Sie sagte das geringschätzig durch die Zähne, dabei aber sehr bestimmt. Gleb sah sich durchschaut, und das machte ihn verlegen.
„Na ja, an der Front passiert so manches. Man kann doch aber Mann und Frau nicht über einen Kamm scheren. Was der Mann darf, darf die Frau noch lange nicht."
Dascha hatte sich ausgezogen, ging aber nicht zu Bett; sie lehnte ungeniert an der Wand. Mit wissendem Blick maß sie Gleb von Kopf bis Fuß und murmelte wieder geringschätzig durch die Zähne: „Das ist ja reizend! Bei der Frau liegt die Sache anders. Ein beneidenswertes Los ist ihr zugefallen — Sklave hat sie zu sein ohne eigenen Willen, nicht Leitpferd, sondern Beipferd. Nach welchem Abc hat man dir den Kommunismus beigebracht, Genosse Gleb?"
Er erkannte sie nicht wieder; eine ganz neue Kraft ging von ihr aus. Ihre unerschrockene Offenheit brachte ihn außer Fassung. Hätte sie es früher gewagt, in so selbständigem Ton mit ihm zu sprechen? Sie hatte einst gedacht, was er dachte, und sich ihm rückhaltlos untergeordnet. Woher nahm sie heute diesen Mut und dieses Selbstbewusstsein?
Er trat auf sie zu und sah ihr ins Gesicht. „Also ist es wahr? Ja?"
Draußen vor dem Fenster, im Sternenschein, lag dumpfe Stille, trotz Gezirp und nächtlichem Klingen. Hinter dem Werk, bei den Anlegestellen, seufzte das Meer in phosphoreszierendem Dunst das Klagelied der Brandung.
„Ich frage dich nicht nach deinen Frontliebchen, Gleb, was gehen dich meine Liebsten an?"
„Lass dir gesagt sein, Dascha — ich kriege es raus. Ich komme dir auf die Schliche. Merk dir das!"
Sie löste sich von der Wand, ihre Augen funkelten. „Vorsicht, Gleb. Auf Stirnrunzeln verstehe ich mich nicht schlechter als du."
Wo nahm sie diese Frechheit her? Wo hat sie gelernt, den Kopf so stolz zurückzuwerfen und einen Schlag mit dem Blick zu parieren?
Nicht die Kriegsereignisse, nicht der Hamstersack auf dem Buckel, nicht die üblichen Weibersorgen hatten Dascha zu sich selbst finden lassen und ihren Charakter gestählt, sondern der Gemeinschaftsgeist, die Hochglut der letzten Jahre, die harten Prüfungen und das schwere Frauenlos.
Der Boden wankte ihm unter den Füßen. Er fühlte, dass er lächerlich dastand. Seine Ohnmacht machte ihn rasend; er fasste ihre Hände und presste sie zusammen, dass die Gelenke knackten. Sie verriet mit keiner Miene, wie weh es ihr tat. „Hände weg, Gleb! Hörst du! Lass los!" Er packte sie um den Leib und warf sie aufs Bett. Sie nahm alle Kraft zusammen, um sich loszureißen, ihr entblößter Körper wand sich ohne alle Scham in seinen Armen. Schließlich stieß sie Gleb mit einem geschickten Fußtritt zu Boden und sprang rasch vom Bett auf. Blass, keuchend, strich sie ihr Hemd glatt und sagte voller Verachtung: „So lasse ich nicht mit mir umspringen, Gleb. Du kennst mich noch nicht von dieser Seite? Lern mich kennen, es kann nicht schaden. Ein feiner Bolschewik bist du! Ein tüchtiger Kämpfer! Nicht einmal zu Verstand bist du im Krieg gekommen."
Er saß bezähmt auf dem Fußboden und knirschte mit den Zähnen.
„Mach das Licht aus, Gleb, und leg dich hin! Kühl dich ab. Jetzt bist du nicht fähig, zu denken. Wir kommen heute sowieso zu keinem Ergebnis."
„Ich begreife nichts, Dascha. In meiner Brust brennt es wie Feuer."
„Leg dich hin und beruhige dich, Gleb. Ich bin todmüde. Morgen muss ich wieder aufs Land. Immer wieder Banditen, Überfälle."
Sie ging selbst zum Tisch und löschte die Lampe. Er hörte, wie sie sich niederlegte und mit dem Bettzeug raschelte, dann wurde es still. Gleb war elend zumute — vor Kränkung und Scham. Am liebsten hätte er sich auf sie geworfen, sie geschlagen, ihr weh getan und — geweint, unter Tränen um Zärtlichkeit gebettelt. Lange lagen sie schweigend und unbeweglich. Er erwartete, erhoffte immer noch, dass sie aufstehe, zu ihm komme und sich, ohne ein Wort zu sagen, zärtlich an ihn schmiege. Aber sie rührte sich nicht, und er hörte nicht einmal ihren Atem. „Dascha, Liebste! Quäl mich doch nicht. Warum bist du so spröde?" Sie griff nach seiner Hand und legte sie an ihre Brust.
