Zement. Fjodor Gladkow. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Fjodor Gladkow
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754938942
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die Treppe setzen wollte, sprang die Haustür auf.

      Eine Frau in rotem Kopftuch, sonnenverbrannt, mit dichten Brauen und in einem Männerhemd, stand im dunklen Viereck des Eingangs und blickte Gleb verdutzt an. Als sie Glebs Lächeln gewahr wurde, spiegelte sich in ihren Augen Bestürzung und Freude.

      Das zitternde Kinn, die mädchenhaft schwellenden Wangen, die Stupsnase, der bei gespanntem Schauen schräg geneigte Kopf, die eigensinnigen Brauen — ja, das war Dascha. Alles andere aber (was, das ließ sich nicht gleich bestimmen) war fremd und neu. „Daschalein! Frauchen! Liebe!"

      Er stürzte auf sie zu, atemlos vor Erregung.

      Aber Dascha blieb auf der obersten Treppenstufe wie gebannt stehen und wehrte Gleb fassungslos ab, als sei er ein Gespenst. Über und über rot, stammelte sie schließlich: „Bist - du - das? Oh, Gleb ... Liebster!"

      In ihren Augen aber, in ihrer schwarzen Tiefe, flackerte unbewusste Angst.

      Und als Gleb sie umschlang und sich an ihren Lippen festsog, schwanden ihr fast die Sinne. „Na, gesund und munter, Liebes?"

      Sie konnte sich nicht von ihm losreißen und stotterte wie ein Kind.

      „Oh, Gleb! Bist du's auch wirklich? Ich hatte keine Ahnung. Wo kommst du denn her? Und so ... plötzlich!"

      Sie lachte und barg den Kopf an seiner Brust. Er presste sie an sich und fühlte, wie ihr das Herz klopfte und sie am ganzen Leib bebte.

      Sie rissen sich voneinander los, starrten sich trunken ins Gesicht, in die Augen, lachten und umschlangen sich wieder ungestüm.

      Gleb nahm sie auf den Arm wie ein kleines Mädchen und wollte sie ins Zimmer tragen wie in den ersten Tagen ihrer Ehe. Dascha jedoch entwand sich ihm und begann mit ein wenig spöttischem Lächeln ihr Kleid glatt zu streichen. „Ach, du Hitzkopf! Und ich — wie eine Verrückte ..." Sie fuhr sich mit dem Kamm übers Haar, atmete tief auf und wich vor ihm zurück. Plötzlich fiel ihr etwas ein, und sie rief erschrocken: „Ach herrje, ich komm zu spät! Ich muss ja weg, Gleb!"

      Ernsthaft, wenn auch immer noch erregt, sagte sie: „Geh beim Gewerkschaftskomitee vorbei und trag dich wegen der Zuteilung ein. Ich hab's furchtbar eilig. Ach, Gleb ... Es ist nicht zu fassen... du bist ganz verändert... bekannt und fremd zugleich."

      „Was ist los, Daschalein!... Ich begreif kein Wort..." Dascha stand bereits an der Pforte und lächelte ihm zu.

      „Ich esse in der Stadt, in der Kantine der ,Volksspeisung', das Brot bekomme ich im Parteikomitee! Du musst erst zum Gewerkschaftskomitee und dich anmelden wegen der Brotkarten. Ich bin zwei Tage nicht da — muss dringend aufs Land fahren. Ruh dich inzwischen von der Reise aus. Ich muss weg, das Fuhrwerk wartet schon. Da kann man nichts machen."

      „So warte doch, Daschalein! Was soll denn das? Kaum hab ich die Nase hereingesteckt, machst du dich aus dem Staube."

      Er stürzte zu ihr und riss sie an sich. Doch mit zärtlichem Nachdruck machte sie sich wieder frei.

      „Sag mir bloß, Daschalein, was soll das alles."

      „Ich bin doch im Frauenausschuss, Gleb."

      „Wieso im Frauenausschuss? Und Njurka? Wo ist Njurka?"

      „Njurka ist im Kinderheim. Geh, ruh dich aus. Ich darf keine Minute mehr trödeln. Wir sprechen uns nachher. Du weißt doch selbst: Parteidisziplin."

      Sie rannte los. Sein Blick folgte dem roten Kopftuch bis zur Mauer — es lockte und verhöhnte ihn.

      Aber dann, am Durchbruch, sah Dascha sich um und winkte ihm zu, ihre Zähne blitzten.

      Gleb lief an den Zaun und rief: „Daschalein! Wie geht es Njurka? Sie muss doch schon groß sein ... Ich will vorbeigehen. Wo ist es?"

      „Nein, nein, untersteh dich! Wir gehen zusammen hin. Ruh dich derweilen aus."

