Träume nicht dein Leben. Kate Lillian. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kate Lillian
Издательство: Bookwire
Серия: Liebe oder Krone
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748560128
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      Die Ansprache des Prinzen wurde live in der ganzen Stadt übertragen, doch es gab keine weiteren Zwischenfälle. Ich schaute sie mir zusammen mit meinen Eltern vor dem Fernseher an. Die meiste Zeit konnte ich mich überhaupt nicht auf die Worte von Prinz Stephan konzentrieren, da ich mir vorstellte, wie es war, in der ersten Reihe vor der Bühne zu stehen. So nah an unserem Thronfolger, dass er einen bemerken musste. Wie würde er mich wohl ansehen, wenn ich dort unten stünde?

      Vermutlich würde sein Blick über mich hinwegschweifen. Ich war keine sehr auffällige Erscheinung mit meinen schulterlangen, dunkelbraunen Haaren. Vielleicht fiel ihm meine zu hohe Stirn auf, die ich früher durch einen seitlichen Pony verborgen hatte. Inzwischen war dieser herausgewachsen, sodass ich ihn mir hinters Ohr streifen konnte – wobei ich mich lieber hinter den Strähnen versteckte.

      Als plötzlich Jubel aus dem Fernsehgerät drang, zuckte ich zusammen. Prinz Stephan grüßte noch einmal zum Abschied, bevor er das Podest verließ. Man sah noch für einige Minuten die jubelnde Menge auf dem Bildschirm, dann tauchte der Thronfolger wieder auf seinem Rollwagen auf und fuhr auf die nächste Straße zu. Diese würde ihn auf anderem Wege zurück zum E-Bahn-Halt bringen als bei seiner Ankunft.

      Mir entfuhr ein leises Seufzen, als der Bildschirm schwarz wurde. Mein Vater kommentierte das lediglich mit einem Stirnrunzeln, meine Mutter lächelte vor sich hin. Keiner von ihnen konnte verstehen, was ich gerade empfand.

      »Zwei Tage also«, sagte mein Vater auf einmal. Als ich ihn nur still von der Seite ansah, fügte er hinzu: »Danach ist das ganze Theater vorbei.«

      »Eigentlich fängt es dann erst richtig an«, korrigierte ihn meine Mutter und sprach damit genau aus, was auch mir im Kopf herumschwirrte. »Das Connecting wird mehr Wirbel verursachen als jede Reise, die unser Prinz in seinem Leben unternehmen wird. Schließlich geht es um fünf Thronerben auf Brautschau.«

      »Fünf Männer und fünfundzwanzig Mädchen, wer tut sich denn so was an?« Er schüttelte den Kopf. »Die müssen wahnsinnig sein.«

      Oder verzweifelt, kam es mir in den Sinn. Doch ich schob den Gedanken beiseite. Es konnte doch nicht sein, dass unter den Töchtern der anderen Königshäuser keine passende dabei war. Oder doch? Sonst würden sie sich kaum der Gefahr aussetzen, dass die Show den guten Ruf der Königsfamilien ruinierte.

      »Ich denke, sie sind clever«, unterbrach meine Mutter meine Überlegungen. »Auf diese Weise lernen die Königsfamilien das einfache Volk besser kennen. Und umgekehrt ist es genauso. Das Connecting ist viel mehr als nur ein Fernsehspektakel. Es ist eine Chance.« Als mein Vater sie daraufhin nur fragend ansah, erklärte sie: »Es ist eine Chance, uns alle miteinander zu verbinden. Eine Chance, unseren Frieden weiterhin zu bewahren.«

      3

      Die inspirierenden Worte meiner Mutter hallten auch in den nächsten Tagen in meinen Gedanken nach. Denn sie hatte absolut recht. Dieses einzigartige Event diente nicht nur dazu, die Menschen zu unterhalten. Auch nicht dazu, die Thronfolger auf Brautschau zu schicken. Wir sollten uns alle besser kennenlernen.

      Unsere Kulturen klafften zwar nicht mehr so weit auseinander wie in der alten Welt, aber ich musste zugeben, dass ich mit den anderen Königreichen wenig anfangen konnte. Zwar lebten wir nicht weit entfernt von der Grenze zum Ostreich, aber ich hatte sie noch nie gesehen. Es war für uns alle ungewöhnlich, sie zu passieren.

      Kurz nach dem Großen Krieg musste das noch anders gewesen sein. Immerhin war meine Großmutter mütterlicherseits den ganzen Weg aus dem Nordreich hierher gekommen. Sie war quasi unserer heutigen Königin gefolgt, ohne diese überhaupt zu kennen. Vermutlich hatte ich die Begeisterung für das royale Leben von ihr geerbt. Zu schade, dass sie kurz nach meiner Geburt gestorben war. Sie wäre bestimmt auf meiner Seite gewesen, hätte mich sogar ermutigt, mich für das Connecting zu bewerben. Nun stand ich mit meiner Entscheidung ziemlich allein da.