„Lieber, nimm dich zusammen, beruhige dich. Versuchen wir uns doch ein wenig zu verstehen. Hab Geduld, Lieber. Mir fällt das alles auch nicht leicht. Aber es gibt da manches, das man durchdenken muss. Ich habe mich nur nach dir gesehnt, die ganzen drei Jahre."
Der Himmel war voller Sterne. Fernes Donnergrollen kam aus den Bergen. Es war das Lied des Waldes, den der nächtliche Nordost in den Schluchten zauste.
Das Kinderheim
In der Frühe merkte Gleb, noch halb schlafend, dass das Zimmer von Sonne überflutet war. Zwischen Tür und Fenster zogen Frühlingslüfte hin und her. Dascha stand am Tisch und band sich ihr feuerrotes Tuch um den Kopf.
Sie sah zu ihm hinüber und lächelte. „Inzwischen habe ich schon einen Bericht über die Kinderkrippen ausgearbeitet, Gleb. Auch der Kostenanschlag ist fertig — nur Geld ist keins da. Was sind wir doch für arme Schlucker! Man müsste die Bourgeoisie mal ein bisschen ausquetschen. Aber halt mal! Du warst ja noch gar nicht bei Njurka. Wollen wir zusammen ins Kinderheim gehen? Es ist nicht weit von hier!" „Du, Dascha, komm doch mal her!"
Dascha trat zu ihm, eine ironische Frage in den morgenfrischen Augen. „Da bin ich. Nun?" „Gib mir deine Hand! So."
Beide schwiegen, lächelten sich an, schienen einander ins Herz sehen zu wollen. „Der Teufel soll schlau aus dir werden: Du wirkst wie die alte und bist doch wieder neu. Vielleicht bin ich auch kein Schlosser mehr? Schön, man lernt immer dazu. Jetzt scheint sogar die Sonne anders als früher."
„Ja, Gleb, vielleicht tut sie es wirklich. Alles hat sich verändert — das stimmt. Auch du bist anders geworden — jünger oder auch älter, ich weiß es nicht. Bei mir jedenfalls hat sich das Unterste zuoberst gekehrt. Siehst du, auf mich hast du Wut und bist doch nur selber schuld. Noch kein einziges Mal hast du dich erkundigt, wie ich gelebt habe, durch welches Feuer ich gegangen bin. Wenn du dich nur ein bisschen in mich einfühlen würdest, dann wärst du bestimmt nicht so grob zu mir. Ach, du bist mir schon ein Held!"
Sie lachte auf und rannte hinaus auf die Treppe. „Los, mach dich fertig! Ich warte."
Auf dem Weg zum Kinderheim lief Dascha die ganze Zeit voraus. Die Sträucher und Hecken, die den Pfad säumten, verbargen sie manchmal: das rote Kopftuch erlosch und loderte wieder auf.
Das Kinderheim „Krupskaja" lag in einer Talsenke zwischen Obstbäumen. Die wuchtigen Mauern waren aus rohen Felsbrocken gebaut und mit Zementmörtel zusammengefügt. Die hohen Fenster standen weit offen; aus der dunklen Leere dahinter drang vielstimmiges Gezwitscher. Eine massive Freitreppe, mit Zementvasen auf Sockeln, führte zum ersten Stock hinauf. Wie reife Melonen glänzten auf der Veranda die Kinderköpfchen im Sonnenschein. Die kleinen Gesichter sahen von weitem leichenhaft eingefallen aus. Waren es Jungen oder Mädchen? Es ließ sich nicht unterscheiden; alle trugen lange graue Hemden. Auch die Pflegerinnen waren in Grau, hatten nur weiße Kopftücher um und vergingen unter der sengenden Sonne.
Zur Rechten aber, zwischen und über den Gebäuden, glitzerte das Meer in blendendem Azur.
Wie ein schwarzer Wasserkäfer lief von der Anlegestelle ein Hafenkutter aus. Die Stadt und das Gebirge waren scharf umrissen und in greifbare Nähe gerückt.
Berge, Meer, Werk, Stadt, alle Weiten hinter dem Horizont — ganz Russland —, das sind wir. All dieses Riesige — die Berge, das Werk, die Weite —, alles singt im Innern von gewaltiger Arbeit. Erbeben unsere Hände nicht im Vorgefühl harten, beharrlichen Zupackens? Schlägt das Herz nicht Sturm unter den Stößen des Blutes? Das ist das Russland der Arbeiter, das sind wir, das ist der neue Planet, von dem die Menschheit jahrhundertelang geträumt hat.
Dascha war an der Treppe stehen geblieben und lächelte ihm entgegen.
„Was für eine herrliche Luft, Gleb, so herrlich wie das Meer! Frühling! Njurka wohnt