Anna Q und die Suche nach Saphira. Norbert Wibben. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Norbert Wibben
Издательство: Bookwire
Серия: Anna Q
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748557913
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Lehrerin blickt die Schüler einen nach dem anderen an. Anna meint, ein freudiges Aufleuchten ihres Blicks zu bemerken, als der auf Robin und ihr ruht, so wie vorhin am Eingang.

      »Ihr habt also Interesse an großen Herausforderungen!« Pause. »Dass ihr ohne weitere Erläuterungen gekommen seid, beweist eine gewisse Neugier, und das ist gut!« Pause. »Hat jemand von euch eine Idee, worum es gehen mag?« Pause. Ein Schüler der fünften Klasse erhebt sich und wartet, bis ihm das Wort erteilt wird.

      »Sie sind doch die Bibliothekarin. Hat es etwas mit Büchern zu tun, möglicherweise die Verfolgung einer alten Spur, die in einem Wälzer erwähnt wird?«

      Die Professorin schaut ihn lange an, bevor sie entgegnet:

      »Die Möglichkeit könnte bestehen, trifft aber nicht zu. Trotzdem danke ich dir, da du damit einen Gedanken in meinem Kopf angestoßen hast, den ich verfolgen werde!« Der Jugendliche blickt in die Runde und setzt sich. Anna hatte erwartet, ein Kichern zu hören, so wie es ihr manchmal in der Grundschule ergangen ist. Doch das passiert nicht. Sie atmet erleichtert auf. Offenbar sind die hier versammelten Schüler reifer als andere, oder es liegt an der streng blickenden Professorin. Anna schaut zu ihr hin und stellt eine Änderung fest. Sie blickt heute viel freundlicher als sonst. Ein feines Lächeln umspielt ihre Lippen, als ihre Augen lange in ihre schauen. Es wirkt so, als ob sie das Mädchen zu einer Antwort auffordern würde.

      Jetzt erhebt sich eine Schülerin, die in Robins Jahrgang ist.

      »Ja? Wie lautet dein Vorschlag?«

      »Machen wir eine Forschungsreise? Vielleicht einen Ausflug zu einer archäologischen Ausgrabung?«

      »Das wäre sehr interessant«, denkt Anna. Ihre Gedanken wandern sofort wieder zu den Wikingern, doch die Professorin verneint. Der nächste Schüler schlägt einen Rätselwettkampf vor. Aber das wird genauso wie ein Logikwettbewerb als nicht zutreffend bezeichnet. Die Spannung steigt mit jedem Vorschlag und seiner Verneinung. Jetzt erhebt sich Alexander.

      »Da sie keinen Sportunterricht erteilen, entfällt ein entsprechender Ausflug zu einem Wettkampf. – Wollen sie ein Wissensturnier austragen, dessen Kategorien aus verschiedenen Fächern gebildet werden? Sozusagen einen Zehnkampf über geistige Herausforderungen?«

      »Ich danke dir für diese Anregung«, beginnt Professor Mulham. »Aber das ist es auch nicht, obwohl das einen großen Reiz hätte. Hat sonst niemand einen Vorschlag? Was ist mit euch beiden?« Sie schaut jetzt direkt zu Anna und Robin. »Liegt euch nicht die Lösung auf der Zunge?«

      »Was meint sie wohl?«, rätselt der Junge an Anna gewandt.

      »Sie schaut uns so seltsam an, ob sie damit auf unsere Partie von gestern anspielt?« Das Mädchen fast sich nach dieser Frage ein Herz und steht auf.

      »Ich glaube, du hast die Lösung, stimmt’s?« Die Professorin ist gespannt.

      »Wenn es das ist, worauf sie mich und Robin vermutlich hinweisen wollen, dann …« Sie stoppt.

      »Ja?«

      »Dann geht es um Schach. Wollen sie ein Schachturnier ausrichten?«

      »Du hast es fast getroffen, Anna. Das ist doch dein Name, richtig? Gut. Ich möchte eine alte Tradition dieses Internats wieder aufleben lassen. Früher nahm unser Haus an Schachwettkämpfen teil, die zwischen den Schulen des Landes ausgetragen wurden. Dafür ist es erforderlich, eine Mannschaft aus Spielern in verschiedenen Altersklassen zu bilden. Gerade in den jüngeren Jahrgängen ist es aber schwierig, geeignete Kandidaten zu finden. Gestern habt ihr mich beeindruckt, was mich sofort auf die Idee brachte, die alte Tradition wieder aufleben zu lassen.« Ein Murmeln unter den Schülern entsteht. Etwa die Hälfte gibt zu verstehen, kein Interesse an turniermäßigem Schachspiel zu haben. Die Professorin dankt für ihr Kommen und schließt ihnen die Tür auf. Währenddessen ruht Alexanders nachdenklicher Blick auf Robin und Anna. Sollte er das Mädchen doch unterschätzt haben? Er ist trotzdem überzeugt, gegen sie mit Leichtigkeit zu gewinnen.

