Urlaubsflirt oder Liebe. Axel Adamitzki. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Axel Adamitzki
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753189451
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      Endlich waren sie im Flugzeug nach Miami. Dieses Mal saß Anna am Fenster. Auf dem Flug von München nach New York hatte sie den Mittelplatz innegehabt. Rechts neben ihr hatte ein Geschäftsmann gesessen. Zurückhaltend. Freundlich. Er hatte erst die ›Süddeutsche‹ ausgelesen und sich dann in irgendwelchen Akten vergraben. Wortlos hatte er ihr die gemeinsame Armlehne überlassen.

      Hedda hatte nicht so viel Glück. Neben ihr setzte sich ein Amerikaner. Sehr vollschlank. Sein Alter konnten sie nicht schätzen. Vielleicht war er zwanzig, vielleicht auch vierzig. Ein buntes Hemd und eine braune Bermudashorts sollten Sportlichkeit vermitteln, doch der massige Körper sprach dagegen. Und rücksichtslos okkupierte er die gemeinsame Armlehne.

      Anna sah ihre Freundin mitfühlend an. Leise flüsterte sie ihr ins Ohr:

      »Sollen wir tauschen?«

      »Unsinn. Sieh mal, da ist ja wieder unser ›Seemann‹!«

      Beide sahen den Fremden, den ›Seemann‹, der sich setzte, augenblicklich mit lächelnden Augen an. Schon in München war er ihnen aufgefallen. Blauweiß gestreiftes T-Shirt, quer gestreift, mit einem roten Anker auf der linken Brust. Ein gewaltiger Rucksack, den er bei sich hatte, schien fast leer zu sein. Wie er den wohl als Handgepäck durch die Kontrolle bekommen hatte? Vielleicht hatte ihm seine sympathisch unbeholfene Art dabei geholfen. Ein Terrorist? Unsinn! Ein großer Junge, der auf Reisen geht.

      Wieder saß er drei Reihen vor ihnen. Wieder war bald nur noch sein blonder Haarschopf zu sehen, der sich unaufgeregt an den Sesselrücken lehnte. Wieder lächelten die beiden Freundinnen, senkten die Köpfe und begannen herzhaft zu lachen. Der Amerikaner, rechts neben Hedda, sah die beiden jungen Frauen verwundert an. Doch nur einen kurzen Moment, dann öffnete er eine Tüte und holte einen ersten Donut heraus, biss herzhaft hinein und begann in einem eBook-Reader zu lesen.

      Der Flug verlief ruhig, fast ein wenig langweilig. Hedda beugte sich immer wieder über Anna, um aus dem Fenster zu sehen.

      »Kein Schiff in Sicht«, sagte Anna beim letzten Mal und belächelte ihre Freundin. Ein wenig.

      »Aber wir müssen doch bald da sein, oder?«

      Anna sah zur Uhr.

      »Noch etwa vierzig Minuten.«

      Von Minute zu Minute wuchs unverkennbar die Aufregung. Wieder setzte sich Hedda aufrecht hin und betrachtete blicklos den Vordersitz.

      »Wie wohl das Schiff aussieht? Und was für Kerle da auf uns warten?«

      Wieder lächelte Anna.

      »Vielleicht solche Typen wie dein Nachbar?«

      Entsetzt sah Hedda sie an. Glücklicherweise schien er sie nicht zu verstehen.

      »Mach keine Witze, Anna.«

      Anna lachte und ihr ihr Blick fiel auf den blonden Haarschopf, der sich, drei Reihen vor ihr, von links nach rechts gedreht hatte.

      »Oder so Typen wie unser ›Seemann‹?«

      »Oh Gott, Anna. Ich weiß nicht, was schlimmer wäre.«

      Nun sah Anna ihre Freundin an. Das Lachen war ein wenig verschwunden.

      »Was erwartest du eigentlich?«

      »Meinen Traumprinzen.«

      Diese knappe Antwort verblüffte Anna. Meinen Traumprinzen. Unterschiedlicher konnten die beiden Freundinnen nicht sein. Anna erwartete nichts. Eigentlich wollte sie die zwei Wochen so geschwind wie möglich hinter sich bringen und wieder nach Hause. Zu ihrer Linda.

