Etwas Größeres drang aus ihrem Körper nach außen, erst der Kopf, dann die Schultern und dann der Rumpf, geschafft.

      „Rabäääääh!“, machte der neue Erdenbürger, der noch schleimig und glitschig in den Armen der Hebamme zappelte. „Gratuliere, Sie haben einen Sohn!“, sagte diese.

      Die Nabelschnur wurde durchtrennt und abgebunden. Und die Nachgeburt, der überflüssige, etwas klumpige Quasizwilling des Neugeborenen, auch Plazenta genannt, machte sich bereit, abgeworfen und entsorgt zu werden, was recht prompt geschah.

      Die Schwester untersuchte, wusch und wog ihn, wickelte ihn behutsam in Stoffwindeln und zog ihm einen blauen Strampler an, um ihn seiner Mama zu überreichen.