Jenseits der Zeit - Historischer Mystery-Thriller. Michael Vahlenkamp. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Vahlenkamp
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753180083
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Luft, doch der zuckte mit keiner Wimper, als er den Betrag hörte. Er wirkte, als würde er im Kopf rechnen.

      »Also gut«, sagte er nach einem Augenblick. »Ich leihe euch 60 Reichstaler und nicht einen Schwaren mehr. Der Zinssatz soll 10 Prozent aufs Jahr betragen, aber dafür verzichte ich auf eine Gewinnbeteiligung.«

      Jacob glaubte, seinen Ohren nicht trauen zu können. Das waren ja nur zwei Drittel von dem, was sie brauchten.

      »Aber wir brauchen doch 90 Reichstaler. Wie sollen wir das denn mit 60 Reichstalern schaffen?«, platzte er heraus.

      »Jacob!«, schalt Herold ihn.

      Von Elmendorff begann zu lachen, dass sein Bauch wippte und sein Doppelkinn nur so schwabbelte.

      »Junge, du bist ja ganz wie dein Vater vor 30 Jahren. Und ihm habt ihr es zu verdanken, dass ich euch das Geld überhaupt leihe, jeden anderen hätte ich zum Teufel gejagt.« Er wurde wieder ernst. »Versteht mich nicht falsch. Ich glaube, dass euer Vorhaben gut ist, und ich besitze genug Menschenkenntnis, um zu wissen, dass ihr das hinbekommt und durchsteht. Die neue Mühle wird funktionieren und ihr werdet letztendlich mehr Einnahmen haben, davon bin ich überzeugt. Wovon ich aber nicht überzeugt bin, ist, ob man euch das Geld lassen wird. Denn ich kenne auch von Zölder. Bisher hat er immer Mittel und Wege gefunden, seinen Willen durchzusetzen. Deshalb bin ich nicht bereit, mehr zu riskieren, und ihr solltet es auch nicht sein. Seht zu, dass ihr es mit 60 Reichstalern schafft.«

      Jacob war verwirrt. Was sollte das bedeuten? Dass er ihnen zu ihrem eigenen Besten weniger Geld leihen wollte? Und was hatte es immer mit diesem Gefallen auf sich, den ihr Vater ihm getan hatte?

      »Warum reden Sie immer von diesem Gefallen? Was hat er Ihnen denn für einen Gefallen getan?«, brauste er weiter auf.

      Erneut musste sich von Elmendorff den Bauch halten vor Lachen, bevor er antwortete, was Jacob noch mehr in Aufruhr versetzte, weil er sich ausgelacht fühlte.

      »Die alten Geschichten sollte man nicht wieder aufwärmen. Vielleicht erzähle ich euch irgendwann einmal davon, aber im Moment soll es mal gut sein.« Er wischte sich Tränen aus den Augenwinkeln. »Es ist nur so, dass ich immer sehr bedauert habe, was damals geschehen ist und welches Ende Diether nahm, und ich freue mich, dass ich jetzt auf diese Weise seinen Söhnen helfen kann. Vorausgesetzt, ihr wollt meine Hilfe annehmen.«

      Er sah Herold an.

      »Ja, sehr gerne, vielen Dank«, entgegnete dieser auf der Stelle.

      »Dann lasse ich bis morgen von meinem Advokaten einen Vertrag aufsetzen und das Geld besorgen. Kommt am besten morgen um die gleiche Zeit wieder her, damit wir den Rest regeln können.«

      Anschließend ging alles sehr schnell. Herold gab von Elmendorff die Hand und verabschiedete sich, und als hätte sie auf ein Stichwort gewartet, stand die Haushälterin im Raum, um sie hinauszubegleiten. Dabei hätte Jacob noch so viele Fragen gehabt. Sehnsüchtig warf er einen letzten Blick auf die Bücher, als sie die Bibliothek verließen. Und kurze Zeit später waren sie wieder vor dem Haus auf der Straße.

      Herold marschierte strammen Schrittes in Richtung Norden. Jacob hatte Mühe, hinterherzukommen. Wollte sein Bruder ihm etwa ausweichen? Ahnte er vielleicht, dass Jacob nicht nur verwirrt, sondern auch verärgert war? Alle Welt sprach von Dingen, die ihn etwas angingen, aber niemand wollte ihm diese Dinge näher ausführen. Jeder Dahergelaufene schien mehr über Jacobs Familie und deren Vergangenheit zu wissen, als er selbst. Das konnte er nicht länger auf sich beruhen lassen.

      »Nun warte doch mal«, keuchte er Herold hinterher, doch der dachte gar nicht daran. »Was meinte von Elmendorff gerade damit? Von welchen Ereignissen hat er gesprochen? Was soll Vater geschehen sein? Und was für einen Gefallen hat Vater ihm getan?«

      Herold hob sein Tempo eher noch an, als er von der Ritterstraße in die Achternstraße rechts einbog. Warum musste er immer so stur sein? Diese Halsstarrigkeit brachte Jacob zur Raserei. Und dieses Hinterhergehetze! Davon hatte er jetzt genug. Er blieb stehen.

