Höllenteufel. Andre Rober. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andre Rober
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754176665
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schon…“

      Berner nickte.

      „Natürlich!“, sagte er in neutralem Tonfall und verließ mit den DVDs das Büro.

      Sarah startete den ersten Videoclip, der trotz der Dunkelheit in der Hütte eine erstaunlich gute Qualität aufwies. Sie sprang vorwärts, bis ungefähr zu der Stelle, an der sie des Nachts abgebrochen hatten. Auf dem Monitor konnten sie jetzt verfolgen, wie der Mann seine Maske abnahm, den Dolch mittig in den Gürtel des Gewands steckte und eine Schale nahm, die außerhalb des Bildausschnitts gestanden hatte. Erneut sprach er Verse auf Latein und Altgriechisch, hob die Schale mit aus­ge­streck­ten Armen nach oben, senkte sie bis auf Kniehöhe, be­wegte sie nach rechts und nach links, bevor er sie wieder über den Kopf hob.

      „Müssen wir das Kauderwelsch übersetzen, das er da von sich gibt?“, fragte Sarah.

      „Was würdest du sagen?“, entgegnete Thomas.

      „Von mir ein klares Nein“, antwortete sie. „Zumindest so lange nicht, bis sich eindeutig ermittlungsrelevante Gründe dafür ergeben.“

      Thomas nickte nur.

      „Gleiches gilt auch für die Choreografie. Wenn sich abzei­ch­net, dass wir es mit einer Gruppierung zu tun haben, könn­te man das einem Anthropologen vorlegen, aber im Moment halte ich das für überflüssig“, fügte Sarah ihrem Statement noch hinzu.

      „Sehr gut, so machen wir das.“ Thomas schien sehr zufrie­den mit der Antwort.

      Auch wenn sie und ihr Partner erst ein halbes Jahr zu­sam­menarbeiteten sah Sarah die Fragen, die ihr Thomas hin und wieder stellte, nicht als Tests an, sondern eher als Auf­for­de­rung, ihre eigenen Ideen und Ansätze ein­zu­bringen. An Tho­mas‘ Reaktionen hatte sie bisher immer ablesen können, dass er ihr Feedback sehr schätzte und eine unterschiedliche Mei­nung in seine eigenen Überlegungen mit einbezog.

      Auf dem Monitor hatte der Unbekannte mittlerweile sein Gebet beendet. Er tauchte Zeige- und Mittelfinger in die Scha­­­le und malte sich mit der roten Flüssigkeit, bei der es sich um Blut zu handeln schien, ein Kreuz auf die Stirn. Dann öffnete er die Kutte über der Brust und versah sein Ster­num ebenfalls mit einem roten Kreuz. Als Letztes malte er das christ­liche Symbol auf seinen Mund, stellte die Schale außer Sichtweite, zog den Dolch aus dem Gürtel und hob ihn mit beiden Händen hoch, so als wollte er sich diesen gleich in den Unterleib rammen. Doch stattdessen senkte er die Arme, den Dolch in der Rechten, bis sie seitlich in der Waag­rechten angekommen waren und er quasi die Position eines Gekreu­zigten eingenommen hatte. Nach einem lauten, lan­gen Schrei trat er rückwärts, bis er wieder in der Dunkelheit ver­schwand, danach brach der Clip ab.

      „So“, sagte Thomas. „Was sollen wir von dieser kranken Scheiße denn halten?“

      Er klickte auf die Eigenschaften der Dateien auf dem Da­ten­träger.

      „Diese Clips hat er alle gestern gemacht, als ihn später der plötzliche Tod durch seine Gefangene ereilte“, stellte Sarah fest. „Oder zumindest hat er sie an dem Tag auf DVD ge­brannt. Aber das war am Nachmittag. Immerhin verrät uns das Video etwas. Erstens ist es nachbearbeitet. Denn wir se­hen weder, wie er die Kamera startet, noch wie er sie wie­der stoppt. Er hat also, voraus­gesetzt er war allein, den An­fang und das Ende der Auf­nahme nicht auf die DVD über­spielt. Ich vermute, er empfand das als unpassend oder wi­der sei­nes Sinns für Ästhetik.“

      Sarah knetete nach ihrer Feststellung nachdenklich die Un­terlippe.

      „Und das Erscheinen und Verschwinden in der Dunkelheit muss er hinterher mittels eines Effekts eingefügt haben. Die Qua­lität der Kamera ist so gut, sie hätte selbst bei Ker­zenlicht das andere Ende des Raumes aufge­zei­chnet. Wobei wir an einem Punkt sind, der uns ja gestern schon klar war: Die wirklich wichtigen und aktuellen Aufnahmen sind auf der Kamera. Ich frage mal nach, ob die von der Technik uns die Aufnah­men schon auf einen Stick gezogen haben. Ansonsten sollen sie uns die originale SD-Karte ge­ben.“

      Er griff zum Telefon und wählte die Nummer der Kri­mi­nal­technik.

