Höllenteufel. Andre Rober. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andre Rober
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754176665
Скачать книгу
Zeremonie teilge­nom­men hat? Sie nach Vollzug an dem Opfer, sei es ein Tier oder ein Mensch einen Schock erlitt und verwirrt in den Wald lief?“

      „Genau diesen Gedanken hatte ich auch.“ Er sah un­ge­duldig auf die Uhr.

      „Wir brauchen dringend die Hunde und auch die Spu­ren­sicherung. Ich bin sicher, dass es einen Tatort zu finden gibt.“

      Jetzt erst wandte sich Thomas an die Beamten auf dem Fah­rer- und Beifahrersitz.

      „Haben Sie noch etwas bemerkt, was Ihnen aufgestoßen ist oder was für uns von Relevanz sein könnte?“

      Zwei übermüdete Augenpaare trafen sich, dann drehten sich beide nach hinten um und schüttelten den Kopf.

      „Nicht, dass ich mich an etwas erinnern könnte“, sagte der ältere Polizist auf dem Fahrersitz.

      „Okay, dann wären Sie beide eigentlich hier fertig. Den voll­ständigen Einsatzbericht bitte an das K11 zu meinen Hän­den.“

      Nachdem er ein verlangsamtes, fast resigniertes Nicken entgegengenommen hatte, setzte er im Laufe des Montagvor­mittags hinzu, woraufhin die Gesichter der Poli­zisten deut­lich entspannter wirkten. Sarah nahm diese ver­ständ­nisvolle Geste ihres Partners ein wenig erstaunt aber erfreut wahr, ließ Thomas doch für gewöhnlich keine Ver­zö­gerungen oder Entschuldigungen zu, wenn es um be­ruf­liche Anweisungen ging. Der Uniformierte auf dem Beifah­rersitz übergab Tho­mas, der die Tür bereits geöffnet hatte, einen wei­teren Beutel, in dem ein Stück weißer, mit Blut be­schmutzter Stoff zu se­hen war.

      „Dankeschön! Ihnen einen stressfreien Abend“, wün­schte Sarah den Beamten, nachdem ihr Kollege den Wa­gen gruß­los verlassen hatte. Sie stieg ebenfalls aus, setzte sich zurück in den ML und beobachtete das Wendemanöver des Ein­satz­fahrzeugs. Noch bevor der Wagen außer Sicht war, kün­­digte eine Komposition aus gelben und blauen Blink­lichtern die Ankunft der Hundestaffel und der Kriminal­tech­nik an. Vo­raus fuhr ein ziviler Schneepflug, den die Kollegen ir­gend­wie zu dieser nächtlichen Stun­de orga­nisiert hatten. So­fort nahm sich Thomas eine Ta­schen­lampe und das mobile Funk­gerät. Dann stieg er aus, um das städt­ische Fahrzeug und die ihm folgenden Wagen der Polizei vor der Stelle zu stoppen, an dem das Mädchen aus dem Wald aufgetaucht war. Sarah rüstete sich ebenfalls mit Walkie­Talkie und Ta­schenlampe aus und verließ den Wagen. Noch während ihr Partner den Schneepflug anwies, zu wenden und die Straße weiter frei­zuhalten, verließen zwei in Winteruniformen ge­packte Be­amte der Hundestaffel das erste Fahrzeug und gin­gen in Rich­tung der Hecktüren des Kastenwagens. Sogleich war aufgeregtes Gebell zu hören. Auch dem Wa­gen der Spu­ren­sicherung entstiegen den Witterungs­verhält­nissen ent­sprech­end gekleidete Polizisten. Thomas wandte sich an die Kollegen.

      „Guten Abend, oder besser: Guten Morgen zusammen. Wir haben folgende Situation: Dort vorne“, er wies auf die Stelle, die das Ehepaar zuvor gezeigt hatte, „ist es zu einem Bei­na­he­unfall mit einer Minderjährigen gekommen, die nur mit einem Nachthemd bekleidet und einem Messer in der Hand aus dem Wald aufgetaucht ist. Die Kleidung war mit einer ziemlichen Menge an Blut beschmutzt. Das Mädchen hat sich nicht zu dem Vorfall äußern können, aber wir vermuten in der Umgebung einen wie auch immer gearteten Tatort. Das bedeutet: Die Hunde gehen voraus, um die Spur auf­zu­neh­men. Meine Partnerin und ich folgen, um gegebenenfalls den Tatort zu sichern. Sie von der Spusi haben also noch etwas Zeit, um Ihre Ausrüstung zu packen. Wir rufen Sie, wenn wir etwas finden, das kriminaltechnisch unter­sucht werden muss. Kanal 48.“

      Er stöpselte den Kopfhörer in das Gerät und drückte sich den Lautsprecher in den Gehörgang. Dann winkte er mit dem Funkgerät und wandte sich an die Hundeführer.

      „Ich habe eine Geruchsprobe, die sowohl von dem Kind als auch von unbekanntem Blut kontaminiert ist.“

      Sarah zog die Tüte aus ihrer Tasche und zeigte sie den Be­amten.

      „Das Mädchen war wohl barfuß unterwegs. Entscheiden Sie, welcher Ihrer Vierbeiner am besten geeignet ist.“

      Die beiden sahen auf das Stück Stoff in dem Beutel, blickten einander kurz an und schienen wortlos übereingekommen zu sein.

