Lange dauerte es nicht, da klopfte es. Der Steward. Verschlafen, brummig: „Ihre Wäsche!“ Stewards neigen in der Regel nur dazu, den leitenden Angestellten an Bord so etwas wie Respekt entgegenzubringen. Die „anderen“, die sie leider dulden müssen, sind für Stewards nur eine „Belastung“, wären die „anderen“ nicht, gäbe es für sie weniger Arbeit. Zu Fahrgästen, ja, zu denen sind sie natürlich besonders höflich. Auf jeden Fall aber dann, so sie einen Blick in die Reisepässe geworfen haben und nun wissen, welches Geldes Kind Sie vor sich haben. Dann überschlagen sie sich förmlich, flitzen durch die Gänge, dass sich das Linoleum hinter ihnen aufrollt, und setzen ihr so bekanntes Trinkgeldalmosenempfängergesicht auf. Wie sagt man doch bei der christlichen Seefahrt? „Er war Seemann übelster Art, er war Steward, hatte gelbe Finger, stahl Obst und wichste.“
Meiler packte weiter seinen Koffer aus und räumte ein. Bezog seine Koje. Bei den leitenden Angestellten macht das der Steward, müsste er hier auch. Tut er nicht, hat er nicht mehr nötig. Ist „Knapp“ und Schützling des Kapitäns! Es klopft wieder. Ein zerknittertes, altes Matrosengesicht: „Ich bin der ‚Alte Fritz‘ hier, ich bringe Ihren Koffer!“ — „Schön, Alter Fritz, lass dir vom Steward ‘ne Flasche Bier geben, er ist ja noch auf, denke ich.“ — „Danke, Meister, und gute Wache!“
Kapitel 7
So, nun war alles soweit, und eingeordnet, eingeräumt, an seinen Platz gelegt, dort, wohin es gehörte. Wäsche in die Schublade unter der Koje. Anzüge auf Bügel im Spind und Schuhe darunter. Arbeitszeug unterm Sofa verstaut, in der einen Lade. Und in der anderen verschwand das Khakizeug - Hosen, kurz und lang, und Hemden mit langen und kurzen Armem. Khakizeug ist wichtig und ist auch das Zeug, welches man in der verdammten Hitze, dort irgendwo in Afrika, Asien oder Südamerika, tragen kann. Tischdecke lag auch schon aufgelegt, macht sich gut. Miras Bild ist aufgehängt. Ach Mira! Bilder können doch Einfluss haben. Bilder wirken aber nur, so der Kontakt mit Herz und Seele noch nicht abgerissen ist. So man noch den Körper spürt, den Atem fühlt, die Worte hört. Bilder, Fotos verblassen so schnell, sieht man nach Wochen gar nicht mehr. Nur Erinnern bleibt! Ja, Erinnern bleibt... und vielleicht auch Hoffnung auf neue Freuden und neues Glück. Und wenn einen die Begierde wieder anspringt und das Erinnern an Bett, Beine und Brüste. An Küsse! Na ja! Nur eine Reise! Eine Reise! Wie lang die Reise wohl wird? Klein ist sie ja, die Kammer, verdammt klein, aber für Meiler genügte sie. Er war doch soweit objektiv, dass er sich sagte, bei einem so alten Schiff kann man nichts Besseres verlangen. Außerdem wollte er hier ja nur eine Reise machen (so hatte man ihm doch gesagt), und die würde er schon rumkriegen, so oder so.
Meiler zog sich einen Kesselanzug an und stieg in den Maschinenraum hinunter. Wie ein gewaltiger, ruhig und behäbig liegender vierkantiger Felsblock nahm der Hauptmotor den größten Platz ein. Seine Kraft, jetzt ruhend und auch schlafend, betrug mehrere Tausend Pferdestärken. Blankblitzende Treppengeländer! Weißlackierte Maschinenraumschotten glänzten im Lack und im Licht von hochkerzigen Lampen. Wohlige Wärme. Dieselölgeruch! Zum Trocknen aufgehängtes Arbeitszeug! Das Wummern und Tumben des Hafendiesels!
Auf knallrot gemalten Podesten stehen übermannshohe Reservekolben und Laufbuchsen. Und es präsentieren sich Maschinenschuhe, aus Leder, aus Plastik, aus Perlon. Ölgetränkt die aus Leder, schiefhackig.
Niedergelatschte und ausgetretene. Bunt gewürfelt. Ehemalige Salonschleicher sind auch dabei und auch Sportschuhe. Hier erleben sie ihren Niedergang nach dem Motto: Der Mohr kann gehen. Schuhe, hier auf der Altersbank, ausrangierte Sonntags- und Gebrauchsschuhe erzählen Geschichten. Schuhe von zwölf Mann Maschinenpersonal! Meiler stieg die Treppe, dreiunddreißig Stufen zählte er, hinunter. Das Wummern und Tumben des Hilfsdiesels wurde stärker und lauter. Den wachhabenden Ingenieursassistenten, auf allen deutschen Schiffen kurz der Assi genannt, fand er besoffen und schlafend vor. Wie ein zusammengeknüllter Scheuerlappen hockte er neben der Schalttafel. Meiler stieß ihn an, rüttelte ihn, all das half nichts. Ganz schön besoffen... und wohl auch übermüdet. Meiler hielt ihm jetzt die Nase zu. Der Assi japste einige Male, holte rasselnd durch den Mund Luft und wurde wach. Verglaste, verständnislose Augen sahen, stierten Meiler an. Dann kam Leben in die Augen, wie sie einen Fremden vor sich sahen. „Nun stehen Sie man erst mal auf, ja?“ Der Assi stand tatsächlich auf, damit hatte Meiler nicht einmal gerechnet. „So ist’s schön, so ist’s recht, Freund der Nacht. Ich bin der neue Dritte hier“, sagte Meiler und hielt dem Assi die Hand hin. „Meiler heiße ich!“ — „Assistent Hansen!“ Ein kurzer Händedruck! Wie er denn auf Wache schlafen könne. „Na“, nuschelte der hoffnungsvolle Nachwuchs der Maschinenlaufbahn, „wenn der Diesel das Bein rausstreckt, dann tut er es auch, wenn ich wach bin, oder nicht?“ Ein stichhaltiges Argument, weiß Gott! Meiler fixierte den Assi, einen bulligen Kerl mit Stiernacken und wirren struppigen Haaren, eine Zeitlang und sagte dann: „Ja, aber es wird doch Gasöl gebunkert, da müssen Sie doch auch aufpassen, nicht wahr?“ „Nee, das macht der wachhabende Ingenieur hier... damit habe ich als Assi nichts zu tun!“ — „Das wäre dann also ich, nicht wahr?“ fragte Meiler. „Das kann wohl sein, wenn Sie der neue Dritte sind!“ Ach so, der wachhabende Ingenieur, ja, das stimmt ja auch wieder. Das bist du doch, Meiler, stimmt, trifft genau zu. Man muss tatsächlich sagen, der Assi hat Recht und versteht seinen Laden. Denn man zu. Ob er sich wohl wieder zum Schlafen hinsetzt? Meiler fragte sich das noch, als er sich wieder treppauf hantelte; fragte sich auch, wieso und warum der Assi 700 DM im Monat verdient, und das bei freier Verpflegung und Unterkunft. Wohl nur für