Schüchterne Gestalten. Peter Bergmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Bergmann
Издательство: Bookwire
Серия: Jan Remsens erster Fall
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742769886
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in Form wunderhübscher Frauen unübersehbar. Warum sollte er sich nicht was Gutes tun, bevor gar nichts mehr geht?

      Wie in den letzten Wochen immer öfter, war er auch heute auf dem Rad unterwegs und ließ sich dann in einem Club, inzwischen seine regelmäßige Anlaufstelle, massieren. Auch heute wieder blieb es natürlich nicht nur dabei. Köstlich, wenn er in Gedanken an die Stunden dachte, die er sich vorhin dort gönnte.

      An diesem grauen Sonnabendnachmittag saß Georg Weilham gedankenverloren in seinem Auto und auf dem Weg zurück in Deutschland. Er sollte sein Handy anmachen und seine Frau anrufen. Sein Sohn wusste ja, dass er sonnabends nicht zu erreichen war. Ihn müsste er dringend sprechen. Vor allem wegen den Verhandlungen in der vergangenen Woche, in Lemberg. Hoffentlich konnte er den Deal gut vorbereiten; CodeWriter brauchte das Geschäft. Die Telefonverbindung gestern in die Ukraine war mal wieder unbrauchbar. Ach, die Vertriebslady war mit dabei; vielleicht ist sie hübsch. Sicher warten ein paar angenehme Pflichten die nächsten Tage auf ihm. Aber wie er seinen Carsten kennt, hatte er die, wie hieß sie doch gleich … Larissa, ja Larissa, bestimmt schon flachgelegt, wenn sie hübsch war. Sein Sohn, das wusste er nur zu gut, ist keiner, der eine schöne Frau unberührt stehen lässt. Seine Gene…

      Er grinste in sich rein.

      Ja, den Carsten wird er gleich mal anrufen. Plötzlich hörte er genauer hin. Die Nachrichten brachten gerade eine kuriose Unfallmeldung von letzter Nacht. Den Anfang der Meldung nahm er nur halb wahr; jetzt sagte ihm eine Stimme aus dem Unterbewusstsein: Hinhören!

      Einordnen konnte er das nicht, vielleicht ist das alles nicht so tragisch. Ein schwarzer Audi war zu Schaden gekommen. Ja, sie haben im Firmenpool einige davon, auch ein solches Auto, mit dem Carsten gestern aus Lemberg zurückgekommen war. Audis gibt es jede Menge und die Tote ist eine Frau; kein Mann; keine zwei Personen.

      Weghören.

      Er wählte die Handynummer seines Sohnes an und wartete auf das Rufzeichen. Recht schnell kam die Meldung, die er noch mehr hasste als … egal: "The person you have called is temporarily not available"!

      Wo treibt der sich rum? Warum ist sein Handy aus? Das war nicht seine Art. Er suchte nach dem Eintrag mit dem Festnetzanschluss von Carstens Wohnung und drückte auf „Wählen“. Nach einigem Klingeln kam der Anrufbeantworter zu Wort: „Wahrscheinlich sind wir beim Entenfüttern oder machen gerade bei Aldi die neuesten Schnäppchen. Deshalb sprechen Sie bitte mit unserem Anrufbeantworter. Wir melden uns bei Ihnen, wenn wir Zeit dazu haben.“

      Eine innere Unruhe beschlich ihn. Handy vom Sohnemann aus; zu Hause keiner erreichbar. Der letzte Versuch galt der Büronummer seines Sohnes. Vielleicht war Carsten mit Larissa in der Firma und zeigte ihr die Räumlichkeiten. So richtig glaubte er nicht dran; trotzdem wählte er die Durchwahl von ihm an. Niemand erreichbar. Schon komisch, denn normalerweise sind Eva, Carstens Frau, und Paul sein einziger Enkel um diese Zeit zu Hause. Das Wetter heute lädt nicht ja gerade zum Rausgehen ein.

      Warum machte er sich solche Gedanken? Wo kam bloß diese Unruhe her? Es gefiel ihm überhaupt nicht. Er musste schnellstens nach Hause.

      „Frau Weilham, ich kann nicht richtig glauben, dass Sie von den Geschäften der Ihres Mannes so gar nichts wissen.“ Remsen mochte die Art der Frau durchaus; sie war nicht unsympathisch. Dafür war sie überhaupt nicht auskunftsfreudig. Sein Instinkt sagte ihm, dass die Frau mehr weiß, also mehr verschweigt, als sie sagt und zugibt.

      Remsen und Ulrich waren recht schweigsam zum Anwesen der Weilham‘s gefahren. Schon der konzertähnliche Hall der Thin Lizzy CD verhinderte jede Konversation. Besonders ‚Soldier Of Fortune‘ gefiel Remsen so gut, dass dieser Titel nicht nur einmal, sondern auch besonders intensiv im Buick zu hören war.

      Der Mann wird nie mehr erwachsen; Hanns-Peter Ulrich war auf seinen Partner richtig sauer. So musste Ulrich auf das warten, was der Besuch bei Weilham bringt und Kriminalassistent Nöthe was ihm erzählen wird.