      »Und was erwartest du?«

      »Nichts!«

      »Ach komm, Anna. Nicht doch den Dreißigjährigen, der toll aussieht und dir alles bieten kann?«

      »Träum weiter, Hedda. Diese Typen warten ganz sicher nicht auf uns.«

      »Anna, mach dich nicht kleiner, als du bist. Du siehst gut aus. Und wenn uns erst einmal zwei Tage lang die Sonne geküsst hat, dann sehen wir zum Anbeißen aus. Die Kerle ... wir werden uns vor Angeboten kaum retten können.«

      Anna schüttelte den Kopf.

      »Ich will das nicht, Hedda.«

      Erst skeptisch und schließlich provozierend sah Hedda ihre Freundin an.

      »Was willst du dann? Wie sollte dein Traumprinz aussehen?«

      Hedda wusste, dass sie damit fast ein wenig zu weit gegangen war. Aber Manuel war seit acht Monaten tot. Das war Fakt. Wurde es da nicht langsam Zeit, nach vorn zu blicken? Aus ihrer Sicht schon, doch sie hatte noch nie einen solchen Verlust erleiden und verschmerzen müssen.

      Anna blieb ruhig und spielte mit.

      »Meinen Traumprinzen gibt es nicht«, antwortete sie und blickte dabei aus dem Fenster.

      »Anna, sei mir nicht böse, wenn ich jetzt einmal direkt und offen werde.

      Manuel ist seit acht Monaten tot. Sein Tod ist schrecklich. Und ich wünschte, ganz aufrichtig ... du würdest jetzt mit ihm hier sitzen. Aber ... er ist tot. Und dein Leben geht weiter.

      Anna, du bist jetzt vierundzwanzig. Deine Tochter ist zwei Jahre. Du kannst dich nicht vergraben. Fang wieder an zu leben. Ganz langsam. Jetzt. Hier und heute. Schnapp dir auf dem Schiff einen Kerl und amüsiere dich.

      Du lebst!«

      Stille trat ein.

      Anna blickte aus dem Fenster. In eine große blaue Leere. Und schließlich räusperte sie sich.

      »Du hast ja recht. Ich muss auch an Linda denken. Einen Trauerkloß als Mutter hat sie wirklich nicht verdient.«

      »Genau! So gefällst du mir.«

      Und beide lachten.

      »Also«, begann Hedda erneut, »wie sieht dein Traumprinz aus?«

      Anna überlegte nicht lange, sie hatte die Antwort schon seit Wochen parat, sie hatte ihre Entscheidung längst getroffen. Unumstößlich. Traumprinz? Den gab es nicht.

      »Mitte fünfzig. Verheiratet. Eigene Kinder. Und er hat maximal zwei Mal in der Woche Zeit für mich. Und Kinder will er keine mehr.«

      Hedda glaubte nicht, was sie da hörte. War das wirklich ihre Freundin Anna, die sie seit zehn Jahren kannte?

      »Du ... du verarschst mich, oder?«

      »Nein. Ganz sicher nicht.«

      Hedda schüttelte den Kopf.

      »Du willst ein, zwei Mal in der Woche mit einem verheirateten Mann vögeln und das reicht dir?«

      »Alle zwei, drei oder vier Wochen würde es mir auch reichen.«

      »Oh, fuck! Fuck! Fuck!«

      Als wären die letzten Worte Weckrufe gewesen, blickte der Amerikaner von seinem eBook-Reader auf und schien zu hoffen, ... zu glauben, dass die Unterhaltung hier neben ihm wohl interessanter war als der Inhalt seines Buches. Doch war wohl ›fuck‹ das einzige Wort, das er verstanden hatte.

      Hedda drehte ihm den Rücken zu und sagte ... sehr, sehr leise: »Anna, du hast noch nicht einmal die Hälfte deines Lebens hinter dir. Ich glaube dir nicht, was du da eben gesagt hast.«

      Wieder schüttelte sie den Kopf.

      »Und wenn der Richtige vor dir steht? ... Der, der dich liebt? ... Der, den du ... mehr als nur magst? ... Der, der Linda liebt? ... Der, der mit dir eine Familie ...?«

      »Hör auf, Hedda. Vielleicht ist das mit dem Fünfundfünfzigjährigen ein wenig übertrieben. Aber eines ist sicher. Weitere Kinder will ich nicht. Ganz sicher nicht. Und deshalb kommt auch kein Mann in meinem Alter für mich infrage. Nie!«

      Sprachlos sah Hedda ihre Freundin an und schien augenblicklich zu wissen, dass ihre Worte kein Scherz waren. So wollte Anna wohl tatsächlich