Die Personen, denen diese beleidigende und grobe Rede galt, waren die Angehörigen Cedrics des Sachsen und sein Verbündeter und Anverwandter, Athelstane von Coningsburgh, ein Mann, der wegen seiner Abkunft von den letzten angelsächsischen Herrschern bei den sämmtlichen sächsischen Eingeborenen des nördlichen England in der höchsten Achtung stand.
Mit dem Blute des alten Königsgeschlechts hatten sich auch viele Schwächen desselben auf Athelstane vererbt. Er besaß allerdings ein wohlgeformtes Gesicht, war fleischig und stark von Person und dazu in der Blüthe seines Alters, aber ohne jede Lebhaftigkeit im Gesichtsausdruck, matten Auges, mit gesenkten Brauen, schlaff und schwerfällig in allen seinen Bewegungen, und so unschlüssig, daß der Beiname eines seiner Vorfahren auf ihn überging, und man ihn allgemein Athelstane den Zagen nannte. Seine Freunde, und er besaß deren viele, die wie Cedric ihm leidenschaftlich zugethan waren, behaupteten zwar, daß sein schlaffes Wesen nicht aus einem Mangel an Muth hervorginge, sondern aus bloßem Mangel an Entschlossenheit; andere führten dagegen an, daß der angeerbte Fehler der Trunksucht seine Geisteskräfte, die überhaupt nie scharf und bedeutend waren, beeinträchtigt habe, und daß sein passiver Muth und die sanfte Gemüthsart, die zurückblieb, der bloße Bodensatz eines Charakters wären, der vielleicht Lob verdient hätte, wenn sich nicht von ihm alle werthvollen Theile in Folge der langen Gewohnheit der Unmäßigkeit losgelöst hätten.
An den soeben beschriebenen Mann richtete nun der Prinz den herrischen Befehl, für Isaak und Rebekka Platz zu machen. Athelstane, höchst bestürzt über einen Befehl, der nach den Sitten und Gefühlen jener Zeit eine große Beleidigung enthielt, war nicht Willens zu gehorchen; da er jedoch nicht wußte, auf welche Weise er sich widersetzen solle, stellte er dem Willen Johanns nur die vis inertiae entgegen. Ohne sich zu regen oder Miene zum Gehorsam zu machen, öffnete er seine großen grauen Augen und starrte den Prinzen mit einem Staunen an, das etwas außerordentlich Komisches hatte. Doch der ungeduldige Johann sah die Sache nicht in diesem Lichte.
»Das Schwein von einem Sachsen liegt entweder im Dusel oder versteht mich nicht,« sagte er. »Weckt ihn mit Eurer Lanze, de Bracy,« fuhr er zu einem Ritter gewendet fort, der in seiner Nähe an der Spitze einer Schaar von Condottieri ritt. Es erhob sich ein Murren selbst unter den Begleitern des Prinzen Johann; aber de Bracy, dessen Beruf alle Bedenken in ihm beseitigte, streckte seine lange Lanze über den Raum aus, der die Gallerie von den Schranken trennte, und würde den Befehl des Prinzen ausgeführt haben, bevor Athelstane der Zage nur so viel Geistesgegenwart gewonnen hätte, um sich vor der Waffe zurückzuziehn, hätte nicht Cedric, der eben so entschlossen als sein Gefährte langsam war, mit Blitzesschnelle sein kurzes Schwert gezogen und mit einem einzigen Hiebe das Lanzeneisen vom Schafte getrennt. Das Blut schoß Johann ins Antlitz. Er stieß einen der schwersten Flüche aus und war im Begriff, eine ebenso heftige Drohung hinzuzufügen, als er zum Theil durch seine Umgebung die ihn dringend bat, ruhig zu sein, zum Theil auch durch den lauten Beifall des Volkes über Cedrics entschlossenes Benehmen von seinem Vorhaben abgebracht wurde. Zornig rollte Johann die Augen, als suchte er irgend ein sicheres und leichtes Schlachtopfer, und da er zufällig dem festen Auge des oben erwähnten Bogenschützen begegnete, der dem drohenden Blicke zum Trotze, den der Prinz auf ihn richtete, fortfuhr seinen Beifall zu bekunden, fragte er ihn, warum er so schreie?
»Ich rufe allemal Halloh mit,« sagte der Landsasse, »wenn ich einen wackern Schuß oder tapfern Streich gethan sehe.«
»Was Du sagst?« antwortete der Prinz grimmig, »da kannst Du wohl das Weiße selbst treffen, ich wette drauf.«
»Eines Waidmanns Ziel und auf Waidmanns Entfernung kann ich treffen,« antwortete der Landsasse.
