Höllenteufel. Andre Rober. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andre Rober
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754176665
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Abend aus Kiel zurück­gekehrt. Und da sie die Woh­nung in ihrer Wahlheimat Frei­burg erst vor einem guten hal­ben Jahr bezogen hatte, war die Zeit im Norden lang ge­nug gewesen, um jetzt im schlaf­trun­kenen Zustand erst ein­mal stirnrunzelnd umher­blicken zu müssen. Doch nach wenigen Sekunden hatte sie die Ge­dan­ken sortiert, stand auf und steu­erte zielsicher die Tür zur Wohn­küche an, wo sie das Handy offensichtlich drei Stun­den zuvor vergessen hatte. Im Display sah die Polizistin die Nummer ihres Partners Tho­mas Bierman, mit dem sie, seit sie sich zur Kriminalpolizei in der Breisgaumetropole hatte versetzen lassen, zusammen­arbeitete. Dass ihr wortkarger Kol­lege um diese Uhrzeit bei ihr anrief, konnte nichts an­de­res bedeuten, als dass es einen Fall gab, bei dem ihrer beider Anwesenheit zwingend erfor­derlich war.

      „Hallo Thomas, was gibt es?“, meldete sie sich.

      „In einem Nebental zwischen Furtwangen und Titisee hat ein Ehe­paar fast ein Mädchen überfahren. Sie konn­ten aus­wei­­chen, ohne den Teenager zu verletzen, stehen aber selbst un­ter Schock. Ich bin schon auf dem Weg zu dir.“

      „Und was haben wir damit zu tun?“, fragte Sarah, steuerte jedoch bereits wieder das Schlafzimmer an, um sich der ei­sigen Nachtkälte angepasste Kleidung zusammen­zusu­chen. Denn eins war sicher: Wenn Thomas anrief, um sie abzu­holen, war die Frage der Zuständigkeit eigentlich be­langlos. Es würde triftige Gründe geben und er würde recht bald bei ihr vor der Tür stehen.

      „Es sind äußerst merkwürdige Umstände: Die Kleidung des Mädchens war mit Blut geradezu durchtränkt. Außerdem trug sie nichts außer einem weißen, ja, sagen wir Gewand und hatte obendrein ein merkwürdiges Messer bei sich.“

      Sarah hatte bereits die Merinounterwäsche hervorgeholt, stell­te das Telefon auf Lautsprecher und streifte sich die war­me Unterkleidung über. Jetzt nahm sie die Skisocken und die etwas dickere Jeans aus dem Schrank und langte auch nach ihrem wärmsten Winterpullover.

      „Hat das Mädchen irgendetwas gesagt? Ist sie an­sprech­bar?“

      Sie begann, in die Sachen zu schlüpfen.

      „Es war hochgradig unterkühlt, wurde von den Ret­tungs­sanitätern stabilisiert und ist auf dem Weg in die Kin­der­uniklinik. Wann bist du soweit?“

      „Ich brauche noch drei bis vier Minuten. Wo bist du?“

      „Ich biege gerade in deine Straße ein, stehe also gleich vor der Haustür.“

      Das hatte Sarah in etwa erwartet. Sie beeilte sich, ihr Outfit zu komplettieren, stieg in die kanadischen Winterboots und steckte sich auf die Schnelle einen Apfel in die Tasche. Auch wenn es ihr überflüssig erschien, holte sie noch ihre Dienst­waffe aus dem Möbeltresor hervor, steckte sie in den Gürtel­holster, angelte den Schlüsselbund vom Küchentisch und verließ die Woh­nung. Durch die Fenster im Treppenhaus konnte sie sehen, dass es wieder heftig schneite und sich be­reits eine mehrere Zentimeter dicke Schneeschicht auf den parkenden Autos ge­bil­det hatte. Auf der ebenfalls ver­schneiten Straße fuhr ge­rade im Moment Thomas in dem brand­neuen Mercedes ML vor und hielt direkt vor der Haus­tür. Sarah trat hinaus in die Kälte und beeilte sich, auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen.

      „Hallo“, sagte sie, schlug die Tür zu und schnallte sich an.

      „Grüß dich“, entgegnete ihr Partner und fuhr sofort los.

