Auf getrennten Wegen. Christian Linberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Linberg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754131602
Скачать книгу

      Kmarr stöhnte leise, ohne aufzuwachen.

      Sie lockte das tote Holz mit dem Versprechen neuer Kraft, gesunder Erde und warmer Sonnenstrahlen Sie spendete etwas ihrer eigenen Lebenskraft, um es zu wecken.

      Schließlich spürte sie ein dünnes Rinnsal neuer Energie. Sie lenkte es behutsam in die Rinde, glättete sie, schrumpfte den Ast vom Durchmesser ihres Unterschenkels bis auf die Dicke ihres Armes. Zusätzlich wurde das Holz so glatt, bis es glänzte, als hätte sie es tagelang poliert. Am Rücken verstärkte sie es, damit Kmarr nicht noch weiter rutschen konnte. Zuletzt schwächte sie das Holz knapp vor seiner Brust, so dass sie den Rest ohne Mühe dort abbrechen konnte.

      Wieder stöhnte Kmarr knurrend. Ein dünner Blutstrom sickerte aus der Wunde.

      Für den nächsten Schritt brauchte sie ihn wach und einigermaßen bei Kräften.

      Da sie ihn nicht wecken wollte, entfachte sie mit ihren Vorräten aus Kohle und dem abgebrochenen Ast ein Feuer.

      Erst dann ließ sie sich erschöpft zu Boden sinken.

      Obwohl die Blutbäume ein nervtötendes Kreischen verursachten, war sie kurz darauf eingeschlafen.

      1 - 8 Jagdwetter -

      Sie erwachte mit Fieber und Schüttelfrost auf einem Berg abgestorbenen Schilfgrases. Ihr Lager befand sich zwischen zwei Hälften eines gespaltenen Felsens, die sie vor dem Regen schützten, den der Wind von Norden heran peitschte. Ihre Decke, die halb neben ihr lag, war verrutscht, doch sie fühlte sich zu schwach, um mehr zu tun, als sie halbherzig nach oben zu ziehen. Selbst den Kopf zu heben, strengte sie aufs Äußerste an. Immerhin lag ihr Wasserschlauch neben ihrer Hand.

      Dennoch dauerte es, bis sie ihn geöffnet hatte, um einen Schluck zu trinken. Anschließend zitterten ihre Muskeln wie nach einem Marsch von fünfzig Meilen ohne Pause.

      Das eiskalte Wasser war die Anstrengung jedoch wert. Danach sank sie erneut in einen dämmrigen Zustand irgendwo zwischen Schlafen und Wachen, in dem die Zeit still zu stehen schien.

      Shadarr beobachtete, wie Jiang etwas trank, bevor sie wieder auf dem Graslager zurücksank, dass er zusammengetragen hatte, um sie warm und einigermaßen trocken zu halten.

      Die Stelle zwischen den Felsen war ein Glücksfund, der auch ihm einen gewissen Schutz vor dem Regen bot.

      Seit dem frühen Morgen schüttete es ohne Unterlass.

      Zum Glück konnte er sich neben Jiang wenigstens zum Teil in die Felsspalte zwängen. Die Position war einigermaßen bequem, so dass er zwischen Jiangs Füßen hindurch die Umgebung gut im Auge behalten konnte.

      Das schlechte Wetter schränkte die Sichtweite beträchtlich ein und machte Gehör und Geruch weitgehend nutzlos, doch es verbarg sie auch vor möglichen Raubtieren und neugierigen Bewohnern des Sumpfes.

      Nur der ständige Hunger bereitete ihm Unbehagen. Das Wetter hatte die wenigen Libellenegel vertrieben, die er hatte fressen wollen. Nur drei konnte er erwischen, bevor sie zu ihrem trockenen Unterschlupf flüchteten.

      Immerhin hatten sie halbwegs vernünftig geschmeckt. Um sich richtig satt zu fressen, hätte er die zehnfache Menge gebraucht. Leider hatten die Kreaturen beim ersten Donnergrollen sogleich die Flucht ergriffen.

      Sie waren geradewegs zu einem großen Wald aus Blutbäumen geflogen.

      Bei der Verfolgung war er im Wasser eines trüben Tümpels über ein paar Schlangenfrösche gestolpert. Leider hatten sie nicht viel besser geschmeckt als das brackige Wasser, aus dem sie gehüpft waren. Wenigstens sättigten sie ihn ein Wenig.

      Jetzt hoffte er auf ein Ende des Regens, um wieder Jagd auf die fliegenden Egel machen zu können.

      Solange er darauf wartete, betrachtete er Jiang, deren Decke erneut verrutscht war.

      Mit einer einzelnen Kralle schob er sie wieder zurück. Er hatte bei Anayas zahlreichen Vorträgen über Verletzungen gehört, dass Wärme offenbar wichtig war und Decken dabei halfen.