      Morwenna Mulham trägt die verbliebenen Schüler mit Namen, Alter und Jahrgang in eine Liste ein. Sie vereinbaren anschließend, sich in den nächsten Wochen mindestens jeden zweiten Tag zum Üben zu treffen. Als Ort dafür wird der Lesesaal gewählt und der Beginn auf fünf Uhr nachmittags festgelegt. Professor Mulham verspricht, sich darum zu kümmern, dass sie auch nach der offiziellen Zeit fürs Abendessen etwas bekommen werden. Die Zeit für ein Spiel kann wesentlich länger als eine Stunde dauern, wie sie aus Erfahrung weiß. Der erste Tag soll der morgige sein.

      »Falls jemand von euch noch einen möglichen Teilnehmer kennt, sprecht ihn an und bringt ihn einfach zur Übungsstunde mit. »Stunde« ist dabei nicht wörtlich zu nehmen, da manche Spiele sicher länger dauern werden.« Die Professorin nickt Anna und Robin lächelnd zu. »Wenn die ersten Übungen zufriedenstellend verlaufen, melde ich euch und damit unsere Schule zur Teilnahme am Winterturnier an.« Mit einem freundlichen Lächeln entlässt sie alle. Die beiden begleiten sie anschließend in die Bibliothek, um die verabredete Partie auszutragen. Während des Spiels verspürt Anna erneut den brennenden Schmerz im Kopf. Sie kneift die Augen zusammen, sagt jedoch nichts. Sie grübelt:

      »Weshalb habe ich jetzt zum dritten Mal eine Migräneattacke? Eine könnte von den schnellen Folgen von Helligkeit und Dunkelheit beim Gewitter ausgelöst worden sein. Aber die Häufigkeit der Anfälle ist seltsam und ihr Verlauf ist auch anders als alle früheren.« Sie findet keine einleuchtende Erklärung. Die anschließenden Züge misslingen ihr derart, dass Robin sie besorgt anschaut.

      »Geht es dir nicht gut? Sollen wir Schluss machen? Wenn du möchtest, biete ich dir ein Remis an.«

      »Das ist nicht nötig. Ich gebe mich geschlagen.« Mit blassem Gesicht erhebt sie sich. Der Schmerz lässt bereits nach und sie verabschiedet sich von dem Jungen.

      »Wir sehen uns morgen. Bis dahin.« Doch Robin begleitet sie noch mit besorgter Miene durch den Flur, bis sie ihm zu verstehen gibt, im Park etwas Luft schnappen zu wollen. Zum Abendessen ist sie rechtzeitig wieder zurück und nickt lächelnd in Robins Richtung, der ein gutes Stück entfernt in der gleichen Reihe sitzt.

      Anna liegt im Bett, kann jedoch nicht schlafen. Ein lautes Kreischen lässt sie aufschrecken. Sollte die Durchlauffalle erneut ein Opfer gefangen haben? Jetzt fällt ihr siedend heiß ein, dass sie das Ding entschärfen wollte. Nach ihrer neuen Migräneattacke beim Schachspiel drängte es sie nach dem Essen nur noch in ihr Zimmer und so hatte sie es glatt vergessen. Dort angekommen, konnte sie aber nicht einschlafen und wälzte sich unruhig hin und her. Sie zog sich die Bettdecke sogar über den Kopf, um die geringe Helligkeit der Abenddämmerung auszusperren. Doch alles half scheinbar nicht.

      Erneut kreischt es laut. Sie steht auf und geht zum Fenster hinüber. Seltsam. Vorhin waren doch keine Gewitterwolken zu sehen und es war auch keineswegs schwül. Trotzdem wetterleuchtet es am Horizont und das Donnergrollen wird schnell lauter. Das Unwetter kommt offenbar näher. Anna springt in ihre Sachen, greift sich die Taschenlampe und eilt aus dem Zimmer.

      Im Haus ist es seltsam ruhig. Sollten bereits alle Schülerinnen in den Federn liegen? Das Mädchen zuckt die Schultern. Egal was der Grund dafür sein mag, das gefangene Tier muss dringend gerettet werden. Anna möchte das schaffen, bevor sie draußen vom Gewitter überrascht wird. Als sie im Freien steht, prasseln die ersten, dicken Regentropfen aus den drohenden Wolken. Ein greller Blitz lässt die Umgebung hell erscheinen und blendet sie. Anna verharrt erschrocken im Eingang. Automatisch zählt sie die Sekunden und multipliziert das Ergebnis mit 300.

      »Der Blitz war nur etwa 4200 Meter entfernt«, ergibt die aus dem Unterricht erlernte Formel. »Ich wage es trotzdem. Das Tier wird sicher halb verrückt vor Angst sein.« Noch bevor sie die Stufen zum Weg hinuntergeht, beginnt die Turmuhr die Zeit zu verkünden. Auf dem Weg zur Giebelseite zählt sie die dumpfen Glockenschläge. Als sie mit der Taschenlampe unter den Haselstrauch leuchtet, ist sie bei Zwölf angelangt. Mitternacht! »Das erklärt, warum es so still im Haus ist, bedeutet aber auch, dass ich eingeschlafen