»And Wate Tyrreles marcan at hundteontig stapas,« rief eine angelsächsische Brummstimme aus dem Hintergrunde, ohne daß man unterscheiden konnte, wer es war. – »Wat Tyrrels Ziel auf hundert Schritt,« übersetzte ein andrer Unbekannter dem Prinzen in reines Französisch. Diese Anspielung auf das Schicksal seines Großvaters Wilhelm Rufus erbitterte und beunruhigte den Prinzen zu gleicher Zeit. Er begnügte sich indeß, den Geharnischten, die die Schranken bewachten, zu befehlen, ein wachsames Auge auf den Prahlhans zu haben, indem er auf den Landsassen zeigte.
»Bei der heiligen Griseldis,« fügte er hinzu, »wir wollen seine eigne Kunst auf die Probe stellen, da er so bereitwillig die Heldenthaten andrer preist.«
»Ich werde mich vor der Probe nicht drücken,« sagte der Landsasse mit der ganzen Entschlossenheit, die sein Wesen kennzeichnete.
»Inzwischen rafft euch auf, ihr sächsischen Bauernkerle!« sagte der erhitzte Prinz; »denn beim Lichte des Himmels, da ich es einmal gesagt habe, so soll der Jude unter euch sitzen.«
»Keineswegs, wenn Ew. Gnaden verzeihn! Es paßt sich nicht für unser einen, bei den Herrschern des Landes zu sitzen,« sagte der Jude. In der That war des Juden Ehrgeiz wegen des Vortritts, wenn er ihn auch bestimmt hatte, mit dem verarmten Montdidier um den Platz zu streiten, nicht groß genug, um ihn anzustacheln, sich unter die reichen Angelsachsen einzudrängen.
»Hinauf, ungläubiger Hund, wenn ich es Dir befehle,« schrie der Prinz, »oder ich lasse Dir Dein gelbes Fell abziehn und zu Reitzeug gerben!« So gedrängt begann der Jude die steilen und schmalen Stufen zu ersteigen, die auf die Gallerie führten.
»Ich will doch sehn, wer es wagen wird, ihn aufzuhalten,« sagte der Prinz und richtete sein Auge auf Cedric, dessen Stellung die Absicht kundgab, den Juden kopfüber hinunterzuwerfen.
Die Katastrophe wurde durch den Narren Wamba verhindert, der schnell zwischen seinen Herrn und Isaak sprang, und als Antwort auf die Worte des Prinzen ausrief: »Wahrhaftig, das will ich!« In demselben Augenblick zog er einen geräucherten Schweineschinken unter seinem Mantel hervor und hielt ihn dem Juden unter die Nase. Offenbar hatte er sich mit diesem Leckerbissen versehen, um während der langen Zeit des Turniers seinen Appetit zu stillen. Zugleich schwang der Possenreißer sein hölzernes Schwert um seinen Kopf, und der Jude, von Abscheu und Schreck zugleich ergriffen, purzelte die Stufen hinab, – ein trefflicher Spaß für die Zuschauer, die ein schallendes Gelächter erhoben, in das der Prinz und seine Begleiter einstimmten.
»Erkenne mir den Siegespreis zu, Vetter Prinz,« sagte Wamba; »ich habe meinen Feind in ehrlichem Kampfe mit Schild und Schwert besiegt.« Dabei schwang er den Schinken in der einen und das Schwert in der andern Hand.
»Wer und was bist Du, edler Kämpfer?« sagte immer noch lachend der Prinz.
»Ein Narr nach dem Rechte der Descendenz,« antwortete der Spaßvogel. »Ich bin nämlich Wamba, der Sohn des Witzlos, der ein Sohn war des Hammelhirn, der da war der Sohn eines Rathsherrn.«
»Macht Platz für den Juden vorn im untern Kreise,« sagte Prinz Johann, vielleicht nicht gerade erzürnt, daß er eine Entschuldigung gefunden, um von seinem ersten Vorhaben abzustehn; »den Besiegten neben den Sieger zu stellen, hieße die Heraldik verkehren.«
»Den Schelm über den Narren setzen, wäre noch schlimmer; am ärgsten aber, den Juden über den Schweineschinken placiren.«
»Gramercy, guter Bursch,« rief Prinz Johann; »Du gefällst mir – hier, Isaak, leihe mir eine Hand voll Byzantiner.«
Der Jude war über diese Forderung bestürzt, aber zu furchtsam sie zu verweigern, und sie doch ungern erfüllend, suchte er lange in der pelzbesetzten Tasche, überlegend, wie viel wohl eine Hand voll ausmachen könnte. Doch der Prinz beugte sich vom Pferde, und machte Isaaks Unentschlossenheit ein Ende, indem er selbst ihm die Tasche von der Seite riß, Wamba einige Goldstücke daraus zuwarf und dann seinen Weg um die Schranken fortsetzte. So überließ er den Juden dem Hohn seiner Umgebung und erntete dazu so viel Beifall von den Zuschauern, als wenn er die