Tigermädchen. Delia Muñoz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Delia Muñoz
Издательство: Bookwire
Серия: Tigermädchen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748557203
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breit, sie mochte John mittlerweile so sehr, wie sie Anthony verabscheute. Der Leiter des 3.1 sagte ihnen tatsächlich, sie sollten gegen die Regeln verstoßen!

      „Morgen beginnen wir mit den Ermittlungen.“ John schaute einen nach dem anderen der Reihe nach an, ohne auf seine erfundene Regel einzugehen. „Gleich nach dem letzten Rennen am Nachmittag werden wir uns an die Sache setzen. Ich werde euch helfen, so gut ich kann, aber das Wichtigste ist: Anthony darf uns nicht entdecken.“

      Die Teenager nickten und Daniel schlug vor: „Wir könnten uns in der Schmiede treffen und wenn Anthony fragt, sagen wir, dass wir an diese Schmiedeprojekt arbeiten.“

      John stimmte erfreut zu und machte ihnen erneut klar, dass niemand ein Wort darüber erfahren durfte. Als wären sich nicht alle bewusst, wie ernst diese Sache war! Sie konnten nur hoffen, dass alle hier gut lügen konnten ...

      „Weshalb rufen wir nicht einfach mal diese Nummer an?“, wollte Zoé noch wissen.

      John überlegte kurz. „Das müssten wir länger planen. Wenn wir von hier aus anrufen, merkt das Anthony. Wenn wir mit einem unserer Handys von auswärts anrufen, können sie uns orten … Aber irgendwie wird uns das noch was bringen, denke ich.“ John machte eine kurze Pause. „Ich weiß nur noch nicht, wie.“

      Auf dem Rückweg wollte Melanie von Emma wissen, was John mit dem Rennen gemeint hatte. Zum Glück hatte auch Emma den Streit vom Morgen verdrängt und redete wieder mit ihr. Sie steuerten auf das Hauptgebäude zu, weil sie noch ihre Schulsachen holen mussten.

      „Jeden zweiten Monat bei Vollmond findet so ein Rennen statt, bei dem zuerst die Bewohner eines Gebäudes gegeneinander antreten, dann die Besten der einzelnen Wohneinheiten gegeneinander rennen und danach die Besten der jeweiligen Areale“, sagte Emma und warf Melanie beim Gehen einen Blick zu.

      „Ah ...“, gab Melanie einen von Verständnis zeugenden Laut von sich und kniff nachdenklich die Augen zusammen. Tatsächlich war sie ziemlich schnell im Rennen, aber sie wusste nicht, ob es hier noch andere mit speziellen Fähigkeiten gab. Aber auf jeden Fall wollte sie ihr Bestes geben. „Wer hat denn normalerweise so gewonnen?“, fragte sie beiläufig.

      Emma rieb sich die Stirn – eine Geste, die sie häufig machte. „Hm, von unserem Gebäude kam ich meistens weiter ... Aber im Areal 1 – unter Anthonys Leitung, die Armen – gewann dann in der letzten Runde jemand anderes.“

      Melanie blickte sie von der Seite her an. „Und das ärgert dich?“, bemerkte sie und lachte.

      Emma setzte in das Lachen ein und warf ihr einen Blick zu, antwortete jedoch nicht. Wenn sich Melanie nicht täuschte, schien ihre Freundin leicht rot zu werden, was sie als ‚Ja‘ interpretierte. Als sie schweigend weitergingen und Melanie sie weiterhin von der Seite her betrachtete, beschloss sie, dass sie herausfinden wollte, was an ihr so seltsam war. Nicht seltsam im Sinne von Vielleicht ist sie ja ein Alien, sondern seltsam im Sinne von Weshalb möchte sie nicht sagen, wie lange sie schon hier ist?Was ist damals passiert? Auf einmal tat ihr ihre direkte Frage leid – sie selbst mochte einige Fragen ja auch nicht beantworten, also konnte sie das von Emma genauso wenig erwarten. Sie wusste ja nicht, in was für eine Wunde sie da stach. So entschied Melanie, dass sie ihre Neugierde auf eine sanftere Weise stillen würde. Und auch, ohne ihre Freundin zu verletzen.

      „Was starrst du so?“, fragte Emma plötzlich, als sie beinahe im Zimmer angekommen waren, mit einem seltsamen Unterton.

      Melanie schaute ertappt weg. „Nichts, sorry.“ Sie stieß die Tür auf und ließ Emma vorgehen. Dann, ohne sich zu setzen, holte sie tief Luft und sagte leise: „Em ... Ich wollte dich heute Morgen nicht so drängen ...“

      Emma schaute überrascht auf und schenkte ihr ein gekünsteltes Lächeln. „Schon okay.“

      Melanie schüttelte den Kopf. Jetzt, da sie nicht mehr so aufgebracht war wie am Morgen, konnte sie klarer denken und merkte, dass sie Emma mit dieser Sache hätte in Ruhe lassen sollen – auch, wenn es sie extrem interessierte und sie es nicht vergessen würde. Aber vielleicht würde Emma eines Tages in der Lage sein, von sich selbst aus darüber zu sprechen. Zukünftig würde Melanie vorsichtiger vorgehen.

