Die Schule. Leon Grüne. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Leon Grüne
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754170724
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stimme ich zu“, entgegnete Richter George, der etwas wie eine kleine Persönlichkeit in seinem Kopf geworden war. Wenn er Zweifel am empirischen Denken hegte, schaltete er sich ein und erklärte seine Beweggründe für ein Zeichen geistiger Verwirrtheit. Er war sozusagen derjenige, der sämtlichen Firlefanz und Aberglauben, der sich nicht beweisen ließ, abschmetterte und für surreal und dämlich erklärte. Die einzige Ausnahme stellte sein Glauben an das Leben nach dem Tod dar. Schließlich musste auch der strenge Richter George kleine Fantasien und Hoffnungen offen lassen, die er nicht sofort für schwachsinnig und Humbug erklärte, denn dies war leider eine Sache, über die selbst er nicht Bescheid wusste. Doch damit war seine Toleranzgrenze bereits erreicht. Besonders viel Spielraum ließ er ihm nicht, was seine Fantasien und Vorstellungen anbelangte.

      „In Anbetracht der mangelnden Beweislage und der Unglaubwürdigkeit der Zeugen, wird der Antrag auf reinen Zufall und nichts als Spinnerei stattgegeben“, verkündete George und ließ seinen Holzhammer auf sein Richterpult knallen.

      David entspannte sich ein wenig. Er war froh, dass George ihn bei klarem Verstand hielt und nicht seinen Hang zum überflüssigen Nachdenken und sich Sorgen machen befürwortete. Denn was sollte es sonst sein? Schließlich existieren Visionen und andere derartige Hirngespenste nur in der eigenen Fantasie. Real werden sie nur, wenn man anfängt daran zu glauben.

      7

      Ein Ast knackte unter den Füßen von Mr. Brenner. Der Weg, den sie ins Tal hinuntergingen, war steil und durch das lange Ausbleiben des Regens, staubtrocken.

      „Wir haben Glück, dass es dieses Jahr so wenig geregnet hat. Vorletztes Jahr hatten wir das nicht. Da hatten wir so viele Sommergewitter, dass wir überlegen mussten, die Schule vielleicht ausfallen zu lassen. Dieser Weg hier“, er zeigte nach unten auf die trockene Erde, „war ein einziger Pfad aus Schlamm. Wir mussten die Schüler über einen anderen Weg zur Schule begleiten, der nicht so gefährlich und rutschig ist.“

      „Es gibt noch einen Weg?“, fragte David überrascht und stützte sich an einem kleineren Baum ab, um nicht abzurutschen.

      „Ja, es gibt einen. Wenn man eine Stunde in Richtung des Rapsfeldes um den Wald herumgeht, ist dort ein weiterer Weg. Er ist schmaler und unebener, aber wenn man ihn erreicht hat, dauert es genau so lange, als wenn man den normalen Weg gehen würde. Im Gegensatz zu dem normalen Weg jedoch, erreicht man über den Umweg den Ort, wo die Indianer ihr Dorf hatten.“

      Brenner kam unten auf dem Boden des Tales an und sah zu David hinauf. Der war noch mit dem Abstieg am Kämpfen und begann, gefährlich zu schwanken.

      „Halt dich an einem der Äste fest, wenn du glaubst das Gleichgewicht zu verlieren.“

       Vielen Dank für diesen Tipp. Da wäre ich alleine bestimmt nie drauf gekommen.

      Einen Meter noch, dann wäre er am Boden angekommen. Erleichtert ging er den letzten Meter schräg hinunter. Doch dann trat er mit dem Fuß gegen etwas Festes. Er stolperte, fiel hin und rollte den letzten Meter, der ihm gefehlt hätte, hinunter. Eilig hastete Mr. Brenner auf ihn zu. David war auf seiner rechten Schulter gelandet und mit dem Kopf auf dem trockenen Boden aufgeschlagen.

      „David, bist du in Ordnung?“, fragte Brenner hektisch. David stützte sich auf seine Hände und hob seinen Oberkörper vom Boden ab. Staub klebte an seinen Unterarmen und an seinem T-Shirt. Ein pulsierender Schmerz machte sich an seiner Schläfe bemerkbar.

