Kapitel 5
Und Meilers Gedanken gingen zurück, liefen zu Mira, in ihren „Käfig“. Ihren freiwilligen „Käfig“. Als sie damals ins Zimmer trat, schön und schlank und selbstsicher, wurde er schon erregt. Meiler wurde stets erregt, wenn er sie sah und auch, so er an sie dachte. Aber ist das etwas Verwerfliches? Sie legte es doch wirklich nicht darauf an, ihn zu reizen, jedenfalls körperlich nicht. Sie trat auf, wie jede Frau heute auftritt, sich bewegt, sich gibt. Ihre Bewegungen unterschieden sich nicht von den Bewegungen anderer Frauen. Sie stand und ging und setzte sich wie andere Frauen auch. Aber warum war Meiler bei anderen Frauen nicht so erregt? Und als sie lachend und im Gespräch mit ihm in ihre langen schwarzen Haare griff, sie mit der Innenfläche ihrer Hand ordnete, oder ob es eine Verlegenheitsgeste oder eine Reflexbewegung war, stieg seine Erregung. Sie stieg vielleicht auch dadurch, dass er für Augenblicke die dunkle Haarfülle unter ihrem Arm sah. Meiler musste sich Zwang anlegen, um ihr nicht die Kleider vom Leibe zu reißen. Miras große dunkle Augen funkelten ihn an, so sie in einem Streitgespräch nicht gleicher Meinung waren, ihm aber kam es auf die Meinung, ob seiner oder Miras, gar nicht so drauf an, er wollte sie besitzen, ganz besitzen. Er wollte sie nackt sehen, er wollte sie weich sehen, er wollte ihre Hingebung sehen, er wollte sie schwach sehen. Verdammt noch mal, dann ist doch das Weib erst Weib, wenn es schwach ist, wenn es sich gibt und ergibt. Trottel sind doch die Männer, die nur ihre Lust befriedigen wollen, ihre Lust. Sie sind zu vergleichen mit Männern, die einen Handwagen ziehen, bergan, und genießen die Lust, dass sie es mit dem Handwagen geschafft haben. Die anderen aber, die fahren in einem Himmelswagen, der dahingleitet und ausgleitet wie ein Schlitten. Das ist der Unterschied. Wie oft war er bei ihr und sie bei ihm, nie ist es soweit gekommen, wie er es wollte oder sie. Ob sie in ihrem Zimmer des Schwesternhauses zu ihrem Schutz die Schwesterntracht trug, weißer Kittel und weißes Häubchen, das war schlecht zu sagen. Jedenfalls aber war es für Melchior Meiler ein Hindernis. Hielt ihn zurück, sie einfach hinzulegen oder umzulegen. Auch wohl eine verrückte und überholte und anerzogene Hemmung. Denn auch in einer Krankenschwesterntracht steckt das Weib, und auch im grauen oder schwarzen Umhang der Nonne steckt das Weib. Unter der weißen, grauen oder schwarzen Tracht oder Kutte lebt das Weib, schaukelt ein Busen, sitzt zwischen den Beinen die Scham mit ihren Haaren. Nein, Meiler kam Mira Vignaud einfach nicht näher, die Küsse, die sie wechselten, waren mehr freundschaftlich (so meinte er), obwohl sie es von seiner Seite eigentlich nicht waren. Gut, richtige Bruder-und-Schwester-Küsse. Heute aber, heute, am Tage oder in der Nacht, sollte es sein, das hatte er sich geschworen. Mira saß auf einem Cocktailsessel vor ihm, ihr enger Rock spannte sich fest um ihre Schenkel. Meiler sah ihre schönen ebenmäßigen Knie und auch viel von den SchenkeIn. Nur gut, dass er eine straff sitzende Unterhose trug, sonst könnte sie sehen, wie erregt er war, und das sollte sie nicht. Sich vorzustellen, dass ihre langen, weißen Hände sein Wollen umfassen und es streicheln, könnte es bald mit seiner Fassung vorbei sein. Und wenn er sich weiter vorstellt, dass er in sie eindringt, und sie ihre nackten Beine um seine Lenden schlägt… nein… nein, nicht mehr weiter denken. Meiler stand auf, trat an ihren Sessel und küsste sie, verlangend, fordernd. Kein Bruder-oder-Schwester-Kuss! Und Meiler fühlte eine Erwiderung. Eine Erwiderung, wie er sie in den Wochen ihrer Bekanntschaft noch nicht erlebt hatte. Ihre Zunge suchte auch die seine und wanderte auf seinen Lippen hin und her und zirkelte auch in seinem Mund. Sein Wollen presste sich gegen ihren Arm, hart und fest, sie musste ihn fühlen, und jetzt sollte sie ihn fühlen. Jetzt sollte sie wissen, wie es um ihn stand. Mira griff in Meilers Nackenhaare und drückte seinen Kopf fest zu sich und biss sich an seinen Lippen fest. Meiler hatte seine Hände frei, griff in ihren Blusenausschnitt und streichelte die linke Brust. Ihre starke, harte Brustwarze konnte er zwischen seinen Fingerkuppen fühlen Plötzlich ließ sie ihn los, ihre Arme hingen schlaff herab, die Augen waren geschlossen, und sie atmete schwer und tief. „Mel... ach, geliebter Mann.., du!“ Das konnte er verstehen. Nun war die Frucht reif. Vollreif. Die Frucht war jetzt bis zur Süße gereift. Die Frucht, die er von der Knospe und Blüte an sah und erlebte, blühen, und reifen sah. Von der Knospe zur Blüte, und von der Blüte zur Frucht, zur jungen und jetzt reifen Frucht. Und diese Frucht war für ihn, er brauchte sie nur zu pflücken, zögerte er noch, würde die Frucht überreif werden und abfallen, und das wollte er nicht. So trug er sie auf die Couch. Langgestreckt lag sie da, die Augen geschlossen. Das Tageslicht des Winters fiel durch die Blattgewächse des Zimmers. Wie Meeresrauschen der Straßenverkehr, gedämpft, dunkel. Mira bewegte sich nicht, als er ihr die Bluse auszog, den Büstenhalter abnahm. Sie bewegte sich nicht, nur ihre Augenlider flatterten ein wenig. Früchte, reife, vollreife. Nun beugte Meiler sich über ihre Brust und streichelte sie, fuhr mit sachten und leisen Händen darüber hin. Küsste den fieberheißen Mund, der nicht mehr küsste, sondern nur noch sog und seinen Speichel trank. Nie vorher hatte er eine Frau gekannt, und er konnte sich über Mangel an Frauenbekanntschaften nicht beklagen, die so küsste wie Mira Vignaud. Und wie eine Frau, so liebt sie auch, denn