Seinen Teller ansehend, zwackt es Anton im Gedärm. Ein Furz entfährt ihm, untrügliche Antwort. Wirr aufblickend, klärt ihm ein Rülpser seine Gesinnung, die er ausspricht.
„Mich stört schon Carels Name! Ich plage mich nicht mit ihm für nur ein einziges Beet. Mit Kompost weit lieber und allein!“
Antons affektiven Ton kontrapunktiert die Küchentür. Herein traben Lian, Usa und Leo, mit Rosen hinter je einem Ohr, und ebenso überhauchten Wangen, vom Lachen über sonderbare Ideen.
„Uns Angeheiterten stört eure ernste Debatte unsern Humor“, rügt gen die Sitzgruppe Leo, spöttisch grinsend.
„Ja, schwenkt um!“, stimmt Lian froh ein, und öffnet ihre Arme in die Luft. Sie umfängt die Sitzenden, unter denen, von Vera abgesehen, ihr leider Einer fehlt. Statt seiner zückt sie einen großen Geldschein. „Seht, das gab der Rosenzüchter! Und obenauf mehr Zuversicht, er vermittle mir noch mehr Aufträge!“
„Der Künstlerin Glück, gratuliere! Ich wünsch dir reichlich Nachkommen“, entfährt es Maik, fassungslos über das Geld.
Lian legt an die Schulter der sie ansehenden Margarita eine Hand und erklärt ihr, im Kopfschwenk auf Anton:
„Bevor er seinen Senf zugibt, so höre, wir schmieden meinen Erfolgsplan und essen nur kurz, halten unsere Magie tunlichst wach, damit die in Folge am späteren Abend tiefer greife. Magst du dabei sein? Das würde deine miese Laune ausrotten.“
11
„Gestattest du, Anton?“, fragt Leo, am nächsten Vormittag ins Büro kommend. „Ich verließ das Gästezimmer für Jörgs Söhne und zog in Margaritas Zimmer. In ihrem breiten Bett haben wir Spaß. Und Spaß soll auch dir meine PC-Nachhilfe bringen. Magst du dir etwas von meiner Freizeit stehlen?“
Leos geblümtes Spagettikleid schmiegt sich an ihre schlanke Figur, im Platznehmen am zweiten Stuhl. Zu nah, zu schnell für Anton. Daher erwidert er ihrer morgenfrischen Leichtherzigkeit:
„Usas gut gemeinte Absicht zielte hauptsächlich gegen meine Blockade vor der Gartenmisere, mir fiel schon der Anfang zu.“
„Du solltest damit also mehr in Balance kommen.“
Kurz nur zur Zimmerdecke aufsehend, tippt Leo im Schoß ihre Fingerkuppen zusammen. Ihre Tonlage wird herb. „Ich balanciere selber auf der Schneide der Aufgaben in der Bank, an der Schere der Reichen und dem Pulk der Ärmergewordenen. Die klafft auf am Schalter vor mir, und erfordert ein Verwalten auf hohem Niveau. Und würde ich nicht reisen, verklänge niemals meinen Ohren das kollegiale Quotenjammern, der Selbstbetrug der Geklonten, die mir am Bürohocker abverlangen, nicht aus der Rolle zu fallen.“
„Scheren grassieren auch hier, auch wir leben nach keinem gängig anerkannten Stil, Leo. Ich verstehe dich gut.“
Von Leos bebenden winzigen Brüsten blickt Anton fort. Er faltet am Bauchrund im hellgrauen Tshirt die Hände und stellt zum x-den Mal fest, vollere Formen zu mögen. Wie Usas nebenan vor der Nähmaschine, deren Schwünge er zu sehen vermeint, im selben Moment des dort drüben einsetzenden Ratterns.
Leo winkt ab. Sie glättet eine am Hals anliegende Strähne, strafft Rücken und Brust. Ihre Wangen beleben sich erneut mit Morgenweichheit, während sie, das Geratter übertönend, grinsend anmerkt, um Anton ein wenig zu picken: „Trifft mich die Schere, die anderen Bankern den Job schon kappte, so komme ich mit One Way Flug, und bleibe. Aber dem zuvor, solltest du lernen. Oder raubte dir dein Paket Vorkommnisse gänzlich deine Neugierde?“
„Unser Abendessen verlief dann noch glimpflich, wohl wahr!“
Anton zwingt seine Finger am Bauch zur Ruhe und sich, in Leos braune Augen zu lugen. „Mich rettete deine Schnoddrigkeit in Berliner Art aus Maiks mir mit Carel gestellte Falle.“
„Nimm Distanz zu Carel ein. Kette ihn, unwichtig geworden, anderswo an, sperre ihm deine Gedanken“, erwidert Leo spontan, ohne seinem erschreckten Blick auszuweichen. „Oder hat er eine wünschenswerte Bedeutung aufgrund deiner Story? Prägungen der Kindheit verlassen nie, auch nach einem Umformen in schönster Absicht erinnert jedes hartnäckige Ego eines der Desaster.“
Alarm schrillt Anton. Ihm gelingt eine Wende. Doch deren Ertrag kann er schwerlich einschätzen. Ihm jucken die Ohren. Er drückt die Hände fest an den Bauch, um keines anzufassen. Aber schon krächzt sein Hals rau ein „Was ...“. Sich kurz räuspernd versucht Anton es noch einmal, und vermeidet es, Leo anzusehen.
