Unbeeinflußt durch den Gedanken an die Vergessenheit, die sie und ihre Thaten erwartete, ritten die Kämpfer durch die Schranken, ihre muthigen Rosse anhaltend und sie zu langsamer Gangart nöthigend, indeß sie zugleich alle Geschicklichkeit und den Anstand guter Reiter zeigten. Als der Zug in die Schranken trat, ließ sich eine wilde barbarische Musik hinter den Zelten der Herausforderer, wo die Musiker verborgen waren, vernehmen. Sie war morgenländischen Ursprungs, aus dem gelobten Lande mit zurückgebracht, und schien in der Vermischung mit Cymbeln und Glöckchen den Eintretenden ein Willkommen und die Herausforderung zugleich entgegenzurufen. Unter den auf sie gerichteten Blicken einer unermeßlichen Menge von Zuschauern ritten die fünf Ritter der erhöhten Stelle zu, wo die Zelte der Herausforderer standen. Hier sich trennend, berührte jeder einzelne mit der umgekehrten Lanze leicht den Schild desjenigen Gegners, den er sich erlesen hatte. Die niedere Klasse der Zuschauer im allgemeinen, ja sogar manche von höherem Stande, und man sagt, selbst einige Damen wären unzufrieden gewesen, daß die Kämpfer nur die Waffen der Höflichkeit gewählt hatten. Denn dieselbe Art Leute, die gegenwärtig dem grausigsten Trauerspiele den meisten Beifall schenkt, interessirte sich zu jener Zeit für ein Turnier meistens nach dem Grade der Gefahr, dem sich die Kämpfenden dabei aussetzten.
Als die Kämpfer einander ihre friedliche Absicht zu erkennen gegeben hatten, zogen sie sich an das Ende der Schranken zurück, wo sie in einer Linie aufgestellt blieben. Die Herausforderer aber, jeder aus seinem Zelte hervortretend, bestiegen ihre Rosse und ritten, angeführt von Brian de Bois-Guilbert, die erhöhte Ebene hinab, indem sie sich jeder einzeln den Rittern entgegenstellten, die ihre Schilde soeben berührt hatten.
Beim Schalle der Hörner und Trompeten sprengten sie jetzt auf einander los, und die Geschicklichkeit oder das Glück der Herausforderer war so groß, daß diejenigen, welche auf Bois-Guilbert, Malvoisin und Front de Boeuf stießen, sogleich zu Boden geworfen wurden. Der Gegner Grantmesnils, statt seine Lanze an dem Helm oder dem Schild seines Gegners zu zerbrechen, irrte dergestalt von der geraden Linie ab, daß er dieselbe quer an der Person des Feindes zerbrach, ein Umstand, der für noch schimpflicher gehalten wurde, als aus dem Sattel geworfen zu werden. Der fünfte Ritter allein rettete die Ehre der Partei, und im Zusammentreffen mit dem Johanniterritter zersplitterten beide Lanzen, ohne daß einer einen Vortheil davon hatte.
Das Freudengeschrei der Menge, nebst den Ausrufungen der Herolde und dem Klange der Trompeten verkündigten den Triumph der Sieger, sowie die Niederlage der Besiegten. Die erstern zogen sich in ihre Zelte zurück, und die letztern, so gut es gehen wollte, sich zusammenraffend, entfernten sich beschämt und verhöhnt aus den Schranken, um sich mit den Siegern wegen des Lösegeldes für ihre Rüstungen und Rosse zu besprechen, die nach den Turniergesetzen verwirkt waren; der fünfte allein weilte lange genug in den Schranken, um den Beifall der Zuschauer einzuernten, und zog sich zum Verdruß seiner Gefährten langsam von dem Kampfplatze zurück.
Es rückte nun eine zweite und dritte Partei von Rittern ins Feld; und ob sie gleich manchen Vortheil errangen, so blieb doch im ganzen der Vorzug auf der Seite der Herausforderer, da nicht einer aus dem Sattel gehoben wurde oder fehlgestoßen hatte, ein Unglück, das dem einen oder dem andern ihrer Gegner bei jedem Zusammentreffen begegnet war. Der Kampfesmuth war daher auch sehr gesunken. Beim vierten Gange erschienen nur drei Ritter, und diese begnügten sich, die Schilde von Bois-Guilbert und Front de Boeuf vermeidend, die der drei andern Ritter zu berühren, welche lange nicht so viel Kraft und Geschicklichkeit bewiesen hatten. Diese listige Auswahl störte indessen das Schicksal des Kampfes nicht, die Herausforderer blieben immer im Vortheil. Die Gegner wurden alle drei besiegt, indem der eine aus dem Sattel gehoben wurde und die andern fehlstießen, d.h. Helm und Schild der Gegner nicht fest und sicher trafen.
Nach diesem vierten Gange erfolgte eine beträchtliche Pause. Es schien, als wolle niemand weiter den Kampf erneuern. Die Zuschauer murrten unter einander, denn unter den Herausforderern waren Malvoisin und Front de Boeuf wegen ihres Charakters beim Volke nicht beliebt, und die andern waren es als Fremde und Ausländer eben so wenig.