      Es war ziemlich mühsam gewesen, sie aus Jiangs Rucksack zu befreien, ohne den restlichen Inhalt dabei zu zerstören. Trotzdem war einiges beschädigt worden. Besonders geschickt war er noch nie gewesen.

      Sie waren noch immer in Sichtweite des großen Flusses, inzwischen allerdings viele Meilen von der Stadt entfernt, in der sich das Siegel befunden hatte.

      Normalerweise hätte Shadarr die anderen Mitglieder seines Rudels gesucht, aber er konnte Drakkan über ihre Geistverbindung nicht erreichen und Jiang war eines der Weibchen des Rudelführers, auch wenn er nicht verstand, wie die Beziehungen im Rudel entstanden und wodurch sie geprägt waren.

      Auf jeden Fall hätte er gewollt, dass Shadarr als bester Jäger achtgab auf die Weibchen, und dieses hier in Sicherheit brachte.

      An Flüssen gab es oft Behausungen von Menschen oder wenigstens Weiden und Felder auf denen Nahrung zu finden war.

      Gewöhnlich fanden sich dort auch Boote, mit denen man noch schneller vorankam. Bei all seiner Stärke, war Shadarr nicht gut dazu geeignet jemanden zu tragen, der nicht selbst auf ihm Reiten konnte.

      Nach dem Regen und einer ausgiebigen Jagd wollte er wieder aufbrechen. Er hasste das Nass, das von oben kam, genauso sehr wie Drakkan.

      1 - 9 Lagerfeuergeschichten -

      „Statt zu lachen, mach lieber Platz am Feuer.“

      Ungerührt von ihrer Erheiterung stapfte Droin hinüber zu dem einladenden Lagerplatz.

      „Bist Du verletzt?“, fragte sie überrascht, als sie bemerkte, dass sich Blut mit dem Schlamm vermischt hatte, das aus zahlreichen Bisswunden zu stammen schien.

      „Scharfsinnig beobachtet“, spottete er mit leiser Stimme: „Mach mehr Feuer, damit Du siehst, was Du machst, wenn Du die Verletzungen vom Schlamm befreist. Ohne Rüstung gehe ich hier keinen Schritt mehr.“

      Gehorsam fachte Phyria die Flammen an, auch wenn das Holz so schneller aufgebraucht sein würde. Sie war heilfroh, auf den erfahrenen Naurim getroffen zu sein. Besorgt musterte sie die Wunden.

      Während Droin sich vom Feuer trocknen ließ, damit sie den Schlamm entfernen konnte, erzählte er ihr von den Schlangenfröschen.

      Die Hitze und seine natürliche Zähigkeit ließen den Blutstrom aus den meisten Wunden schnell versiegen, trotzdem verband Phyria sie alle nach seiner Anweisung, sobald sie den gröbsten Dreck von seinem Körper geschrubbt hatte. Die Bisse brannten höllisch, dennoch machte er sich keine übermäßigen Sorgen wegen einer möglichen Entzündung.

      Wundbrand gab es bei den Naurim so gut wie nie. Die Verbände dienten hauptsächlich der Polsterung damit seine Rüstung weniger stark scheuerte.

      Phyria stellte eine entsprechende Frage: „Kannst Du so bandagiert überhaupt die Plattenteile anlegen?“

      „Ein Vergnügen wird es nicht und ich werde mich vermutlich bewegen, wie ein betrunkener Ochse, aber gehen wird es.“

      „Mit Deinen Wunden wäre ich längst gestorben“, erwiderte sie: „Ich verstehe nicht, wie ihr alle so…“, sie suchte nach Worten: „…zäh und unerschütterlich sein könnt. Verglichen damit erscheinen meine eigenen Fähigkeiten lächerlich und nutzlos.“

      Zum ersten Mal fiel Droin auf, wie jung Phyria noch war. Kaum erwachsen geworden, ohne Erfahrungen, auf die sie zählen konnte. Er ließ sich Zeit mit der Antwort: „Der Leichensammler wäre sicherlich anderer Meinung. Du unterschätzt Dein Können. Was Dir fehlt, sind hauptsächlich Jahre. Jahre, in denen Du Erfahrungen sammeln konntest, in denen Du andere Länder besucht, fremde Völker und Kulturen getroffen hast. Eure Abtei mag stark gewirkt haben, doch eure Isolation hat euch auch verwundbar gemacht. Ihr konntet stets nur reagieren, niemals aktiv handeln. Du weißt nicht, was Du jetzt tun sollst, weil Du nicht gelernt hast, mit neuen Situationen wie dieser fertig zu werden.“

      Erst wollte sie auffahren, doch der sachliche Tonfall ließ sie innehalten. Droins ruhige