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Drei Freunde
Drei Freunde
Auf dem Konzil zu Basel, das im Jahre 1431 eröffnet wurde, lernten sich drei junge Männer kennen, die zu den hervorragendsten Begabungen ihrer Zeit gehörten und deren ineinander verschlungene Lebensläufe wie in einem Sinnbilde die Geistesströmungen der Zeit darstellen.
Papst Pius II., geborene Enea Silvio Bartolomeo Piccolomini, (geb. 18.10.1405, corsignano [jetzt pienza], republik siena – gest. 14/15.08.1464, ancona, päpstlicher Staat), war vom 19. August 1458 bis zu seinem Tod Oberhaupt der katholischen Kirche und Herrscher des Kirchenstaates.
Einer von ihnen war ein Italiener, Enea Silvio Piccolomini aus Siena, zwei waren Deutsche: Nikolaus Krebs, aus Cues an der Mosel gebürtig, daher gewöhnlich Cusa oder Cusanus genannt, und Gregor von Heimburg, ein Franke aus adligem Geschlecht, das schon im 11. Jahrhundert blühte. Piccolomini hatte von den Talenten dieses jungen Juristen, der, wie es scheint, als Privatmann das Konzil besuchte, einen so starken Eindruck, dass er ihn beschäftigte, wozu er als Mitglied eines Ausschusses Gelegenheit hatte.
Nikolaus von Kues wurde im Jahr 1401 als Nikolaus Krebs (oder auch Cryfftz) in dem Ort Kues an der Mosel geboren und verstarb 1464.
Wenn der Italiener ihn einen der drei gelehrtesten Männer des Konzils nennt, möchte man annehmen, dass er mit dem anderen sich selbst, sicher ist, dass er mit dem dritten Nikolaus von Cusa meinte. Heimburg hatte neben den Rechten die Humaniora studiert, was damals noch eine Ausnahme war, ein stattlicher Wuchs empfahl ihn, man rühmte sein heiteres, offenes Gesicht, frühe Kahlheit ließ seine Stirn noch mächtiger erscheinen. Seine Lebensführung gab nie zu Tadel Anlass, jugendliche Ausschweifungen konnten ihm nicht vorgeworfen werden; Enea Silvio dagegen gab sich unbekümmert den Genüssen des Lebens hin und pochte mit einer gewissen liebenswürdigen Frivolität auf das Recht, die natürlichen Triebe auszuleben. Er verstellte sich nicht und tat das Unerlaubte mit Bildung und Geschmack. Aufgewachsen inmitten der neuen italienischen Richtung, die das Natürliche und Schöne feierte, die kaum ein höheres Ziel kannte, als die lateinische Sprache nach dem Muster der besten altrömischen Schriftsteller zu reinigen und sich anzueignen, die Kenntnis der antiken Welt zu vertiefen und anderen zu vermitteln, war er entzückt, in Basel zwei jungen Männern zu begegnen, die ihm an Bildung und Verstand gleich waren und die in der die Welt bewegenden Frage der kirchlichen Reform eines Sinnes mit ihm waren. Alle drei hingen der vom Konzil zu Konstanz überlieferten Ansicht an, dass der Papst der im Konzil vertretenen Christenheit unterworfen sei, einer Ansicht, die der damalige Papst, Eugen IV., hartnäckig bestritt.
Papst Eugen IV., geborene Gabriele Condulmer (* 1383, † 1447), war vom 3. März 1431 bis zu seinem Tod Oberhaupt der katholischen Kirche und Herrscher des Kirchenstaates. Condulmer war ein Venezianer und ein Neffe von Papst Gregor XII. 1431 wurde er zum Papst gewählt.
Von den drei Freunden war Nikolaus von Cusa die interessanteste Persönlichkeit und der bedeutendste Denker. Dieser merkwürdige Mann, in dem das Denken die stärkste Leidenschaft war, der er nicht widerstehen konnte, hat für Jahrhunderte vorausgedacht. Es gibt kaum einen Philosophen der folgenden Zeit, von dem sich nicht annehmen ließe, er habe von Nikolaus von Cusa Anregung empfangen. In der Schule der ‚Brüder vom gemeinsamen Leben’ erzogen, teilte er ihre freieren Auffassungen und stand er dem Papsttum zunächst kühl, teilweise ablehnend gegenüber. Er verurteilte die Alleinherrschaftsansprüche des Papstes im Verhältnis zum Klerus und zum Staat und die Seelenführung der Kirche, die sich mit Äußerlichkeiten begnügte. Er hätte nicht nur der Bekämpfer der alten Kirche, sondern der Vorkämpfer für einen neuen, freieren Glauben werden können. Seine Gedankengänge führten ihn zu der Einsicht, dass jeder Mensch Gott nur so weit erkennen könne, wie es seinen geistigen Kräften entspreche, und dass deshalb das Gottesbild eines rohen Volkes anders ausfallen müsse als das eines hochentwickelten. Er zog daraus nicht den Schluss, auf den Denker einer späteren Zeit verfielen, dass der Mensch sich Gott mache, dass Gott nur das in den Himmel geworfene Spiegelbild des Menschen sei; denn er ging von Gott als von der sichersten Tatsache aus; aber er folgerte daraus die Hoffnung, dass einst vielleicht alle Völker sich in einer gemeinsamen Religion vereinigen würden, wenn sie begriffen, dass sie alle nur eine mittelbare Kenntnis des Einen, Unerreichbaren hätten, dessen von ihren Vätern ahnungsvoll erschautes Bild sie anbeteten. In seinem Werk De pace seu concordantia fidei lässt er Gottvater, umgeben von Engeln und Seligen, die Herstellung der Glaubenseinheit beschließen und 17 Nationen im Himmel der Vernunft friedlich vereinigen. Würde ein Löwe Gott ein Antlitz geben, sagt er, so würde es wie das eines Löwen ausfallen, bei dem Adler wie das des Adlers. „Wie ein jeder eine Brille auf der Nase hat, also erscheint und ist ihm Gott“ drückte es später volkstümlich Sebastian Franck aus.