      „Hallo Friedbert. Gestern Nacht wurde unter anderem eine Kamera si­chergestellt. Habt ihr das Material, das dort drauf war, schon kopiert? ….ja, dir auch einen schönen Sonntag. Okay. Ja, ich warte.“

      „Eins muss man wirklich zugeben“, stellte Sarah fest. „Die Arbeitsmoral hier ist wirklich bemerkenswert.“

      „Vor dem Hintergrund, dass ihn seine Frau vor ein paar Wo­chen verlassen hat, kann man allerdings nachvollziehen, dass er sonntags im Büro oder Labor anzutreffen ist“, er­klär­te Thomas. „Und vergiss nicht, wir sind ja schließlich eben­falls da.“

      „Auch wieder richtig“, gab Sarah zu und verstummte, da Tho­mas auf den Hörer zeigte, um zu sagen, dass sich der Techniker wieder gemeldet hatte. Sie beugte sich vor und ak­tivierte kurzerhand den Lautsprecher.

      „Hallo Herr Kollege, hier ist Sarah Hansen, Sie sind auf laut“, informierte sie den Kriminaltechniker.

      „Hallo Frau Hansen. Ich habe mir gerade die SD-Karte ge­holt und schau mir den Inhalt auf meinem Laptop an. Mo­ment. Ah, ja. Sind nur drei Files drauf. Ich lege sie euch mal auf den Server, dann könnt ihr sie abgreifen. Habt ihr ein Verzeichnis, wo sie hinsollen?“

      Thomas nannte dem Kollegen einen Pfad.

      „Okay. Das geht ne Minute oder zwei. Kann ich sonst noch was tun?“

      Thomas sah Sarah an, die den Kopf schüttelte.

      „Nein, das wars“, sagte er. „Danke dir und schönen Sonn­tag.“

      Er legte den Hörer auf die Gabel.

      „Ich bin gespannt, was darauf zu sehen ist“, sagte Sarah, wäh­­rend Thomas immer wieder die Ansicht aktualisierte, bis drei neue Dateien in dem von ihm benannten Ordner aufge­taucht waren.

      „Die letzte Datei zuerst?“, fragte er.

      Sarah nickte

      „Na dann mal los!“

      Wie zu erwarten war das Erste, das auf dem Bildschirm zu erkennen war, das unscharfe Gesicht des Unbekannten in Na­haufnahme, der ganz offensichtlich damit beschäftigt war, die Einstellungen der soeben eingeschalteten Kamera zu überprüfen. Nach einigen Sekunden verschwand er aus dem Bild, und noch während der Bildausschnitt von dem of­fenbar jetzt hinter der Kamera befindlichen Mann ange­passt wurde, hatte man schon den Blick auf den furcht­ein­flö­ßen­den Altar. Darauf befand sich das rothaarige Mäd­chen. Ihr Kopf war leicht zur Seite geneigt, so dass man ihr Gesicht er­kennen konnte. Die Augen waren zwar nicht ge­schlossen, aber ihr Blick ging mit geweiteten Pupillen ins Lee­re. Offen­bar stand sie unter dem Einfluss eines Betäu­bungsmittels oder einer anderen Droge und befand sich in einer Art Wach­trance. Die Lederriemen, auf denen ihre Hand- und Fuß­gelenke lagen, waren nicht zugezogen. Sie trug dasselbe wei­ße Gewand, in dem sie in der Nacht auf­gegriffen wurde, nur war es zu diesem Zeitpunkt noch strah­lend sauber. Im Hin­tergrund auf dem Highboard brann­­ten etliche Kerzen unter­schiedlicher Größe. Da das Gesicht und der Körper des Mäd­chens ebenfalls gut aus­geleuchtet er­schie­nen, mussten sich auch diesseits des Al­tars neben der Kamera eine ganze Bat­terie von Kerzen befunden haben. Das leichte Flackern der Schatten auf der gegen­überliegenden Wand verriet, dass der Unbekannte auf eine Videoleuchte verzichtet hatte. Jetzt trat er ins Bild. Er trug dieselbe Kutte wie in dem Video auf der DVD und der Dolch steckte ebenfalls vorne im Gürtel. Er nahm eine Po­sition hinter dem Altar ein und stand dort zu­nächst regungs­los mit gesenktem Haupt und gefalteten Hän­den.

      „Hier wollte er später schneiden“, sagte Sarah.

      Thomas nickte kaum merklich. Er blickte voll konzentriert auf den Monitor.

      „Siehst du, dass sie nicht gefesselt ist? Die Gelenke liegen nur auf den Lederriemen“, sagte er. „Das erklärt, wie sie es überhaupt schaffen konnte, ihn während oder nach der Ze­remonie anzugreifen.“

      Er wandte die Aufmerksamkeit wieder dem Mann