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Der Streit um das Bistum Brixen
Der Streit um das Bistum Brixen
Um diese Zeit bereiteten an sich unbedeutende Vorfälle an den Grenzen des Reiches, in Tirol, Ereignisse vor, die die drei Freunde vom Baseler Konzil noch einmal zu grundsätzlichem Kampf zusammen und gegeneinander führen sollten. Im Jahr 1450 starb der Bischof von Brixen, und ein anderer wurde vom Kapitel gewählt. Der Papst, obwohl er die Rechtmäßigkeit der Wahl anerkannte, setzte anstatt dessen den Kardinal Nikolaus von Cusa ein, den er aus bestimmten Gründen für geeigneter hielt, den Platz auszufüllen.
Sigismund von Tirol Si(e)gmund oder Sigismund genannt der Münzreiche, auch Herzog Siegmund von Tirol (* 26. Oktober 1427 in Innsbruck; † 4. März 1496.
Mit eben diesen Gründen hing es wohl zusammen, dass Siegmund, der Herzog von Tirol, die päpstliche Wahl bestritt, indem er sich auf das im Jahr 1439 auf dem Reichstag zu Mainz abgeschlossene Konkordat berief, wonach die Kapitel das Recht hatten, den Bischof zu wählen. Den Hintergrund der Entzweiung bildeten folgende Umstände: um ein zentralisiertes Landesfürstentum zu begründen, wollte der Herzog von Tirol die beiden Bistümer Trient und Brixen, selbständige Staaten in seinem Staat, nach Möglichkeit in den seinigen hineinziehen. Er pflegte zu sagen, für sein Land und für die Bistümer könne Sicherheit nur erlangt werden, wenn die Verwaltung der bischöflichen Temporalien, also der weltlichen Rechte, so eng mit der Verwaltung seines Landes verknüpft wäre, dass dieselbe einheitlich geführt werden könne, nicht durch die Regierung der Bischöfe getrennt würde. Die geistlichen Angelegenheiten möchten immerhin von den Bischöfen verwaltet werden. Im Hinblick auf das Bistum von Trient hatte das Baseler Konzil das Bestreben des Herzogs unterstützt, ohnedies hatten die Bischöfe, die häufig durch die Stadt Trient bedrängt worden waren, die landesfürstliche Oberhoheit des Herzogs bereits weitgehend anerkannt. Um nun zu verhindern, dass der Herzog das Bistum Brixen in derselben Weise an sich ziehe, wünschte der Papst eine verlässliche und unbeugsame Persönlichkeit an der Spitze desselben zu sehen und erlas dazu Nikolaus von Cusa. Zunächst ließen Herzog und Bischof sich die Vermittlung des Erzbischofs von Salzburg gefallen, die festsetzte, dass der Herzog den päpstlichen Bischof anerkennen, und der Bischof versprechen solle, sich gegen den Herzog so zu verhalten wie seine Vorgänger. Schon nach zwei Jahren trübte ein unscheinbarer Vorfall die empfindlichen Beziehungen zwischen den beiden Fürsten. Das hoch über Bruneck gelegene Frauenkloster Sonnenberg befand sich schon lange mit dem Bischof von Brixen im Streit wegen der Gerichtsbarkeit über einige Täler. Als nun die Äbtissin Verena von Stuben mit einem Teil ihrer Untertanen Händel bekam, suchten diese Schutz bei dem Bischof, der auch für sie eintrat und zugleich die oberste vogteiliche und richterliche Gewalt über das Kloster in Anspruch nahm.
Äbtissin Verena von Stuben geboren um 1410, gestorben nach 1472
Nein, sagte Verena von Stuben, diese Gewalt stehe dem Herzog zu und wandte sich hilfesuchend an Siegmund; es versteht sich, dass dieser nicht zögerte, den Schirm zu übernehmen. Dass der Streit sich zuspitzte, war die Folge von Cusas reformatorischem Eifer, mit dem er das überall so heillos gelockerte Klosterleben zur ursprünglichen Strenge zurückführen wollte. Er bedachte nicht, dass im Lauf der Jahrhunderte die Lebensführung überhaupt sich geändert hatte und dass von dieser Entwicklung auch die Klöster berührt werden mussten, in die ja meist Angehörige adliger Häuser eintraten. Die Äbtissin Verena, eine unerschrockene Frau, gab zu, dass das Kloster in geistlichen Dingen dem Bischof unterstehe, versprach auch, sich mit den Nonnen der Reformierung zu unterziehen; aber die Freiheit zu reisen und auch mit Männern über die Angelegenheiten des Klosters sich zu besprechen mochte sie nicht aufgeben und hielt es auch für unmöglich, eine Umwandlung des Lebens, wie Cusa sie verlangte, mit einem Schlag durchzuführen.
