Gleb ging weiter, sah hinunter auf das Werk, auf die Steinbrüche und die Schlote, blieb von Zeit zu Zeit stehen. Wut packte ihn.
Weit haben es diese Schufte gebracht! Erschießen wäre zu wenig für das Lumpenpack. Das ist ja keine Fabrik mehr, ein Sarg ist das.
Er stieg zum Werk hinab, kam auf einen leeren Platz, der schwarz war von Kohlenstaub und wie verschimmelt vom Gras, das am Boden hinkroch. Einst hatten sich hier hohe Anthrazitpyramiden getürmt, und ihre Kristalle hatten gefunkelt wie Diamanten aus Pech. Über den Platz hing eine Felswand aus gelben und braunen Gesteinsschichten. Geröllmassen waren heruntergerutscht und hatten nach und nach die Überreste menschlicher Arbeit verschluckt. Ein Halbkreis verzweigter Gleise schloss sich an. Ganz vorn, vor der Brüstung, schoss jäh ein Schlot aus dem Abgrund, ein blauer Obelisk, hundert Meter hoch. Dahinter lag breit und gewichtig das Gebäude des Kraftwerkes. Das ganze Werk schien eine erloschene Welt zu sein. Nordostwinde hatten die eisklaren Fensterscheiben zernagt, Gießbäche die eisernen Rippen der Betonmauern bloßgelegt, und der Abfallstaub auf den Gesimsen hatte sich wieder zu Stein verwandelt.
Der Wächter Kljopka kam vorbei. Er trug ein knielanges Hemd, aus einem Sack genäht, ohne Gürtel, und an den nackten Füßen zerfetzte Schuhe, die wie Zementklumpen aussahen.
„He, du! Alter Knacker! Was schleichst du hier rum wie ein verdammtes Gespenst? Prima gewacht hast du, alter Satan!"
Gleichmütig leierte Kljopka seinen gewohnten Spruch her: „Unbefugten ist der Zutritt streng verboten!"
„Sei still, du Zottelbart! Du hast doch wahrscheinlich alle Schlüssel zu diesem Trümmerhaufen hier verloren."
„Schlüssel - die braucht jetzt niemand: alle Schlösser sind hin. Kannst mit dem Zugwind ein- und ausgehen. Ziegen sind in der Fabrik. Ratten. Aber kein Mensch. Die sind weg."
„Bist selbst eine alte Ratte! Habt euch wie Krebse in eure Löcher verkrochen, ihr Tagediebe."
Kljopka sah Gleb griesgrämig an und mahlte mit seinen zahnlosen Kiefern. „Du Trichterhaube, du. Hier kannst du mit deinem Helm keinen aufspießen." Und er schlurfte weiter.
Ein hoher Viadukt auf steinernen Pfeilern führte vom Kohlenplatz zum Hauptgebäude. In den Betonwänden klafften Schießscharten für Maschinengewehre. Das Werk hatte den Weißgardisten als Festung gedient. Sie hatten darin Pferdeställe und Verschläge für Kriegsgefangene eingerichtet. In den Tagen der Intervention waren aus diesen Verschlägen grauenhafte Folterkammern geworden.
Gleb betrat das Werk. Überall hingen Spinnennetze, von Zementstaub überzogen. Unter den hohen, dämmerigen Decken hervor quoll der Geruch von Schimmel und abgelagertem Staub. Da war der riesenhafte Schlot mit herausgerissener Rauchklappe. Die Luft brauste wie ein Wasserfall in dem verdieckten Trichter, bildete quirlende Strudel und riss alles, was ihr zu nahe kam, in den röhrenden Schlund hinauf. Früher hatte eine Gusseisenplatte diesen unheimlichen Rachen verschlossen, und der Schlot hatte dröhnend funkensprühende Luftmassen aus den Zylindern der rotierenden Öfen gesogen. Einst hatten diese Öfen, von Flammenschein übergossen, ihre glühenden Riesenleiber um die eigene Achse gedreht, und dazwischen hatten Menschen gewimmelt wie Ameisen. Dicke Rohrleitungen liefen kreuz und quer, sie glichen eisernen Bogen und Riesenkakteen.
Ach, diese Schufte! Was haben sie daraus gemacht. Was haben sie nur daraus gemacht, die Schweinehunde!
Durch lange Tunnel gelangte Gleb in die Maschinenhalle, einen strengen Tempel, in blaues Tageslicht getaucht. Der Fußboden war mit bunten Fliesen ausgelegt. In Reih und Glied standen die schwarzen Dieselmotoren, golden und silbern glänzend wie Götzenbilder, fest und sicher auf ihren Plätzen, zur Arbeit bereit: ein Handgriff -und sie würden wieder tanzen und ihre spiegelblanken Metallglieder im Sonnenlicht schillern lassen.