      „David?“

      Sein Blick war verschwommen. Ein dröhnendes Geräusch drang in seine Ohren und ließ ihn kurze Zeit taub werden. Er blinzelte ein paar Mal und schüttelte seinen Kopf. Als er aufschaute, sah er, wie Mr. Brenner vor ihm stand und ihm einen besorgten Blick zuwarf. Er wandte den Blick von dem besorgten Lehrer ab und sah an ihm vorbei. Etwa fünfzig Meter hinter ihm tauchte eine weitere Person aus dem Nichts auf. Seltsamerweise war die Person das Einzige, was seine Augen zu fokussieren schienen. Trotz der warmen Temperaturen, trug sie eine schwarze Jeans und ein schwarzen Strickpullover. An seinen Füßen trug sie ein altes Paar weißer Turnschuhe, das bereits kleine Löcher hatte. Die Haarfarbe war eine Mischung aus einem steinernen grau und einem schwachen braun. Sie sahen aus, als wären sie in Steinstaub gebadet worden. Man konnte nur noch ein wenig des eigentlichen Brauntons sehen, der unter der Staubschicht hervorschaute. Auf die Entfernung konnte er die Augen des Mannes nicht sonderlich gut erkennen, jedoch konnte er erkennen, dass sie vermutlich eher eine dunklere Farbe hatten. Seine Augenbrauen waren im Gegensatz zu seinen Haaren, die zu einen klassischen Männer Kurzhaarschnitt frisiert waren, eher bräunlicher als grau. Der Bart – falls er überhaupt einen hatte – hatte denselben Farbton wie seine Haare und war aufgrund seiner Kürze kaum zu erkennen. Die Hände hatte er in die Hosentaschen gesteckt. Sein rechter Ärmel war hochgekrempelt und offenbarte eine silberne Uhr an seinem Handgelenk. Seine Körpergröße stimmte ungefähr mit Davids überein. Der Mann lehnte an einem der riesigen Bäume und beobachtete David mit einem Blick, der aus einer Mischung aus Gleichgültigkeit und Trauer zusammengesetzt zu sein schien.

      „David? Ist alles in Ordnung?“, fragte Mr. Brenner, der jetzt neben ihm hockte, erneut und schaffte es diesmal, zu ihm durchzudringen.

      „Ja, ja. Alles in Ordnung“, versichert er ihm. Das Dröhnen aus seinen Ohren verschwand langsam, und seine Sicht klarte wieder auf.

      „Zeig mal her“, forderte Brenner ihn auf und drehte Davids Kopf leicht zur Seite, um sich seine Schläfe anzuschauen. Blut trat aus der etwa fingerspitzengroßen Verletzung an seinem Kopf heraus.

      „Nicht weiter schlimm“, sagte Mr. Brenner und klopfte ihm auf die Schulter, „Dr. Prince wird sie gleich säubern und dir ein Pflaster geben, damit kein Dreck hineingerät.“

      „Danke. Ich hab mich ziemlich blöd angestellt.“

      „Du konntest nichts dafür. Du bist über eine Wurzel gestolpert. Nichts wofür du dich in einem Wald schämen müsstest“, beruhigte er ihn lächelnd.

      Er half David auf die Beine und klopfte ihm den Staub von den Ärmeln.

      „Ich glaube, ich hab selten jemanden hierhergebracht, der es geschafft hat, mehr als einmal Schwierigkeiten zu haben“, erzählte Mr. Brenner.

      „Warten Sie es ab. Noch sind wir nicht da. Noch kann ich es auch ein drittes Mal schaffen“, witzelte David und richtete seinen Oberkörper, nachdem er seine Hose abgeklopft hatte, wieder auf. Der mysteriöse Mann mit den graubraunen Haaren und der warmen Kleidung war verschwunden. Verwundert blickte David sich um und suchte nach ihm. Doch er konnte ihn nirgends finden.

      „Wer weiß, wer weiß“, grinste Mr. Brenner und nahm den Rollkoffer wieder in die Hand.

      „Suchst du etwas?“

      „Was? Nein, alles gut, es ist nur…“

      Verwirrt sah David erst in den Wald hinter seinen Lehrer und dann seinen Lehrer direkt an.

      „Was ist es nur?“

      Seine Augen suchten ein letztes Mal die Räume zwischen den Bäumen ab.

      „Nichts. Es ist nichts. Alles gut.“

      „Na, wenn das so ist, sollten wir jetzt endlich ohne weiteren Zwischenfall bei der Schule ankommen“, akzeptierte er seine Aussage.

      „Unterschätzen Sie mich nicht, Sir. Ich schaffe es bestimmt, nochmal für einen zu sorgen.“

      „Das glaube ich dir aufs Wort, David, aber das musst du mir bitte nicht beweisen“, entgegnete er lachend und übernahm erneut die Vorhut. Unsicher folgte David ihm in den nun dichter werdenden Wald.

      „Siehst du die kleine Lichtung dahinten?“, fragte Mr. Brenner und deutete auf ein freies Fleckchen trockener Gräser und Büsche, das von den Bäumen umkreist wurde.

      „Ist das der Ort, wo die Franzosen ihr Lager aufgeschlagen hatten?“ „Genau das ist er“, bestätigte er ihn. „Wieso ist ausgerechnet dort eine Lichtung?“ „Gerüchten