So suchte sie die Sache hinzuziehen und stützte sich dabei auf ihren Schirmherrn, den Herzog. Auch bei anderen erregte die Strenge des Bischofs Widerwillen; zum Beispiel verbot er den Tanz auf Kirchweihtagen, und dass die Männer in Wehr und Waffen dabei erschienen, wie es üblich war. Dadurch brachte er nicht nur das Volk gegen sich auf, sondern auch gewisse Edle, die das Recht hatten, die Kirchweihtage einzuberufen und zu überwachen. Nachdem der Streit zwischen Bischof und Äbtissin sich durch drei Jahre ergebnislos hingezogen hatte, tat der Bischof die stolze Jetzabel, wie er sie nannte, in den Bann. Auf der Schwelle der Kirche, in der der Bann ausgesprochen war, schleuderten die Geistlichen nach alter Weise die ausgelöschten Kerzen gegen das Kloster hin zum Zeichen der ewigen Verdammnis, in die Gott hingegeben habe Datan und Abiram, die das Erdreich lebendig verschlang. Der Herzog hatte während dieser Begebenheit die Äbtissin abwechselnd unterstützt und preisgegeben, je nachdem das Verhältnis zum Bischof es angemessen erscheinen ließ; denn den offenen Bruch wollten beide womöglich vermeiden.
Wie aber beider Absichten und Auffassungen nun einmal waren, ließ sich derselbe auf die Dauer nicht vermeiden. Der Herzog wollte die weltliche Gewalt im Fürstentum Brixen an sich bringen, der Bischof wollte nicht nur darauf nicht eingehen, sondern war sogar der Meinung, der Herzog, der sich als sein Oberherr gebärdete, sei eigentlich sein Vasall, den seine, Cusas, Vorgänger zum Vogt, das heißt zum Beschirmer des Bistums angenommen hätten. Kaum hatte er die Regierung angetreten, so begann er in den Archiven nach Urkunden zu stöbern, die sein Recht erweisen sollten. Es glückte ihm, wie er behauptete, den urkundlichen Nachweis liefern zu können, dass den Bischöfen von Brixen alle königlichen Rechte, die sogenannten Regalien, von verschiedenen Kaisern verliehen seien, wozu das Recht auf alle Erze und Salze gehörte, die in ihrem Gebiet entdeckt wären oder noch entdeckt werden würden. Von Kaiser Friedrich III. ließ er sich ein Privileg Friedrichs II. bestätigen, das ihm den Besitz aller Silbergruben, Metall- und Salzgänge im Bistum Brixen verbürgte. Da er außerdem Matrei und Steinach, die von einem seiner Vorgänger verpfändet waren, wieder einlösen wollte und Anspruch auf allerlei Rechte und mehrere Schlösser erhob, die dem Bistum früher einmal entzogen worden waren, so würde, wenn es nach ihm gegangen wäre, der Herzog fast ganz Tirol mitsamt seinen Bergschätzen verloren haben. Der Herzog konnte darauf entgegnen, dass die Ausbeutung der Bergwerke immer von den Landesherren von Tirol sei ausgeübt worden, dass Cusas Vorgänger nie etwas dagegen eingewendet, ihn überhaupt als Landesfürsten anerkannt hätten, dass die Bischöfe von Brixen und Trient beide tirolische Landstände wären und damit eine bestimmte Stellung im Land unter dem Landesfürsten einnähmen, seinem Gebiet in bestimmter Weise eingeordnet wären.
Die alten Urkunden, die der Bischof aus dem Staub ausgegraben hatte, waren längst von verwandelten, gegenwärtigen Verhältnissen überwachsen und entwertet und mussten im Anhauch des Tageslichtes zu Asche zerfallen.
Aber kam es denn überhaupt auf Urkunden an? Sie bildeten doch nur, und das wussten wohl beide, die Unterlage für einen Kampf zweier Mächte. Die Räte des Herzogs begründeten seine Stellung folgendermaßen: Das Vogteirecht habe den Herren von Tirol die Oberherrlichkeit über alle zu der Vogtei gehörigen Schlösser, Länder und Güter gegeben, damit Land und Leute, geistliche wie weltliche, im einmütigen Gehorsam des Landesfürsten blieben und für einen Mann stehen möchten. Kraft der Vogtei habe der Landesfürst alle Personen und Untertanen, seien es Prälaten, Grafen, Ritter und Knechte, in seinem Schutz gehabt, wie sie hinwiederum alle im Genuss der Freiheiten des Landes wären. Die Einwohner des Landes, Prälaten, Grafen, Ritter, Knechte, Bürger und Bauern, würden nicht so friedlich nebeneinandersitzen, die Straßen würden nicht so friedlich gehalten werden, wenn ein Prälat oder sonst jemand, der Regalien und Herrschaftsrechte hätte, neben dem obersten Landesfürsten herrschen wollte. Einem jeden Fürsten stehe es zu, im Kreise seiner landesfürstlichen Herrschaft die Obrigkeit also zu handhaben, dass der Gehorsam ungespalten und das Fürstentum unzertrennt bleibe. Es waren die Gründe, die damals und später alle Fürsten anführten, um die