      „Das mache ich mit Connor“, sagte der jüngere Hunde­füh­rer, ging um den Wagen herum und erschien kurz darauf mit einem Australian Shepherd Rüden. Der Ältere nahm Sarah die Tüte ab, öffnete sie und ließ den Hund die Schnau­ze hin­ein­stecken. Dieser schnüffelte, zog nach einer knappen hal­ben Minute die Nase aus der Tüte, setzte sich auf die Hin­terläufe und wartete.

      „Such!“

      Es dauerte nicht lange, bis Connor anschlug, und den Er­zäh­lungen der Zeugen zufolge musste dies die Stelle gewe­sen sein, wo das Kind das Messer hatte fallen lassen. Der Hunde­führer blickte fragend in Sarahs und Thomas` Rich­tung. Letz­terer bedeutete dem Kollegen, den Hund weiter­suchen zu lassen. Wieder vergingen keine fünf Minuten, bis der Vier­­beiner sein Herrchen schnurstracks von der Straße weg in den Wald zog.

      „In Ordnung“, meinte Sarah und schaltete die Taschen­lam­pe ein. „Dann mal los.“

      „Ohrhörer rein und Funkgerät auf VOX stellen! Ich möchte nicht, dass wir uns lautstark unterhalten müssen. Handys auf lautlos!“

      Während Sarah und der Beamte der Hundestaffel der Auf­for­derung nachkamen, kramte Thomas noch sein Smart­phone aus der Tasche, aktivierte die GPS gestützte Strecken­aufzeichnung und ließ ebenfalls die Lampe aufleuchten. Dann folgten sie Connor in kurzem Abstand ins Dickicht des Waldes.

      Auch wenn unter den hohen Tannen, um die sie der Spür­hund leitete, nicht ganz so viel Schnee lag wie auf der Straße, war es anstrengend, sich durch den Wald zu bewegen. Was von den Flocken am Boden ankam, reichte allemal aus, um die Spuren des Kindes innerhalb der letzten zwei Stunden unkenntlich zu machen. Zusammen mit dem Altschnee, der in den vorangegangenen Tagen im Süd­schwarzwald nieder­gegangen war, bildete er einen an­spruchs­vollen Untergrund für die Vierergruppe. Allein Con­nor, der mit der Schnauze den Neuschnee durchpflügte, brach nicht tief ein. Manchmal versanken die Polizisten bis zur Hüfte in der weißen Pracht und Sarah begann sich zu fragen, wie das Mäd­chen es über­haupt bis zur Straße geschafft hatte. Wahr­scheinlich, so mut­maßte sie, war das Kind wie auch der Vier­beiner einfach nicht schwer genug gewesen, um die knapp unter dem Neu­schnee liegende, angefrorene Schicht zu durchbrechen und einzusinken. Während sie sich wieder ein­mal aus einem Loch befreite und etwas zurückblieb, sah sie, wie ihr Partner und der Hunde­führer mit ihren Lampen ge­radezu ge­spens­tische Szenen heraufbeschworen. Mal mu­tierte der Schat­ten des Hundes zu einer übergroßen Bestie, die mit geöffnetem Maul alles zu verschlingen versuchte, mal wurde einer der Kollegen zu einem riesigen Troll, der von Baum zu Baum sprang, bereit, alles und jeden mit seiner gewaltigen Keule zu zer­schmet­tern! Da es selbst Sarah bei diesem Schau­spiel ein wenig mulmig wurde, war sie einer­seits froh, dass das Mädchen im Dunkel der Nacht unter­wegs gewesen war. Allerdings wurde ihr schnell gewahr, dass sie in fast abso­luter Dunkelheit von einem Baum zum nächsten ge­stol­pert sein musste, vollkommen orientierungs­los und ohne er­kenn­bares Ziel; vor Kälte zitternd, mit halber­frorenen Glied­­­ma­ßen, das Messer wie eine Art Rettungsring krampf­haft um­klammernd. Sarah schüttelte sich.

      Dann doch viel lieber so, dachte sie und beeilte sich, zu ihren Kollegen aufzuschließen.

      „Licht aus!“, zischte Thomas ohne Ton aber mit viel Druck in der Stimme, dass sowohl Sarah als auch der Hundeführer die Aufforderung gut hören konnten. Fast gleichzeitig er­lo­schen die Taschenlampen der drei Polizisten. Keiner von ih­nen regte sich! Das einzige Geräusch, das wahrzunehmen war, war das Hecheln des Hundes, welches über die Schnee­decke merkwürdig gedämpft an die Ohren drang. Nach etwa einer Minute bemerkte Sarah, dass sie begann, Konturen wahr­zunehmen. Erstaunt stellte sie fest, dass offensichtlich trotz der Dunkelheit und der Wolkendecke ein klein wenig Restlicht des Mondes den Waldboden erreichte. Jetzt erkann­te sie auch, warum ihr Partner sie aufgefordert hatte, die Lampen auszuschalten: Etwas entfernt, es mochten weitere einhundert Meter sein, war ein erleuchtetes Fensterkreuz zu erkennen, das leicht flackernd zwischen