      Als der Tag der Ziehung von Bezirk C endlich gekommen war, war ich so nervös, dass ich beim Frühstück kaum etwas hinunter bekam. Gestern war ein Zettel in den Briefkasten geflattert, auf dem alle Details zum heutigen Tag zusammengefasst waren. Die Ziehung sollte nachmittags um zwei Uhr stattfinden. Auf den Marktplatz unserer Stadt durften nur die Mädchen, die sich beworben hatten, damit es nicht zu voll wurde. Alle anderen, die die Übertragung verfolgen wollten, mussten sie sich entweder zu Hause angucken oder aus der Entfernung beobachten.

      Ich sah meinem Vater an, dass es ihm überhaupt nicht gefiel, mich nicht begleiten – und gleichzeitig wohl auch nicht beschützen – zu können. Meine Mutter beruhigte ihn damit, dass ich ja bald wiederkommen würde. Ob sie damit meinte, dass ich sowieso nicht gezogen werden würde, konnte ich aus ihrem Gesicht nicht herauslesen.

      Ich verabschiedete mich bereits um die Mittagszeit von den beiden, um keinen allzu schlechten Platz zu bekommen. Ich ließ meinen Namen auf der Liste eines Helfers abhaken, erst danach durfte ich den abgesperrten Versammlungsort betreten.

      Obwohl ich viel zu früh dran war, hatten sich schon mehrere Reihen von schwatzenden Mädchen vor der Bühne platziert. Die Banner standen noch immer dort, die Leinwand hing ebenfalls bereits da. Dieses Mal fiel mir auch sofort der Projektor auf, der die Bilder live aus unserer Hauptstadt übertragen würde. Hoffentlich klappte das mit der Technik, es gab häufiger Störungen des Netzwerkes, weshalb wir recht selten Live-Sendungen aus den anderen Königreichen empfingen.

      Ich hätte mir auch zu gerne die weiteren Verkündungen angeschaut, aber die waren bloß innerhalb der jeweiligen Grenzen ausgestrahlt worden. Die restlichen Thronfolger sowie die gezogenen Kandidatinnen sollten wohl eine Überraschung für die anderen Reiche werden. Der erste Schritt, um Spannung aufzubauen.

      Diese hatte sich wegen der Ziehung auch in mir breitgemacht, schlug jedoch mit jeder Minute mehr in Nervosität um. Die Wartezeit überbrückte ich dieses Mal nicht damit, den Gesprächen anderer zu lauschen. Stattdessen ließ ich den Blick über die Kleidung der Bewerberinnen schweifen. Viele hatten Kleider angezogen, manchmal sah ich auch den ein oder anderen viel zu kurzen Rock. Überall glitzerten Pailletten, Stoff fiel wasserfallartig oder rüschte sich. Außerdem waren viele Ausschnitte zu tief und mit glänzenden Ketten behängt.

      Ich fühlte mich wieder einmal wie eine Außenseiterin mit meinem langen weißen Rock und dem in unterschiedlichen Blauschattierungen leuchtenden, eher züchtigen Top. Das einzige Schmuckstück, das ich trug, war eine dünne Silberkette mit einem Diamantanhänger, die ich von meiner Großmutter geerbt hatte.

      Manche der Mädchen sahen mich gerade wegen meiner unspektakulären Erscheinung an. Da ich wie immer aus der Reihe fiel, waren ihre Blicke abschätzig, bevor sie dazu übergingen, mich zu ignorieren.

      Als der Bürgermeister endlich das Podium betrat, verspürte ich nicht nur Erleichterung. Mir war auch ein wenig übel. Ich versuchte, mich auf die Worte des Mannes zu konzentrieren, um das unangenehme Gefühl auszublenden.

      »Meine sehr geehrten jungen Damen, ich begrüße Sie recht herzlich an diesem schönen Tag«, fing er an, wobei seine Stimme ein wenig zitterte. »Die Übertragung wird gleich beginnen. Viel Glück Ihnen allen.«

      Wir klatschten, während er sich an den Rand der Bühne zurückzog, um nicht im Bild zu stehen. Es dauerte keine Minute, bis dieses auf der Leinwand erschien. Ich erkannte den Marktplatz unserer Hauptstadt Thuringia – benannt nach dem alten Bundesland Thüringen – und sah auch die riesige Menge vor der Bühne. Dort standen bestimmt fünfmal so viele Mädchen wie bei uns. Wahrscheinlich würde es also wieder auf eine Hauptstadt-Kandidatin hinauslaufen ...

      Als Prinz Stephan mit dem Mikrofon auf das Podium trat, musste ich trocken schlucken. Er sah so perfekt aus wie bei jedem seiner bisherigen Auftritte. Die grauen Wolken, die über Thuringia hingen, konnten seinem Strahlen nichts anhaben. Wie sehr wünschte ich mir, ich könnte auch so positiv sein wie er!

      »Liebe Bürger, liebe Mädchen des Bezirks C«, begann er und ließ seinen Blick über die Menge vor ihm schweifen, bevor er in die Kamera sah. »Dies ist der Tag, auf den viele von euch lange gewartet haben. Das Leben einer von euch wird sich heute verändern. Und ich bin sehr