Träume nicht dein Leben. Kate Lillian. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kate Lillian
Издательство: Bookwire
Серия: Liebe oder Krone
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748560128
Скачать книгу
herum brandete Jubel auf. Ich klatschte ebenfalls, jedoch verhalten, weil mich die Nervosität zu lähmen drohte.

      »Wir wollen nun keine Zeit mehr verlieren«, fuhr der Thronfolger fort. »Ich kann es ja nicht riskieren, dass eine von euch wegen der Spannung umkippt.«

      Sein Zwinkern, auch wenn es nicht in das Aufnahmegerät gerichtet war, ließ mein Herz höherschlagen. Sollte ich nicht gezogen werden, würde ich dieses nie in Realität zu Gesicht bekommen. Stattdessen müsste ich im Fernsehen dabei zuschauen, wie er es einer anderen schenkte ...

      Prinz Stephan trat an die Kristallschale, in der bestimmt tausend winzig zusammengefaltete Zettel mit den Namen der Bewerberinnen ruhten. Er tauchte seine freie Hand tief hinein, wühlte ein wenig darin herum, hielt einen Moment inne und holte schließlich einen an die Oberfläche. Dieses Stück Papier entschied über mein Schicksal.

      »Ich halte nun den Namen derjenigen in der Hand, die in wenigen Tagen zur Reise in den Palast der Einheit aufbrechen wird.« Prinz Stephan hob den Zettel hoch. »Sie wird nicht nur mich, sondern vier weitere Prinzen kennenlernen und so die Möglichkeit erhalten, die wahre Liebe zu finden. Genauso wird sie ihrem Volk dabei helfen, die Beziehungen zwischen den Reichen zu vertiefen.«

      Er nahm das Stück Papier in die gleiche Hand wie das Mikrofon und faltete es mit der anderen auf. Die Sekunden zogen sich hin, sein Mund öffnete sich, um den Namen der Glücklichen zu verkünden. Ich konnte nicht atmen, hatte das Gefühl, gleich zusammenzubrechen. Und wieso lief auf einmal alles in Zeitlupe ab?

      »Die Kandidatin des Bezirks C des Zentralreiches heißt«, er guckte in die Kamera, »Jillian Haas.«

      Mir schien der Boden unter den Füßen wegzubrechen. Wie erstarrt guckte ich auf die Leinwand, wo Prinz Stephan zu sehen war, wie er sich fragend umschaute. Als nach mehreren Sekunden immer noch Stille herrschte, wanderte sein Blick zurück zur Kamera.

      »Jillian, wo auch immer du dich gerade aufhältst, ich freue mich schon sehr darauf, dich kennenzulernen«, sagte er. »Herzlichen Glückwunsch!«

      Ich war noch immer zur Salzsäule erstarrt, bemerkte jedoch, wie die Mädchen vor mir zurückzuweichen begannen. Einige schienen zu wissen, wer ich war. Dass es mein Name war, den der Thronfolger gerade genannt hatte. Irgendwann lag auch der Blick des Bürgermeisters, der plötzlich wieder in der Bühnenmitte stand, auf mir.

      »Offenbar haben wir hier die glückliche Gewinnerin«, stellte er fest und wischte sich über die Stirn. »Komm doch zu uns nach oben.«

      Aber ich konnte nicht. Ich spürte die Feindseligkeit um mich herum, sie schien mich zurückzuhalten. Wenn ich jetzt dort hochging, würde man mich so verächtlich ansehen wie nie zuvor.

      »Du bist doch Jillian Haas, oder nicht?«, erkundigte sich Bürgermeister Berger, der eigentlich genau wissen müsste, wer ich war. Ich war mit seiner Tochter Becky in derselben Klasse gewesen, wir hatten erst kürzlich zusammen unseren Abschluss gemacht.

      Je länger ich nicht reagierte, desto unangenehmer schien ihm die Situation zu werden. Er wischte sich erneut über die glänzende Stirn.

      Sollte er erst einmal in meiner Haut stecken.

      Schließlich schaffte ich es, zu nicken, woraufhin er mir einen hektischen Wink gab. »Dann komm doch bitte zu mir auf die Bühne. Wir wollen dein Gesicht für die Prinzen ganz genau einfangen.«

      Als er die Thronfolger erwähnte, stieg auf einmal Entschlossenheit in mir auf. Ich war gezogen worden. Prinz Stephan hatte meinen Namen unter vielen Hunderten aus dieser Kristallschale gefischt. Ausgerechnet meinen! Das musste einfach Schicksal sein. Und niemand würde mich davon abhalten können, diese Chance zu nutzen.