Indessen je enger Cusas Denken die Idee Gottes, die absolute Vernunft umkreiste, desto deutlicher wurde ihm die Ohnmacht des menschlichen Denkens in Bezug auf das Übersinnliche. Wohin geriet er, wenn er, wie die Idee es zu erfordern schien, auf jede Vermenschlichung des Göttlichen verzichten wollte? Wenn er sich nicht damit begnügen wollte, dass wir hier, wie Paulus es ausdrückt, in einem dunklen Wort sehen, dort erst von Angesicht zu Angesicht? – Wer ist nach seinem eigentlichen Wesen der, den keine Namen nennen, der mit nichts Irdischem vergleichbar ist? In unermüdlicher Gedankenarbeit blättert er von der Gottesidee alles Irdische ab, um endlich vor dem Abgrund des Nichts zu stehen. Er erlebte, dass, wer den Schleier vom Bilde Gottes reißen will, um ihn in seiner Majestät zu sehen, vom Feuer verzehrt oder in eisige Finsternis geworfen wird, wo der Sterbliche nicht atmen kann. Unter dem Grauen, das ihn befiel, wurde ihm klar, was die Kirche für die Menschheit getan hatte. Sie hatte über den furchtbaren Gottesabgrund, in dem das Endliche sich verzehrt wie ein Tropfen auf glühendem Eisen, die herrliche Vision der Gottesgeschichte gespannt, Symbole, die dem menschlichen Geist fasslich sind, und die eins werden konnten mit der Idee, die sie darstellten. Die Kirche steht schützend zwischen den Menschen und der schauervollen Einöde, zu der der über Gott denkende Verstand führt, sie lehrt den Glauben an Gott und hat ihre Lehre mit Wissenschaft und Kunst und mit unerschütterlichen Geboten befestigt. Cusa fand nicht wie ein späterer großer Deutscher in seinem Herzen einen Weg zu Gott, der unmittelbar an das Herz des alliebenden Vaters führt; den Abgrund zwischen Gott und der Kreatur zu überbrücken, wusste er kein anderes Mittel als engen Anschluss an die Kirche. Sich und die Menschheit glaubte er zu retten, indem er sich aus der Hölle des Denkens wie ein flüchtender Verbrecher an die Säulen der Kirche klammerte. Der Verstand, so sagte er, muss durch den Glauben besiegt werden, und das ist für den hochmütigen Menschen der schwerste Kampf; er muss wie ein Tor und Sklave werden, der auf die Freiheit des Verstandes verzichtet und sich gefangen gibt. „Glauben können ist der größte Sieg, er übertrifft alle geistige Kraft, denn er gehört in das Gebiet des Willens … Die vernünftige Seele kann glauben oder nicht glauben, je nachdem sie will oder nicht will … Wenn der Wille durch einen bestimmten Glauben auf die Vernunft drückt, dass nämlich Gott zu uns durch die Propheten, zuletzt durch seinen Sohn, der uns die Lehre von der Unsterblichkeit geoffenbart, geredet hat, so nimmt die Vernunft keinen Anstand, dem Worte Gottes zu glauben.“ Solche Betrachtungen lassen ahnen, mit welcher Anstrengung sich Cusa den Glauben an Gott, wie die Kirche ihn lehrt, erkämpft hat, und sie machen die Strenge begreiflich, mit der er diesen Glauben von den Menschen forderte. Er war für ihn nicht ein Feuer, das aus einem begnadeten Herzen bricht und das innere Auge erleuchtet, sondern ein Entschluss, den zu erfassen nur strafbarer Hochmut oder strafbare Trägheit hindert.
Es hat etwas Ergreifendes, den leidenschaftlichen Denker sich um die Innigkeit des Gläubigen mühen zu sehn. „Gepriesen seist du, mein Herr und Gott, dass du mich mit der Milch des Gleichnisses nährst und speisest“. „Du wolltest, o Gott, die kindliche