Strafsache van Geldern. Hans Hyan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans Hyan
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754184493
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mit denen stand meine Frau in dauernden Geschäftsbeziehungen. Wieviel Schmuck sie gehabt hat, wie die einzelnen Stücke aussahen, das kann ich nicht sagen. Ich selbst habe nur eins, und zwar ein Perlenhalsband, in Händen gehabt. Und das habe ich«, der Angeklagte erhob seine Stimme und sein Gesicht zu den Gesichtern, »nicht nur mit Wissen, sondern in ausdrücklichem Einvernehmen mit ihr verkauft!«

      Der Landgerichtsdirektor nickte langsam und träge mit seinem großen blanken Schädel, daß der blonde Bart sich an dem schwarzen Samtaufschlag der Robe rieb:

      »Natürlich, Angeklagter, wie werden Sie denn auch ohne den Willen Ihrer Frau ein so auffallendes Wertstück verkauft haben, wo sie jedenfalls sehr gut auf ihre Sachen aufgepaßt hat! Aber die anderen Stücke, die – darüber kann uns die Direktrice Schneider volle Auskunft geben – die bestimmt am Morgen des Mordtages noch vorhanden waren, was ist damit geschehen?«

      Und ehe van Geldern noch antworten konnte:

      »Ich habe hier«, er klopfte auf das Papier, »eine genaue Liste. Danach sind geraubt: ein paar Boutons in ungefährem Wert von siebzehntausend Mark, ein Diadem über fünfzigtausend Mark, zwei Schmucknadeln mit großen Smaragden, minimal achttausend Mark, vier Perlenringe, die der Sachverständige zusammen mit zehntausend Mark bewertet –, wir wissen beinahe bei all den Sachen, wo sie her sind und was sie gekostet haben –, dann sind noch eine Agraffe, mehrere goldene Ketten und eine Uhr in Goldemail mit Diamanten –, wo sind diese Gegenstände?«

      Der Angeklagte sah seinen Richter ernst und lange an:

      »Das weiß ich nicht, Herr Vorsitzender! Ich habe diese Dinge kaum bei einer anderen Gelegenheit gesehen, als wenn meine Frau etwas davon trug. Ich habe mich auch nicht dafür interessiert, und ich habe auch nicht die leiseste Ahnung, wo der Schmuck nach dem Tode meiner Frau hingekommen ist.«

      »Aber das wissen Sie, daß Sie die Perlenkette, die Ihnen Frau Streckaus zum Verkauf übergeben hat, nicht verkauft, sondern Ihrer Geliebten geschenkt haben?«

      »Ich habe keine Geliebte, Herr Vorsitzender! Ich bin verlobt mit Fräulein Heerström. Ich hatte vor, das Perlenband zu verkaufen. Nun war ich damals durch ein hohes, sehr hohes Vertragshonorar und durch Spielgewinne in der Lage, die Perlen für mich zu behalten ... Den von meiner Frau geforderten Preis von achtundvierzigtausend Mark hat sie bei Heller und Pfennig bekommen.«

      »Allerdings, das geht aus ihren Büchern auch hervor. Aber was wurde mit den Perlen? ... Na, antworten Sie doch! Sie waren ja nun Ihr wohlerworbenes Eigentum, Sie konnten ja damit machen, was Sie wollten!«

      Paulus schwieg. Seine Augen suchten unwillkürlich die Stelle, an der vorhin Greta Heerström gesessen hatte. Er sagte:

      »Ich betrachte diese Angelegenheit als eine reine Privatsache. Das Gericht hat das Recht, in einem solchen Prozeß den Angeklagten nach allem zu fragen. Aber kein Mensch auf der Welt ist verpflichtet, solche Fragen zu beantworten.«

      Hallmann war ein wenig verblüfft. Er faßte sich aber schnell:

      »No', da haben Sie recht! ... Bloß jede verweigerte Erklärung fällt auf den Angeschuldigten zurück. Wenn Sie über Dinge, die mit dem Mord innig zusammenhängen, ausdrücklich nichts sagen wollen, so steht Ihnen das frei ... Nur werden Sie sich nicht wundern dürfen, wenn das Gericht daraus Schlüsse zieht!«

      Paulus van Geldern sah seinen Anwalt an, Vierklee schien ihn aufzufordern, er möchte sich doch seine Lage nicht unnötig erschweren. Aber in den Zügen des jungen Anwalts war eine so eisige Gleichgültigkeit, daß der gelbe Kopf mit dem großen Einglas mit leisem Neigen sich einverstanden erklären mußte.

       »Ist Ihnen, Angeklagter, denn noch sonst irgend etwas bekannt, eine Tatsache, ein Umstand, dieser oder jener Mensch, der vielleicht zu dem Morde Beziehungen haben könnte? ... Sie sagen, Sie sind nicht der Täter?«

      Van Geldern bewegte verneinend den Kopf.