      Das Haus der Weilham‘s war nicht allzu groß, recht nett für die Gegend und offensichtlich kürzlich umfassend modernisiert worden. Nicht schlecht, dachte sich noch Remsen, aber aufregend monströs war das Anwesen nun auch wieder nicht. In Blankenese…

      Die Tür ging auf und Frau Weilham, wahrscheinlich war sie es, trat heraus.

      „Ich bin Kriminaloberkommissar Ulrich, das neben mir ist Kriminalhauptkommissar Remsen.“ Parallel zur förmlichen Begrüßung seines Kollegen, Remsen machte es immer kürzer, nickte andeutungsweise mit dem Kopf, zeitgleich zuckten beide ihre Legitimationen. Das war es auch schon für Remsen. Frau Weilham bekam gerade noch Zeit, den Weg freizumachen, denn Remsen suchte seinen Assistenten. „Nöthe, draußen wartet Ulrich auf Sie, geben Sie ihm bitte ausführlichen Bericht und dann ab auf die W36. Ihre Kollegin wartet schon sehnsüchtig auf Sie.“

      Die üblichen Formalitäten: „Frau Weilham, gestern Abend ist ein Auto der CodeWriter verunglückt. Wir haben eine Tote und ermitteln in der Sache. Wissen Sie wer mit dem Audi unterwegs war?“

      „Nein, wirklich nicht. Mein Mann war die letzten Tage in Vesberg, ist mit seinem Wagen, kein Audi, gefahren und war gestern Abend so ab 22 Uhr etwa zu Hause. Er war nach der Arbeit bei einem Geschäftsessen in der Stadt und fuhr anschließend hierher.“

      „Mit wem war er essen?“ Remsens zuckte sein Notizbuch. „Äh, haben Sie bitte mal was zu schreiben, irgendwie habe ich meinen Stift verloren.“ Hatte er nicht, denn er hatte die Vorliebe, seine Bleistifte, mit Vorliebe abzukauen. Den Stummel in der Jackentasche konnte selbst er nicht mehr als Stift bezeichnen.

      Frau Weilham griff in eine Schublade und reichte ihm einen Kugelschreiber. Ein Werbegeschenk, wie Remsen erkannte.

      „Ja, besten Dank. Name?“ Remsen konzentrierte sich auf seine Befragung.

      „Das weiß ich nicht. CodeWriter gibt es jetzt schon seit 1995. Mein Mann kennt viele Leute, Geschäftspartner und solche, die es werden wollen. Außerdem sagt er immer, dass Kontakte das A und O für Geschäfte sind. Bis zu seinem Zusammenbruch war er abends fast immer irgendwie verabredet.“

      „Was war das für ein Zusammenbruch? Zu viel Arbeit? Druck? Konflikte? Oder was anderes?“

      „Heute sagt man glaube ich Burnout dazu. Besser passt: schlicht und einfach überarbeitet. Das passiert vielen in der Branche, die sich nicht einschätzen können. Georg geht in seiner Arbeit voll auf. Er denkt wohl, dass CodeWriter seine letzte Chance ist, zu einigermaßen Wohlstand, auch für später im Alter zu kommen. Aber was ist schon Geld, Haus und viel Schein gegenüber Gesundheit? Wissen Sie es?“

      Remsen beachtete die Frage lieber nicht, denn der Zustand vom Weilham könnte ohne Probleme auf ihn übertragbar sein. Auch wenn er als Beamter auf eine einigermaßen gute Pension hoffen kann, gehen ihm viele Fälle oft sehr nahe. Privatleben und Gesundheit kommen dann bei ihm nicht mehr vor. Manchmal spielt er neben seinen Ermittlungen auch noch Weltverbesserer und hofft, dass seine Arbeit, seine Aufklärungsrate dazu beitragen kann.

      „Burnout. Ihr Mann ist also ein Workaholic? Seine Droge die Firma?“

      „Kann man so sagen. Ich habe ihm schon vor seinem Zusammenbruch immer wieder in den Ohren gelegen, kürzer zu treten und mehr an sich zu denken. Er hat einen Enkel, mit dem er gerne was unternimmt. Regelrecht gefreut hat er sich, als Carsten und Eva die Nachricht überbracht haben, dass er Opa wird.“

      „Carsten und Eva?“ Wenn Carsten sein Sohn ist, äh war, der da draußen heute Morgen am Baum hing, dann bleibt ihm wirklich nur noch der Enkel.

      „Carsten ist unser Sohn. Paul, sein Enkel, schon fast in der Schule. Die beste Zeit für Opas, da sind die Kinder noch frei, unbelastet und erfreuen sich ihrer Kindheit. Wenn dann erst mal die Schule anfängt, ändert sich auch das.“

      „Frau Weilham, Ihr Sohn Carsten arbeitet doch bei CodeWriter?“

      „Ja, ja, das tut er. Georg und Carsten hatten viel Streit miteinander. Georg wollte unbedingt, dass Carsten zu ihm in die Firma kommt, was von Nachfolgeregelung gesprochen, schleichender Übergang und so. Carsten wollte nicht. Der war schon immer ein schlaues Kerlchen, ein Einser-Abi hingelegt und