      »Verdammt noch mal, nun erzähle mir endlich, was mit unserer Familie los ist!«, brüllte er Herold hinterher, so laut, dass sich diverse Passanten zu ihm umdrehten.

      Herold hielt ebenfalls an und schaute sich verlegen nach den Passanten um, die anfingen, miteinander zu tuscheln. Er ging die Schritte zurück, die ihn von Jacob trennten, packte ihn am Handgelenk und zog ihn mit sich, nun nicht ganz so eilig wie vorher.

      »Musst du hier so rumschreien? Es muss ja nicht jeder unsere Angelegenheiten mitbekommen.« Sein Griff war so stark, dass Jacobs Handgelenk schmerzte. Er riss sich los und blieb wieder stehen.

      »Dann erzähl mir endlich, was mit unserer Familie los ist«, giftete er Herold an.

      »Ja, in Ordnung, aber komm mit. Die Leute zeigen ja schon auf uns.« Er ging voraus, wesentlich langsamer, und Jacob folgte ihm. »Was diesen Gefallen angeht, weiß ich genauso wenig wie du. Ich habe keine Ahnung, welchen Gefallen Vater ihm getan hat.«

      »Und was ist mit den anderen Dingen?«

      »Welchen anderen Dingen?«

      »Nun stell dich nicht dumm. Diese Häufung von Andeutungen über unsere Familie ist ja wohl äußerst merkwürdig. Zuerst die Bemerkung dieser Raufbolde in der Gastwirtschaft: Der Rest würde uns auch noch genommen werden. Der Rest wovon? Heißt das, uns wurde schon mal etwas genommen?« Herold sagte nichts. Sie überschritten jetzt den Marktplatz, die Silhouette der Gebäude glitt an ihnen vorüber: die Lambertikirche, das Rathaus. Normalerweise genoss Jacob das, doch heute hatte er andere Dinge im Kopf. »Dann von Zölder, ich wäre genauso wie Vater vor 20 Jahren. Kannte er ihn damals?«

      Herold räusperte sich.

      »Naja, 20 Jahre ist eine lange Zeit ...«, antwortete er ausweichend.

      Jacob schüttelte den Kopf. Sein Bruder wollte ihm schon wieder keine Antworten liefern.

      »Und jetzt spricht von Elmendorff von irgendwelchen Ereignissen und sagt, dass er bedauere, was damals geschehen ist.« Erneut blieb er stehen und wurde wieder lauter. »Verdammt, nun rücke schon raus mit der Sprache.«

      Herold packte ihn abermals am Handgelenk und zog ihn mit.

      »Ja, es stimmt«, raunte er. »Es ist damals etwas geschehen, wodurch sich unser Leben verändert hat. Ich war damals jedoch noch ein Kind und habe daher auch nicht alles mitbekommen. Das, was ich weiß, werde ich dir erzählen. Aber nicht jetzt.«

      »Warum nicht?«

      »Weil wir jetzt da sind, wo wir hinwollen.«

      Herold wies auf das Gebäude, vor dem sie standen.

      »Was willst du denn hier?«

      »Na, was will man schon bei der Post«, sagte Herold und stieg die Stufen zum Eingang hoch. »Einen Brief versenden.«

      »Einen Brief? Wem willst du denn einen Brief schicken?«

      Herold drehte sich auf der obersten Stufe zu ihm um.

      »Nachdem ich diesen Einfall für den Umbau der Mühle hatte, habe ich mich daran erinnert, dass bei uns vor einiger Zeit ein Müller auf der Durchreise übernachtet hatte. Der hatte mir damals von einer Wassermühle in Hamburg erzählt, die wohl die modernste und beste Wassermühle ist, die er kennt. Den Bauherrn dieser Wassermühle will ich einstellen. Deshalb brauche ich seinen Namen und seine Adresse, und um die zu erfragen, sende ich dem Müller von damals diesen Brief.«

      Herold drehte sich um und betrat das Postgebäude.

      Jacob unten an der Treppe schüttelte lächelnd den Kopf. Sein Bruder! Wahrscheinlich hatte er schon den ganzen Mühlenumbau komplett durchgeplant.

      Die nächste Gelegenheit, Herold zu den Ereignissen in ihrer beider Kindheit zu befragen, ergab sich am folgenden Tag in der Frühstückspause. Herold machte gerade ein grüblerisches Gesicht und schaffte es, dabei glückselig zu lächeln. Als Jacob ihn wieder drängte, von den Geschehnissen zu erzählen, verschwand das Lächeln.

      »Na gut«,