Auf getrennten Wegen. Christian Linberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Linberg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754131602
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lustigen Anblick bieten. In braunes Fell gekleidet, kurze Beine, breite Hufe, kleine Hörner und eine grünliche Hautfarbe.

      Schulterzuckend setzte sie sich wieder in Bewegung.

      Wenn sich ihre Überlegungen als richtig herausstellten, würde sie gleich hinter dem nächsten Hügel auf die Beute der Blutbäume treffen. Sie musste sich beeilen, wollte sie ihnen zuvorkommen.

      Da sie die Bäume nicht für Kannibalen hielt, musste es eine andere Beute sein. Wahrscheinlich einer ihrer Gefährten. Sie eilte in gleichmäßigem Tempo voran, wobei sie sich bemühte, eine niedrige Silhouette zu bieten, um die Aufmerksamkeit der Leichensammler nicht auf sich zu ziehen.

      Solange die Bäume sich weiter in eine Richtung bewegten, waren sie noch nicht am Ziel. Das gab ihr die Chance, sie zu überholen, oder doch zumindest vor ihnen am Ziel zu sein.

      Kmarr sah seinem Schicksal ruhig entgegen. Die Flamberge war nutzlos, die Axt irgendwo verloren gegangen. Nur der Bolzenwerfer war übriggeblieben.

      So sehr er seine Erfindung auch schätzte, gegen die Blutbäume würde die Waffe wenig nutzen. Nicht umsonst fällte man Bäume mit einer Axt.

      Er hatte nur einen Versuch gemacht, aufzustehen. Die Schmerzen hatten ihm beinahe das Bewusstsein geraubt, noch bevor er sich überhaupt richtig bewegt hatte. Lieber blieb er sitzen und schoss, solange er konnte, Bolzen auf seine Feinde.

      Danach konnte er nur hoffen, dass sie ihn schnell fraßen.

      Ruhig hob er die Waffe zum ersten Schuss. Wie nebenbei bemerkte er, dass eine Vorrichtung zum Zielen nützlich wäre. Der Hebel zum Nachladen ließ sich bestimmt ebenfalls verbessern. Er hatte Mühe, ihn zu betätigen.

      Dafür war der kleine Wald aus Blutbäumen nur schwer zu verfehlen.

      Obwohl er sich bemühte, den Rückschlag mit den Armen abzufangen, ging trotzdem eine Welle der Agonie durch seinen Körper, die einen Schweißausbruch bewirkte.

      Mit zitternden Fingern quälte er den nächsten Lauf in Schussposition. Ohne darauf zu achten, ob er getroffen hatte, schoss er erneut. Dieses Mal tanzten bunte Punkte vor seinen Augen. Zwei Anläufe, dann hatte er den dritten Lauf feuerbereit gemacht. Dafür wurde er dieses Mal mit Schmerzgeheul belohnt, dass er leider nicht genießen konnte, weil er die verbleibende Kraft dafür brauchte, nicht das Bewusstsein zu verlieren.

      Zu den Flecken vor seinen Augen gesellte sich der bittere Geschmack von Galle im Mund, doch aufgeben kam nicht in Frage.

      Wieder schoss er auf die Bäume, die soeben den Abstieg von der Hügelkuppe begonnen hatten.

      Für einen Moment musste er doch die Besinnung verloren haben, denn im nächsten Augenblick lag der Bolzenwerfer in seinem Schoß und ein Bär, der Anaya bis auf den Kopf verschluckt hatte, kniete neben ihm.

      „Du solltest sie wieder ausspucken“, riet er dem Bären: „Sie hat es nicht gerne, wenn man sie frisst.“

      Doch der Bär wühlte mit seinen Pranken einfach nur im Dreck neben ihm. Bestimmt suchte er nach Wurzeln. Ehe er ihn fraß.

      „Nimm die Wurzeln von den Bäumen da. Die schmecken viel besser als ich“, wollte er sagen, aber seine Zunge verweigerte ihm den Dienst.

      Anaya bemühte sich, zu verstehen, was Kmarr zu sagen versuchte, mehr als unverständliche Knurrlaute gab er dabei jedoch nicht von sich.

      Für mehr blieb keine Zeit.

      Sie hatte ihren gesamten Vorrat an Würgedornsamen im Kreis um sie herum im Schlamm verteilt. Jetzt lenkte sie die unbändige Lebenskraft des Sumpfes in ihr schnelles Wachstum.

      Dabei musste sie gleichzeitig aufpassen, nicht Kmarrs ohnehin schon schwache Lebenskraft anzuzapfen.

      Die Belastung zwang sie dazu, ihre eigene Verwandlung aufzugeben.

      Zunächst tat sich nichts, doch dann drängten sich die ersten Keimblätter aus dem Boden ans Licht.