      Ich straffte meine Schultern und machte den ersten Schritt vorwärts. Die Mädchen wichen vor mir zurück, ihre Blicke spürte ich mit jeder Faser meines Körpers. Als ich die Stufen zum Podium erreichte, richtete ein Mann eine Kamera auf mich. Ich hatte keine Ahnung, wo die auf einmal hergekommen war. Doch ich versuchte sie auszublenden, und konzentrierte mich darauf, mit meinen Keilabsätzen nicht umzuknicken. Sie waren zwar keine drei Zentimeter hoch, auf ihnen zu laufen, erschien mir jedoch auf einmal wie eine gigantische Herausforderung.

      Als ich schließlich neben dem Bürgermeister stand, wandte ich mich für einen Moment all den Mädchen zu, die nicht mein Glück hatten. Ihre Missbilligung war ihnen anzusehen, es ertönte kein Jubel, niemand klatschte. Entweder kannte man mich nicht oder man hielt nichts von mir. Ich musste infolgedessen dankbar dafür sein, dass ich nicht gar ausgebuht wurde. Einigen Mädchen, mit denen ich vor ein paar Jahren Probleme gehabt hatte, hätte ich das durchaus zugetraut.

      Um mich von den wenig erfreulichen Erinnerungen abzulenken, schaute ich in die Zukunft – und damit direkt in die Kamera. Das ganze Königreich würde in Kürze diese Bilder sehen. Prinz Stephan würde sie sehen. Sehr wahrscheinlich auch die anderen vier Thronfolger. Darum riss ich mich zusammen, guckte genau in die Linse und lächelte. Es war ein ehrliches Lächeln trotz der Feindseligkeit vor mir. Endlich war ich mal diejenige, die etwas hatte, was alle wollten. Ich war in einer besseren Position als sie. Und diesmal würde ich es mir nicht nehmen lassen. Denn ich konnte eine Prinzessin werden, eine Königin.

      Ich konnte meine Träume leben.

      4

      Als die Kamera endlich in ihrer Tasche verstaut war, lotste mich Bürgermeister Berger mit sich in das Rathaus, das sich schräg hinter der Bühne befand. Ich folgte ihm, obwohl mir unbehaglich zumute war. Was würde nun passieren?

      »Also, die Aufnahmen werden zum königlichen Sender gebracht. Wahrscheinlich werden sie übermorgen ausgestrahlt. Am gleichen Tag wird dich eine E-Bahn der Königsfamilie abholen und zum Palast der Einheit bringen. Bis dahin solltest du also gepackt haben«, redete der Mann drauf los. Er öffnete mir eine Tür im Erdgeschoss und winkte mich in den Raum dahinter.

      Ich trat über die Schwelle und schaute mich um. Es war ein Büro, überall lagen Aktenordner herum. Vor mir befand sich ein Schreibtisch, dahinter ein Stuhl, auf den sich der Bürgermeister setzte. Ich ließ mich zögernd auf dem Sessel gegenüber nieder.

      »Deine Eltern wissen Bescheid, ja? Haben sie die Übertragung gesehen?«, fragte mich der Mann, während er in einer Schublade kramte.

      »Ja, von zu Hause aus.«

      Oh Mann, daran hatte ich noch überhaupt nicht gedacht. Wie hatte mein Vater darauf reagiert, dass ich gezogen worden war? Wahrscheinlich war er in einen Schockzustand gefallen und anschließend durchgedreht. Ich hoffte sehr, dass meine Mutter ihn beruhigen konnte.

      Falls sie das überhaupt wollte. Sie hatte meine Träume zwar akzeptiert und meinen Vater sogar überzeugt, mich zur Bewerbung gehen zu lassen. Aber sie hatte bestimmt nicht damit gerechnet, dass es so weit kommen könnte, dass mein Name ertönte.

      »Ich werde jemanden schicken, der sie herbringt. Es gibt da noch ein paar Formalitäten zu regeln.« Bürgermeister Berger zog ein Taschentuch hervor und tupfte sich damit die feuchte Stirn ab. »Deine Adresse?«

      Ich nannte sie ihm und er verschwand aus dem Büro. Um mich von meiner Nervosität abzulenken, begutachtete ich die zweckmäßige Einrichtung, bis er zurückkehrte. Danach saßen wir weitgehend schweigend herum, bis endlich die Tür aufging und meine Eltern hereinrauschten. Vor allem meinem Vater war der Unmut anzusehen.

      »Du sagtest, du würdest nie und nimmer gezogen werden!«, schrie er mich an.

      Ich zog die Schultern bis zum Kinn. »Das habe ich mir nicht ausgesucht.«

      »Aber du wolltest, dass genau das passiert!« Mein Vater wirkte fuchsteufelswild. »Keinesfalls hätte ich dir das erlauben sollen!«

      »Bruno.« Meine Mutter legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter, doch er schüttelte sie ab wie eine lästige Fliege. »Jillian kann nichts für das Los.«

      »Sie kann etwas für die Bewerbung, Karen!« Er wandte sich wieder an mich. »Wie kannst du nur glauben, es durchzustehen, mit vierundzwanzig Mädchen um fünf Jungs zu