Keiner aber empfand das Gefühl des allgemeinen Mißvergnügens tiefer als Cedric der Sachse, der in jedem erneuerten Triumphe der Normänner einen wiederholten Sieg über Englands Ehre sah. Seine eigene Erziehung hatte ihm keine Geschicklichkeit in den Ritterspielen verliehen, ob er gleich mit den Waffen seiner sächsischen Vorfahren sich bei manchen Gelegenheiten als ein tapferer und entschlossener Krieger bewiesen hatte. Aengstlich blickte er auf Athelstane, der die Vorzüge seiner Zeit sich zu eigen gemacht hatte, als wünsche er, dieser möchte doch einen Versuch machen, den Sieg wieder zu erringen, der jetzt in die Hände des Tempelherrn und seiner Gefährten gekommen war; allein obgleich wacker an Muth und kräftig von Person, hatte Athelstane doch eine zu große Neigung zu Unthätigkeit, und war zu wenig ehrgeizig, um Versuche zu machen, wie sie Cedric von ihm zu erwarten schien.
»Der Tag ist gegen England, Mylord,« sagte Cedric mit ausdrucksvollem Tone, »fühlt Ihr keine Neigung, die Lanze zu ergreifen?«
»Morgen,« versetzte Athelstane, »morgen will ich einen Gang im Mêlée thun, heute ists nicht der Mühe werth, mich zu waffnen.«
Zweierlei mißfiel Cedric an der Rede. Sie enthielt das normännische Wort Mêlée, um den allgemeinen Kampf auszudrücken, und dann verrieth sich darin eine gewisse Gleichgültigkeit gegen die Ehre des Vaterlandes. Doch sie kam von Athelstanew, und den hielt er so hoch, daß er auch seine Schwächen nicht zu tadeln wagte. Auch hatte er nicht Zeit, eine Bemerkung zu machen, denn Wamba fiel mit der Aeußerung dazwischen, daß es besser, aber schwerlich leichter sei, der beste unter hunderten als der beste von zweien zu sein.
Athelstane nahm dies für ein ernsthaftes Compliment, aber Cedric, der seines Narren Meinung besser verstand, warf diesem einen strengen und drohenden Blick zu. Es war ein Glück für Wamba, daß Zeit und Ort seinen Herrn verhinderten, ihm fühlbarere Zeichen seines Zornes zu geben.
Die Pause in dem Turnier war noch nicht unterbrochen, außer von den Stimmen der Herolde, welche riefen: »Liebe der Damen! zersplitterte Lanzen! Tretet vor, tapfere Ritter, schöne Augen sehen auf eure Thaten!«
Auch die Musik der Herausforderer schmetterte von Zeit zu Zeit kräftige Töne des Triumphes oder Hohns in die Lüfte, während das Volk murrte, daß dieser Feiertag in Unthätigkeit vergehe, und alte Ritter und Edle flüsternd über den Verfall des kriegerischen Geistes klagten, von den Triumphen ihrer jüngern Tage sprachen, aber eingestanden, daß das Land jetzt keine Damen von so glänzender Schönheit liefere, wie sie früher die Turniere belebt und verherrlicht hätten. Prinz Johann sprach schon zu seinen Begleitern davon, Anstalten zu dem Bankett zu treffen, und von der Nothwendigkeit, Brian de Bois-Guilbert den Preis zuzuerkennen, der mit einer einzigen Lanze zwei Ritter zu Boden geworfen und einen dritten entwaffnet hatte.
Als endlich die saracenische Musik ein Stück schloß, mit dem sie das Schweigen in den Schranken unterbrochen hatte, wurde dasselbe von einer einzigen Trompete beantwortet, die vom nördlichen Ende her einen Herausforderungstusch blies. Aller Augen richteten sich dorthin, um den neuen Kämpfer zu sehen, den diese Töne ankündigten. Dieser ritt, sobald die Schranken geöffnet waren, in den Kampfplatz. So weit man einen Mann in Rüstung beurtheilen kann, war der neue Abenteurer nicht viel über mittlerer Größe und schien eher schlank als stark gebaut zu sein. Sein Harnisch war von Stahl, reich mit Gold ausgelegt, und die Devise auf dem Schilde war ein junger Eichbaum, der mit der Wurzel ausgerissen war, mit dem spanischen Worte Desdichado, der Enterbte. Er ritt ein muthiges schwarzes Roß, und auf dem Wege durch die Schranken begrüßte er anmuthig die Damen, indem er seine Lanze senkte. Die Gewandtheit, mit der er sein Roß tummelte und ein Grad von jugendlicher Grazie, den er in seinem Benehmen zeigte, gewannen ihm die Gunst der Menge, welche einige von den niedern Klassen in Worten ausdrückten, indem sie ihm zuriefen: »Berührt Ralph de Viponts Schild, berührt des Hospitaliters Schild; er sitzt am wenigsten sicher im Sattel, den habt Ihr am billigsten.«
Indessen sprengte der Reiter weiter die Platform hinauf, ritt zum Erstaunen aller gerade auf das mittlere Zelt zu und schlug mit dem scharfen Ende seiner Lanze an den Schild des Brian de Bois-Guilbert, daß er laut ertönte. Alle waren erstaunt ob dieser Kühnheit, keiner aber mehr, als der Gefürchtete selber, der so zum tödtlichen Kampfe herausgefordert war, und der, eine so rauhe Forderung nicht erwartend,