      Sie entfalteten sich rasch zu jungen Trieben, die sich sofort weiter verzweigten.

      Anfangs wucherten die Ranken noch über den Boden in alle Richtungen. Erst mit Anayas Einfluss formten sie nach und nach einen Ring, der gut drei Mannslängen durchmaß. Die einzelnen Äste verhakten sich in den Pflanzen links und rechts, während sie gleichzeitig nach oben wuchsen. Schnell gewannen die Stämme an Umfang und Größe.

      Als die Blutbäume noch zwanzig Schritte entfernt waren, hatte die Hecke bereits einen halben Schritt Höhe erreicht und war einen Schritt tief. Die Ranken waren fingerdick geworden, mit kurzen Dornen und kleinen, rundlichen Blättern an allen Seiten, die nicht nur bitter schmeckten, sondern obendrein auch noch giftig waren.

      Obwohl ihre Anstrengungen die Konzentration forderten, warf sie zwischendurch dennoch einen Blick auf Kmarr, dessen Kopf nach vorne gesunken war. Er hatte das Bewusstsein verloren. Seine Brust hob und senkte sich regelmäßig, so dass keine akute Gefahr für ihn bestand.

      Die Hecke wuchs unterdessen weiter in die Höhe. Als sie einen Schritt erreicht hatte, neigte Anaya sie langsam nach innen, um über ihnen ein Dach zu formen. Nur so würde das Gebilde dem Ansturm der Blutbäume Stand halten.

      Diese waren mittlerweile schon bis auf zehn Schritte heran gewankt. Ihre Tentakel streckten sich erregt nach vorne, in Erwartung leichter Beute.

      Unterdessen schlangen sich die dornigen Ranken immer höher und höher. Unten hatten sie inzwischen die Dicke ihres Handgelenks erreicht und die Dornen waren so lang, wie ihre Finger.

      In Galladorn formten die Druiden aus ihnen Hecken um ihre Hütten und Dörfer, als Schutz vor Raubtieren.

      Außerdem umschloss der Grüne Wall das gesamte Reich. Dreißig Schritte hoch, und ebenso tief, bildete er eine undurchdringliche Barriere für alle ungebetenen Besucher, sofern sie nicht über Flügel oder Luftschiffe verfügten.

      Manche Druiden formten sogar ihre Häuser aus Würgedornen. Von innen verkleidet mit Brettern oder Lehm, mit natürlich vergitterten Fenstern, waren sie durchaus gemütlich zu nennen.

      Die Kuppel, die Anaya gerade schuf, war diesen Hütten nachempfunden, nur hatte sie nicht vor, Fenster oder eine Tür in ihren Entwurf zu integrieren.

      Das Dach würde nicht rechtzeitig fertig werden, also zwang sie einzelne Ranken, wie bei einer Gewölbehalle Stützbögen zu bilden. Die Zwischenräume füllte sie nach und nach mit kleineren Ranken.

      Keinen Augenblick zu früh.

      Schon brandeten die Blutbäume gegen das Hindernis. Sie kreischten überrascht, denn auch wenn sie viele Gemeinsamkeiten mit richtigen Bäumen hatten, eine harte Borke besaßen sie nicht. Deshalb bohrten sich die Dornen in ihre stammartigen Körper. Die Hecke erbebte unter ihrem Ansturm, hielt aber ohne Probleme stand. Sorge machten Anaya nur die Tentakel. Statt durch die Lücken im Dach zu greifen, versuchten sie direkt durch die Hecke zu gelangen.

      Ihre Befürchtungen erwiesen sich als unbegründet. Die Blutbäume waren zu dumm für solch eine ausgeklügelte Taktik. Sie begriffen nicht, dass die Hecke vor ihnen kein abgestorbenes Buschwerk war, auf das sie normalerweise trafen.

      Und je länger sie brauchten, das Problem zu verstehen, je geringer waren ihre Chancen, doch noch zu einer Gefahr für Kmarr und sie zu werden, denn die Lücken im Dach wuchsen rasch zu.

      Gleichzeitig wurde es immer dunkler, denn das dichte Geflecht blockierte das ohnehin spärliche Tageslicht beinahe völlig.

      Als sie mit ihrem Werk schließlich zufrieden war, blieb nur das Kreischen der Bäume draußen zurück. Erschöpft zog Anaya ihre Hände aus dem Schlamm.

      Gerne hätte sie eine Weile ausgeruht, aber dafür blieb ihr keine Zeit. Die Verletzung von Kmarr war schwer und musste dringend versorgt werden.

      Vorsichtig begutachtete sie den Schaden, den der Ast im Körper des Leoniden angerichtet hatte. Es handelte sich um eine ernste Verletzung, die mit Sicherheit tödlich war, wenn sie nichts unternahm. Zum Glück war es ein Ast, auf dem er gelandet war. Wäre es ein Felsen oder