      »Geschehen ist die Tat aber, also muß einer der Täter sein! Und ich frage Sie nochmals: Haben Sie von irgendeinem Umstand Kenntnis, der uns einen Fingerzeig geben könnte über die Person des Mörders?«

      »Nein, Herr Vorsitzender!«

      Hallmann stieß wieder die Luft aus und sah nach der Decke hinauf:

      »Ich fühle mich verpflichtet, Angeklagter, Sie hier an dieser Stelle noch einmal zu fragen: Wollen Sie ein Geständnis ablegen? ... Es wäre ja doch möglich, daß Sie die Tat nicht oder nicht nur aus gewinnsüchtigen Absichten begangen hätten ... und ich brauche Sie, als geschickten Verteidiger, wohl nicht darauf hinzuweisen, daß die ganze Beurteilung dieses traurigen Geschehnisses anders wird, wenn Sie jetzt mit einem offenen Geständnis vor das Gericht hintreten.«

      Langsam, abgemessen, fast feierlich kam die Antwort:

       »Ich bin nicht im Sinne der Kirche gottesgläubig. Aber wie jeder denkende Mensch verehre auch ich ein hohes Wesen, eine Gewalt, die über uns entscheidet. Und bei diesem Glauben an das Unsichtbare, Allumfassende und Allgütige sage ich hier noch einmal und zum letzten Male, daß ich die Tat nicht begangen habe und daß ich nichts von ihr weiß!«

      Irgendwo von der Galerie her kam es wie ein schluchzender Laut.

      Doktor Malkenthin blickte, wie erschrocken, nach oben. Aber Hallmann kehrte sich daran nicht: »Mit seinem Schöpfer muß sich jeder allein auseinandersetzen, Angeklagter ... Ich habe meine Schuldigkeit getan und habe Sie noch einmal auf die Vorteile hingewiesen, die ein offenes Geständnis bietet!«

      Er beugte sich zu den Beisitzern: »Es ist ein Uhr, ich glaube, wir legen am besten jetzt eine Frühstückspause ein. Die Vernehmung des Angeklagten zur Tat ist ja beendet. Nach der Pause kommen wir zu den Zeugen!«

      Damit stand er auf und gab das Zeichen für die Richter und die Geschworenen, sich zurückzuziehen.

      Der Erste Staatsanwalt, Doktor Malkenthin, blieb im Saal. Er saß eine Weile unschlüssig auf seinem Platz rechts oben beim Fenster und blickte hinauf nach der Galerie, die jetzt auch leer wurde, und sah dann hinüber zu dem Angeklagten. Der erwiderte den Blick. Und nach einigem Zögern stand Doktor Malkenthin auf und kam, die hohe magere Gestalt im Genick etwas gebeugt, langsam zu Paulus van Gelderns Platz.

      Der neben dem Angeklagten sitzende Justizwachtmeister trat sofort respektvoll zurück, als der Erste Staatsanwalt den Angeklagten, der sich erhoben hatte, bat, doch wieder Platz zu nehmen. Er hätte nur eine Frage an ihn.

      Paulus, der alle im Saal überragte, blieb stehen und neigte sich nur ein wenig zu Doktor Malkenthin, der im Flüsterton sprach: »Ich habe es nicht fertiggekriegt, Herr Rechtsanwalt, Ihnen die dreitausend Mark, die ich Ihnen noch schulde, zurückzugeben. Und ich weiß wohl, daß ich unter diesen Umständen nicht an meinem Platz stehen dürfte. Aber das Eingeständnis dieser meiner Schuld bedeutet meinen Ruin, vielleicht mein Ende.«

      Paulus van Geldern lächelte, und ebenso leise wie der, der ihn anklagen sollte, erwiderte er: »Sie sind mir nichts schuldig, Herr Staatsanwalt. Die dreitausend Mark, die ich Ihnen damals mühelos leihen konnte, weil ich sie eben erst gewonnen hatte, von denen ist keine Rede mehr. Ihr Schuldschein ist verbrannt, und aus meinem Munde erfährt niemand etwas. Ich möchte Sie nur um eines bitten: Nehmen Sie es sich ebenso fest vor, wie ich es mir selbst vorgenommen habe, und rühren Sie nie wieder eine Karte an! Im übrigen erwarte ich von Ihnen nichts anderes als Gerechtigkeit!«

      Doktor Malkenthin stand noch einige Augenblicke mit gesenktem Kopf. Dann nickte er, wandte sich und ging an seinen Platz.

      Zu van Geldern trat eben wieder Doktor Vierklee, der draußen rasch ein Glas Portwein zu seiner Frühstücksschrippe getrunken hatte: »Haben Sie keinen Hunger, lieber Kollege?«

      »Nein, aber eine Zigarette möchte ich rauchen!«

      »Kann ich Ihnen leider hier nicht vermitteln. Aber wenn Sie drüben in dem kleinen Richterzimmer ...«

      Paulus schüttelte den Kopf: »Nein ... keine Vergünstigungen! Ich danke Ihnen. Wieviel Tage werden wir verhandeln, Doktor, was meinen Sie?«

      »Eine Woche mindestens!«

      »Dann