Höllenteufel. Andre Rober. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andre Rober
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754176665
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      „Thomas!“, flüsterte sie scharf und näherte sich dem Bein­paar mit vorgehaltener Waffe. Ihr Partner kam hinzu, sah so­fort, was Sarahs Aufmerksamkeit erregt hatte, und nahm sei­ne Dienstpistole ebenfalls in Anschlag.

      „Vorsicht!“, raunte er halblaut und umrundete Sarah, um ihr Deckung geben zu können. Die Polizistin schob sich lang­sam weiter vor, bis sie den Rest des Mannes sehen konnte, der tatsächlich mit aufgerichtetem Oberkörper halb an der Wand, halb an dem Highboard lehnte. Er saß in einer Lache aus dunklem Blut, seine rechte Hand lag offen im Schoß, sei­ne linke neben dem Oberschenkel auf dem Boden. Beide Hän­de waren blutig und Sarah schlussfolgerte, dass der Un­bekannte sie auf die große Bauchwunde gepresst hatte, die sich unter dem komplett durchtränkten Hemd befinden mus­s­te. Jetzt erkannte Sarah auch Schnitte in den Unter­ar­men. Hals und Gesicht wiesen ebenfalls grässliche, klaf­fende Wunden auf. Der Täter musste mit großer Wut auf sein Op­fer eingestochen haben oder aber, sofort kam Sarah das Mäd­chen wieder in den Sinn, mit panischer Angst ver­sucht ha­ben, sich zu retten. Ohne in die Blutlache zu treten wagte sie sich anzunähern, ging in die Knie und versuchte, an den ge­schlos­senen Augenlidern des Mannes eine Bewegung zu er­kennen, doch es war nicht einmal das geringste Zit­tern zu sehen. Etwas mutiger rutschte sie näher und streckte die linke Hand aus, um möglicherweise einen Puls zu ertasten. Sie be­mühte sich, nicht in das Blut zu fassen, das auch am Hals hin­unterlief, legte die Finger auf die Carotis und hoffte, noch ein Lebens­zeichen feststellen zu können.

      Mit einem Mal richtete sich der Körper unter lautem Schrei­en auf! Die blutverschmierte Hand griff nach Sarahs Schulter und das groteske Gesicht näherte sich ihr mit weit aufge­rissenen Augen. Sarah versuchte panisch zu­rückzu­wei­chen, doch der Mann hielt sie mit eisernem Griff! Der laute Schrei ging in ein Gurgeln über. Sekun­denbruchteile darauf schoss ein Schwall Blut aus dem Mund und ergoss sich über Sarahs Jacke und Jeans. Dann würgte und hustete der tödlich Ver­wun­dete und Sarah konnte die Spritzer des warmen Blutes in ihrem Gesicht spüren! Endlich gelang es ihr, sich von dem Mann wegzustoßen. Sie landete unsanft auf dem Boden und war erst jetzt in der Lage, zitternd die Pistole zu heben. Doch trotz des Schreckens und des Ekels realisierte sie, dass keine Gefahr mehr von dem Verletzten ausging. Spasmisch schüt­telte sich sein Körper, ein letztes Röcheln kam über seine Lippen, blutiger Schaum quoll aus dem Mund. Lang­sam kippte er zur Seite. Sarah war sofort klar, dass er in eben diesem Moment den letzten Rest Lebens aus­gehaucht hatte, und sie ließ die Waffe sinken. Sie sah zu Tho­mas, der seine H&K aus dem Anschlag nahm und be­griff, dass er zwar hätte schießen können, aber rechtzeitig er­kannt hatte, dass es sich bei dem vermeintlichen Angriff le­dig­lich um die Reflexe eines unbewaffneten Totgeweihten ge­handelt haben musste. Mit zitternden Händen legte sie die Pistole neben sich, öff­nete die Seitentasche ihrer Winterjacke und brachte eine Packung Papiertaschentücher zum Vor­schein. Diese aufzu­reißen vermochte sie nicht zu bewerk­stelligen, doch Thomas, der seine Pistole weggesteckt hatte, ging neben ihr in die Knie, öffnete die Cellophanhülle, ent­nahm eines der Tücher und wischte Sarah vorsichtig durch das Gesicht. Erst um den Mund, dann um die Augen und schließlich über Nase, Wangen und Stirn. Perplex über das unerwartete Verhalten und dankbar für die Hilfe ihres Part­ners, ließ sie die fast zärtlich anmutende Prozedur über sich ergehen.

      „Bist du okay?“, fragte er und fixierte sie eindringlich.

      „Ja“, antwortete sie knapp und hauchte noch ein Danke hin­terher.

      „Gut! Wir sind nämlich noch nicht fertig!“

      Er wandte sich dem unbekannten Mann zu, tastete jetzt sei­ner­seits nach der Halsschlagader und verharrte mit ge­schlos­senen Augen. Kurz darauf sah er zu Sarah und bestätigte mit einem Kopfschütteln, dass das Opfer nunmehr wirklich tot war.

      „Reanimieren?“, flüsterte Sarah, doch Thomas` Kopfschüt­teln wurde eindringlicher.