„Was meintest du neulich mit dem polaren Beziehungsmodell?“
In seine braunen Augen sieht Leo sehr freundlich, und tönt ebenso ihre Stimme. „Auf dich intuitiven Mann, deine sensible Gabe und schwankende Stimmung kann ich nicht reagieren wie bei einer Frau. Du wirkst oft sehr verinnerlicht, oder bist manisch hochgradig begeistert, zu wenig vom Äußeren abgegrenzt.“
Leo findet in Antons Gesicht nur eine verzögerte Reaktion.
„Okay, dann ausführlich. Manche nennen es das Modell eines Anlockens und Abwehrens in der Komm her, geh weg – Mentalität.“ Sie gestikuliert mit den Händen um ihren Kopf herum. „Mit einer Hand Sahne ums Maul schmieren und zeitgleich die Kanne auf die Rübe schlagen. Ich rede vom Gesetz von Ursache und Wirkung. Ein drastisches Beispiel wäre ein Asteroid im Flug gen Erde. Stell dir vor, der rüttelt an den Erdpolen, kapiert?“
Anton nickt heftig. Er hebt seine Arme wie Leo ihre zuvor, die nun ruhig im Schoß liegen. Er scheut sich nicht, kurzerhand seine Ohrläppchen einmal vom Kopf abzuziehen.
„So oder so Baustelle. Abgesehen vom Drama an der Erde, der Verseuchung im All“, kurz pausiert er. „Ich weiß, meine Seele will mir wohl, in deiner Nähe entgleitet mir das wie Sand durch die Finger, dann kommt Abwehr heraus. Ich stecke fest in diesen bipolaren Schuhen, bin schon wieder reingestolpert. Desculpe!“
„Nur eine der Krisen, um in der Liebe stärker zu werden.“
Soeben über die Lippen, entdeckt Leo einen winzigen Tumult in sich, leichtherzig vorzutragen jetzt, wo Anton seine Schuhe bebrütet. Auf das Geblümte an ihrem Schoß sehend, bekennt sie:
„Manchmal fehlt mir das Verstehen der Entwicklung des neuen Männerbewusstseins, in dem gewiss Spuren uralten Jägerstolzes schwelen. Und dafür, wie laut ihr eure Gesichter wahrt - meine Kollegen, legen sie sich ins Zeug.“ Leo zeigt auf den Desktop, vor dem Anton sitzt. „Los, rufen wir Männerseiten auf.“
Eine Reaktion darauf verhindern Antons Sinne, in denen noch Leos emotionaler Tipp eine ferne Erinnerung aufgreift. Jene der Gruppentherapie nach dem Unfall. Er erfuhr mehr über sich und das ihn abstrus anmutende, ihm vorgelebte Wohlwollen. Letztlich erkannte er daran keinen Makel. Wohlwollen ähnelt den Rülpsern, die befreit verkünden, im Ego gäre es nur noch leicht, und es verdaue auch, wie die Frau, die neben ihm saß, auf ihn wirkte. Bis hinein in die Mundwinkel leuchteten ihre Augen. Sie hatte ihren Segen in einem Schamanencamp erhalten, und rüttelte ihn wach. Nach Wochen in dem Camp dort, peinigte ihn, im Liegen und Lauschen auf einer Klangliege, in seinem Bein ein Schmerzblitz. Aufspringen wollte er. Doch warnte der alte Indianer: Auf der Jagd warst du viel zu oft. Kann lange währen, was dein Vorleben dir noch beschert an unerträglichen Wirkungen.
So kam es in der Heilungszeit, in der er zuerst ein anderes Tempo im Job austüftelte, bevor indianisch anmutende Durchsagen ihm Wachstumsschübe anwiesen. Erwacht wusste er, seine Seele will ihm wohl! Oft ertappte er sie bei der besseren Wahl dafür, was den kleinen inneren Bub gemeinsam mit dem Erwachsenen voran bringe. Sie fand Madeiras grüne Pracht, die nächste Heilstätte seiner verletzten Seele.
Darin stänkert Carel, blitzt Anton auf. Leos Idee ist gut, den anzuketten, fern der Hochebene Paul da Serra. Doch denen, wo der Pfeffer wächst, mag er ihn nicht wünschen. - Und jeder Gedanke kettet an, versteht er. Leo wählt nur, was ihr Gehirn aktiviert. Und er, was Krücke und lockenden Segen anbot.
Sich