Gleb kam es vor, als ströme ihm die Luft in heißen Wellen entgegen. Die stillstehenden Schwungräder schienen herumzuwirbeln. Wie eh und je war hier alles ordentlich und sauber, und jedes Maschinenteilchen zeugte von liebevoller menschlicher Pflege. Der Fußboden glänzte wie früher, der Staub war von den Fenstern gewischt, jede der vielen Scheiben blitzte — das Licht brach sich darin und fiel in blauen und bernsteinfarbenen Strahlen ein. Ein Mensch hatte hier hartnäckig weitergelebt, und durch ihn waren auch die Maschinen am Leben erhalten worden und lebten in erwartungsvoller Spannung!
Dieser Mensch kam in blauer Bluse und Schirmmütze aus einem Gang zwischen den Dieselmotoren herausgelaufen und wischte sich die Hände mit Werg ab. Gleb sah das Weiß seiner Zähne und Augäpfel blinken; der ganze Mann bestand aus Zähigkeit, Widerspruchsgeist und Aufgewecktsein.
„Haha, alter Freund! Bist du das, du wackerer Heerführer? Das ist aber eine Freude!"
Brynsa war hier geboren (sein Vater war auch Mechaniker gewesen), zwischen den Maschinen groß geworden, und die Maschinenhalle bedeutete für ihn die ganze Welt. Er und Gleb waren zusammen aufgewachsen und zu gleicher Zeit in die Fabrik gegangen.
„Lass dich anschauen, du Krieger! Helm ... Stern ... und die Nase länger denn je ..."
Gleb umarmte seinen alten Freund. „Brynsa! Alter Junge! Du bist noch hier? Ach, der Teufel soll dich holen! Bei dir sieht's ja aus, als seien alle Maschinen im Gang." Brynsa packte Gleb am Arm und schleifte ihn in einen schmalen Gang zwischen den Dieselmotoren.
„Guck sie dir an, mein Lieber, diese Teufelskerle — blitzsauber, wie junge Mädchen. Braucht nur einer zu sagen: ,Brynsa, anfangen!' — und diese ganze lustige Gesellschaft hier kommt in Schwung und trommelt wieder ihren eisernen Marsch ... Die Maschinen verlangen die gleiche Disziplin wie deine Armee..."
„Hast du auch Ziegen, Brynsa? Fabrizierst du auch Feuerzeuge?"
Brynsa lachte auf und entgegnete mit bissigem Humor: „Ha, diese Ziegenhirten haben mich gefressen ... Und die Feuerzeugmänner schmeiße ich regelmäßig in hohem Bogen raus... Diebe, Halunken! Für alle Fälle halte ich das Ding dort bereit. Da! Siehst du?" Er zeigte mit der Hand, in der er das Werg hielt, auf ein Gewehr in der Ecke. „Gegen Banditen, die auf Messing und Kupfer aus sind..."
Gleb streichelte zärtlich die glänzenden Maschinenteile und betrachtete Brynsa mit neugierig verwunderten, hoffnungsvollen Augen.
„Was für ein Leben steckt doch in deinem Reich, mein Freund, man möchte gar nicht wieder fort! Und wie scheußlich ist dagegen jetzt die Fabrik, und die Leute — wie ekelhaft sind sie geworden! ... Wozu treibst du dich hier noch rum, zum Teufel? Die Fabrik ist doch nur noch eine leere Bude, die Arbeiter strolchen umher, denken nur an die eigene Haut." Brynsa war finster geworden. Gleb kam es vor, als schlösse er sich feindselig gegen ihn ab. Doch der Mechaniker ging erregt neben einem Dieselmotor auf und ab und sagte streng: „Das Werk muss wieder arbeiten, Gleb. Das Werk darf nicht kaputtgehen ... Sonst — wozu hätten wir dann Revolution gemacht? Was sollten wir dann noch? Wozu trägst du dann deinen Orden?"
Plötzlich wurde er traurig, und es klang wie eine Klage, als er leise fortfuhr: „Du weißt nicht, wie Maschinen leben, du weißt es nicht. Man kann verrückt werden, wenn man das sieht und fühlt."
Als die Dieselmotoren eines Tages verstummt waren und die Menschen in Scharen aus dem Werk zogen — in die Revolution, in den Bürgerkrieg, in Hunger und Elend —, da war Brynsa geblieben, ganz allein, im Schweigen der Maschinenhallen. Er war ebenso einsam gewesen wie die strengen, blanken Maschinen. Er hatte ihnen bis zum Ende die Treue bewahrt.
„Das Werk muss wieder arbeiten, Gleb. Die Maschinen sind da, und wenn Maschinen da sind, Freund, müssen sie einfach arbeiten; sie tun es, auch wenn sie stillstehen. Ach, wenn du das nur begreifen könntest! Aber ob du das Gefühl dafür hast oder nicht — du musst alles daransetzen, um das erste Flämmchen zu entzünden, auf mich kannst du jederzeit bauen."
Gleb blickte die glänzenden Leiber der Dieselmotoren an — blickte Brynsa an, lauschte auf die dumpfe Stille zwischen den Wänden, fühlte, wie ohnmächtig er war, und wusste nicht, was er dem Freund sagen sollte: dieser Friedhof hatte