      „Sieh dir den Blutverlust an. Und die Anzahl der Stichwun­den. Die Lunge ist sicher etliche Male perforiert. Da ist nichts mehr zu machen. Ein Wunder eigentlich, dass er es bis so lange geschafft hat.“

      Er stand auf, reichte ihr die Hand und zog sie mühelos in die Senkrechte. Dann griff er erneut zu seiner Waffe, wartete, bis Sarah die ihre aufgehoben hatte, und wandte sich der Tür zu. Doch bevor sie in den hinteren Teil vordringen konnten, meldete sich der Hundeführer in den Ohrhörern.

      „Was war da los? Was war das für ein Schrei?“

      „Alles in Ordnung“, beruhigte Sarah in gedämpftem Tonfall den draußen wartenden Kollegen. „Wir hatten einen Vor­fall der minder schweren Art.“

      Sie sah ein Schmunzeln über Thomas` Gesicht huschen und konzentrierte sich wieder auf die Tür vor sich. Unter dem Türblatt drang ein schwacher Lichtschein durch und Sarah erinnerte sich, dass sie von außen gesehen hatten, dass der Raum ein wenig beleuchtet war.

      „Eigentlich können wir reingehen, oder? Nach dem Lärm wä­re selbst Beethoven in seinen späten Jahren auf uns auf­mer­ksam geworden, meinst du nicht?“, meinte Sarah tro­cken, doch trotzdem betraten sie den nächsten Raum unter größter Vorsicht.

      Die Kammer, in der eine kleine, abgedunkelte Nacht­tisch­lampe für etwas spärliches Licht sorgte, hatte ganz offen­sichtlich als Zelle gedient. An einem metallenen Bett­gestell, das in der hin­teren linken Ecke an der Wand stand, hingen dicke, fa­seri­ge Seile, mit denen, so ließ der Anblick vermu­ten, das rot­haarige Mädchen festgebunden worden war. Da sich au­ßer dem Bett lediglich eine Kommode in dem Raum befand, und sich somit keinerlei Versteckmöglichkeit für einen Hin­terhalt bot, tastete Thomas nach einem Licht­schalter und schaltete, nachdem eine nackte Neonröhre fla­ckernd an­sprang, seine Taschenlampe. Auch Sarahs Mag­lite er­losch, bevor sie sie in die Seitentasche ihres Parkas gleiten ließ. Wortlos sahen sich die beiden um. Sarah nä­herte sich der wuchtigen, schwarzen Kommode, in deren Schat­ten sie einen Plastikabfalleimer entdeckte. Bis auf einige Papier­fetzen und einer Ansamm­lung kleiner Fläschchen war dieser leer, doch ein Blick auf die Kommode bestätigte ihr, dass es sich bei dem Inhalt der braunen Ampullen um eine medi­zinische Flüssigkeit ge­handelt ha­ben musste: Sie erkannte eine In­jektionsspritze und ein we­nig Verbands­mull sowie eine Rolle Leukoplast.

      „Er muss dem Mädchen etwas gespritzt haben“, infor­mierte Sarah ihren Partner. „Das sind die Utensilien dazu.“

      „Und zwar immer wieder“, ergänzte Thomas, der an das Bett herangetreten war. „Dort liegt ein Venenzugang mit ei­nem Stück Schlauch. Ich vermute, sie wurde auf diese Weise ruhiggestellt.“

      Noch bevor Sarah den Fund auf der zerwühlten Bettdecke in Augenschein nehmen konnte, ertönte abermals die Stim­me des ungeduldigen Hundeführers aus den Funk­geräten.

      „Ist da drin alles okay? Brauchen Sie meine Hilfe?“

      „Alles in Ordnung, wir brauchen Sie nicht“, ant­wortete dies­mal Thomas dem Kollegen.

      „Wir kommen gleich raus und überlassen das Feld der Spurensicherung. Finden Sie bitte heraus, wie die mit ei­nem Fahrzeug hierherkommen. Ich habe ein wenig die Ori­en­tierung verloren, aber vielleicht ist ja irgendein Kaff in der Nähe. Der Weg, den wir genommen haben, ist mit dem gan­zen Equipment zu weit und zu beschwerlich.“

      „In diesem Fall würde ich trotzdem gerne zu Ihnen rein­kom­­men“, tönte es zögerlich von draußen. „Da drinnen ist es be­stimmt etwas wärmer, oder?“

      Sarah und Thomas tauschten kurze Blicke, wobei es Sarahs Miene war, aus der etwas Bittendes zu lesen war, während Tho­mas ein skeptisches Stirnrunzeln offenbarte. Trotzdem lenkte er ein.

      „In Ordnung, kommen Sie durch den Vordereingang rein und bleiben Sie in dem ersten Zimmer. Legen Sie den Hund in der Nähe des Herdes ins Platz und sehen Sie zu, dass we­der er noch Sie etwas kontaminieren.“

      Ein erleichtertes Danke drang zu den beiden in den Raum und die knirschenden Schritte des Kollegen entfernten sich. Sarah und Thomas sahen sich weiter um.

      Just in dem Moment als Dr. Wiese der