      Gleb stand wie vom Schlag gerührt und sah der entschwindenden Dascha nach. Er konnte einfach nicht begreifen, was geschah.

      Drei Jahre hatte er im Wirbel des Bürgerkrieges zugebracht, hatte im Feuer schrecklicher Ereignisse gestanden... Wie aber hatte Dascha diese Jahre verlebt?

      Da war er zurückgekehrt in sein Heim, von dem er damals fortgegangen war in die einsame Nacht hinaus. Da lag das Werk, das ihn schon als kleinen Wicht mit Qualm und Öl durchtränkt hatte. Das Heim aber war leer, und Dascha hatte ihn nicht so empfangen, wie er es geträumt.

      Er setzte sich auf eine Stufe der Vortreppe und spürte mit einemmal, dass er tief erschöpft war. Und nicht etwa erschöpft von dem vier Werst langen Weg vom Bahnhof — sondern erschöpft von den drei letzten Jahren und diesem sonderbaren Wiedersehen mit Dascha.

      Warum diese ungewöhnliche Stille ringsum? Wo kam dieses Zirpen in der Luft her? Und was hatte das Hühnergeflatter in der „Gemütlichen Kolonie" zu bedeuten?

      Das dort waren keine Häuserblocks, sondern schmelzende Eisschollen, die Schlote schimmerten bläulich wie Glaszylinder. An den oberen Enden war schon längst kein Ruß mehr, weggeblasen hatten ihn die Bergwinde. Von einem Schornstein war der Blitzableiter abgerissen. Vom Sturm? Von Menschenhand?

      Hier hatte es nie nach Dung gerochen, jetzt aber mischte sich in den Duft der Grasblüte, der von den Bergen kam, faulig die scharfe „Blume" des Viehverschlages.

      In jenem Gebäude dort unten am Berge war die Schlosserei gewesen. Damals funkelten zu dieser Tageszeit die unzähligen kleinen Scheiben im blendenden Widerschein der Sonne. Und heute? Hinter zerbrochenen Scheiben schwarze Leere!

      Und die Stadt auf der Anhöhe jenseits der Bucht hatte sich genauso verändert: Grau geworden, verschimmelt und verstaubt, hob sie sich kaum noch vom Berghang ab. Das war keine Stadt mehr, sondern ein verwahrloster Steinbruch.

      Hier die von Dascha offengelassene Tür in ein menschenleeres Zimmer, unten, im Tal, die erloschene, vergessene Fabrik...

      Der Hahn kam zum Zaun stolziert, legte den Kopf in den Nacken und sah Gleb aus einem Auge an, böse und abweisend. „Was ist denn das für einer?"

      Düsternis

      Gegenüber, auf der anderen Seite des Gässchens, in dem kleinen Steinhaus mit den offenen Fenstern, krakeelte der betrunkene Böttcher Sawtschuk. Seine Frau Motja kreischte hysterisch.

      Gleb horchte auf und kehrte in die Wirklichkeit zurück. Er erhob sich und ging zu den Sawtschuks hinüber. Das Zimmer war voller Schmutz und Mief. Auf dem Fußboden lagen Schemel und Kleider umher, dazwischen eine heruntergeworfene Teekanne aus Blech. Und überall war Mehl verstreut. Motja hatte sich über einen Sack mit Kartoffeln geworfen, den sie fest umklammert hielt. Sawtschuk, in zerrissenem Hemd, zerzaust, bearbeitete Motja schimpfend mit den Fäusten und den nackten Füßen.

      Gleb packte ihn von hinten an den Schultern und zerrte ihn zurück.

      „Sawtschuk! Bist du verrückt geworden? Du zottliger Teufel! Nun verpuste mal etwas."

      Sawtschuk sah um sich wie ein Irrer und riss sich los.

      Motja stützte sich mit einer Hand auf, zog mit der anderen den Rock über die nackten Beine und flennte winselnd.

      Sawtschuk stierte Gleb an, ohne ihn zu erkennen. „Was ist denn das wieder für 'ne Ketzerseele? Hau bloß ab, du, eh ich dir's Genick breche ..."

      Gleb lachte ihm ins Gesicht.

      „Sawtschuk, alter Junge! Ich komme dich besuchen — und dann empfängst du mich so, Bruderherz!"

      In Sawtschuks halbirre Augen kehrte Besinnung zurück. Er klatschte mit dem schmutzigen Fuß auf den Boden und breitete die Arme aus. „Ha, Ketzerseele! Gleb! Bruderherz! Tschumalow! Welcher Satan führt dich aus dem Jenseits her, du Hundesohn?"

      Mit voller Wucht fiel er Gleb um den Hals, drückte ihm seinen besabberten Bart auf die Wange und röchelte ihm Fuselgestank ins Gesicht. Dann torkelte er zurück, stieß