      Allerdings war es ihr noch wichtig, hinzuzufügen: „Aber wenn es darum geht, dass du mir nicht vertraust ... Dann kann ich dir sagen, ich würde es für mich behalten.“

      Emma lächelte, diesmal war es ein echtes Lächeln. „Nein, das ist es nicht ...“ Sie schaute weg und ließ sich eine lose Haarsträhne ins Gesicht fallen. „Aber danke.“

      Melanie lächelte zurück, aber sie merkte, dass Emma noch mehr sagen wollte. Geduldig wartete sie, bis ihre Freundin weitersprach.

      Diese blickte über sie hinweg und sagte zögernd: „Ich möchte einfach nicht darüber reden, Melanie. Du wolltest John ja auch nicht sagen, weshalb du mit dem Kämpfen angefangen hast.“

      Melanies Herz setzte einen Schlag aus und sie erwiderte stockend: „Ich ... hatte einfach Lust. Was ist daran so komisch? Neun andere Mädchen in meinem Kurs hatten auch Lust.“ Sie atmete so langsam wie möglich und hoffte, Emma würde ihren schnellen Herzschlag nicht hören.

      Emma zog eine Augenbraue hoch, sanft fragte sie: „Und deswegen bist du fast in Tränen ausgebrochen?“

      Melanie schnappte erschrocken nach Luft, spürte, wie sie errötete, und fuhr sich aufgewühlt durch die Haare. Das Herz hämmerte schmerzhaft in ihrer Brust. Sie wollte etwas sagen, aber außer einem heiseren „Ähm“ bekam sie nichts hervor. Ihr wurde ganz heiß und sie räusperte sich, bevor sie wieder zu sprechen versuchte. „Das ist etwas völlig anderes.“ Abrupt drehte sie sich um und ordnete hektisch an ihren Schulsachen. Emma hatte es nicht böse gemeint, aber mit dieser Aussage war sie noch mehr ans falsche Thema geraten als Melanie womöglich bei ihr.

      „Tut mir leid!“ Emma war etwas näher gekommen, sie schien es ernst zu meinen. „Außer Daniel und mir hat es, glaube ich, keiner gemerkt“, versuchte sie, Melanie wieder zu beruhigen.

      Melanie warf ihr durch ihren dunklen Haarvorhang hindurch ein Lächeln zu. „Macht nichts. Du hast ja Recht. Ich dachte nur, ich sei eine bessere Lügnerin.“

      Emma erwiderte schmunzelnd: „Ich denke, du bist eine sehr gute Lügnerin.“

      Melanie musste lachen, nicht ganz sicher, ob das ein Kompliment oder eine Beleidigung war. „Danke“, murmelte sie sarkastisch und Emma lachte mit.

      6 DAS MÄDCHEN IN SCHWARZ

      Die dunkle Retterin schlich durch die Straßen. Dauernd drehte sie ihren Kopf nach links, um den Bentley nicht aus den Augen zu lassen. Das dunkelblaue Auto fuhr vorsichtig die finsteren Gassen entlang, auf dem Weg zu einem Versteck. Die Gasse sah aus wie alle Gassen, in denen das Mädchen in Schwarz so verkehrte; die Häuser waren heruntergekommen und Abfall lag in allen Ecken. Dadurch, dass die Straßenlaternen bestenfalls die Hälfte der Nacht lang durchhielten, waren diese Straßen die beste Möglichkeit, jemanden unbemerkt zu entführen.

      Aber nur, wenn man nicht mit der dunklen Retterin rechnete.

      Sie hatte immer noch nicht begriffen, wie es so viele Mädchen schafften, sich in dieselbe Situation zu bringen, aber eines wusste sie: Sie konnte das auf keinen Fall zulassen.

      Das Auto beschleunigte auf einmal und die dunkle Retterin ging in die Offensive. Angriff war die beste Verteidigung, pflegte sie zu sagen. Ihre Hand glitt zu ihrer rabenschwarzen Jeans und ein Messer kam aus einer Tasche zum Vorschein. Das Messer flog auf das Auto zu, noch bevor es richtig in ihrer Hand war. Mit einem lauten Krachen landete es in den Scheinwerfern und der Bentley blieb ruckartig stehen. Innerhalb weniger als einer Minute war das Mädchen in Schwarz bei dem Auto angekommen und warf sich auf den Mann, der gerade aussteigen wollte. Dieser fluchte, wehrte sich, aber schlussendlich landeten beide auf dem Boden und rangen miteinander. Die dunkle Retterin zog die Beine an und rammte ihr Knie aufs Geratewohl in den Körper des Mannes. Seinem erstickten Stöhnen nach zu urteilen, hatte sie getroffen.

      „Du