      „Ich habe dich“, erläuterte er, „so kurzfristig informiert, weil ich erst noch Schwarz gebeten habe, das Kind in der Klinik in Empfang zu nehmen und Spuren zu sichern, be­vor sie vernichtet werden. Außerdem habe ich die Hunde­staffel or­ganisiert. Die werden wir bei diesen Bedingun­gen dringend brauchen, denn Spuren sind inner­halb einer halben Stunde zugeschneit. Zudem musste ich die Rettungs­sanitäter dazu bewegen, ein Stück Kleidung zu entfernen, wel­ches wir als Probe für die Hunde verwenden können. Sie haben sich ziemlich geziert, aber sie haben den Streifen­polizisten ein Stückchen dagelassen.“

      Sarah war wie schon mehrfach zuvor von der Übersicht und der tadellosen Organisation Biermans beeindruckt. Den Rechts­­­mediziner Dr. Schwarz in die Klinik zu beordern und dafür zu sorgen, dass vor Ort die Spuren verfolgt werden konnten, war angesichts der unklaren Sachlage sehr vor­aus­schauend.

      „Okay“, antwortete Sarah. „Da du nur von Unterkühlung gesprochen hast, gehe ich davon aus, dass das erwähnte Blut nicht von dem Mädchen stammt?“

      „So ist es“, bestätigte Thomas. „Auf dem Messer, das die Polizisten vor Ort als merkwürdig bezeichnet haben, soll auch jede Menge Blut gewesen sein. Aber ganz offensichtlich stammt es nicht von dem Mädchen.“

      „Konnte schon festgestellt werden, ob es sich um mensch­liches Blut handelt?“

      „Nein. Aber die Skurrilität der Szenerie hat ausgereicht, dass die Streifenpolizisten es für angesagt hielten, die Kripo zu informieren. Und du kennst ja Gröber, wenn ein Fall das Potential hat, spektakulär zu werden, reißt er ihn sich unter den Nagel.“

      Sarah musste lächeln, kannte sie doch die Profilneurose des Chefs nur allzu gut.

      „Ist das Paar noch vor Ort?“, fragte sie, während Thomas in Richtung der Schnellstraße Richtung Höllental fuhr.

      „Ja, auch wenn den beiden sicherlich recht kalt sein dürfte, habe ich darauf bestanden, dass sie dortbleiben. Im Umfeld der Vorkommnisse ist das Erinnerungsvermögen besser und wer weiß, welches Detail uns später weiterhilft.“

      Trotz der fortgeschrittenen Zeit näherten sie sich einem Schneepflug, der vor ihnen die Straße freiräumte und am Heck Salz auf der Straße verteilte. Thomas schien die Ge­schwindigkeit des Räumfahrzeugs aber nicht auszurei­chen. Kurzum scherte er auf die noch schneebedeckte linke Spur und gab ordentlich Gas. Sarahs fragenden Blick von der Seite bemerkte er offensichtlich, denn er lächelte und mur­melte nur etwas von Allradantrieb und Winterreifen.

      „Wo ist das Ganze denn eigentlich passiert?“, fragte Sarah, als sie am Ende der Schnellstraße auf die rechte Spur wech­selten.

      „Gegen Ende des Höllentals müssen wir erst Richtung Furt­wangen abbiegen und dann in ein Seitental, dessen Na­men ich nicht kenne. Es führt wohl zu einem Schlossres­taurant ir­gendwo in den Tiefen des Schwarzwalds.“

      Sorge darüber, dass auch irgendwann für das SUV der Schnee zu hoch liegen konnte, hatte er offensichtlich nicht.

      Als sie die Gemeinde Kirchzarten hinter sich gelassen hatten und schon ins Höllental einfuhren, läutete Thomas` Mobilte­lefon und der Anruf sprang auf die Freisprecheinrichtung des ML. Die Nummer war beiden Polizisten bekannt.

      „Schwarz, was haben Sie für uns?“, fragte Thomas den Rechts­­­mediziner ohne jegliche Begrüßung.

      „Ich wollte Sie beide nur informieren: Die Kleine ist gerade angekommen“, informierte der Anrufer. „Sie scheint stabil, wird aber erst untersucht, ob nicht doch Verletzungen vor­liegen, die lebenserhaltende Maßnahmen erfordern. Danach kann ich mit der behandelnden Ärztin zusammen die Unter­suchungen vornehmen und Beweismaterial sichern. Sie ist sehr kooperativ.“

      „Sehr gut!“, ließ Thomas zufrieden verlauten. „Stellen Sie bit­te so schnell wie möglich fest, ob das Blut an der Klei­dung des Mädchens menschliches Blut ist. Davon hängt unsere weitere Vorgehensweise ab.“

      „Das werde ich“, versprach Schwarz. „Haben Sie sonst noch etwas, auf das ich im Besonderen achten soll?“

      Thomas wandte Sarah den Kopf zu und sah sie fragend an.

      „Fesselungsspuren werden Ihnen ja sicherlich ohnehin auf­fallen“, meinte er, fügte aber einer Intuition folgend noch eine Bitte hinzu.

      „Ist ein Tox-Screening Standardprocedere? Ich würde gerne überprüft haben, ob Sedativa oder andere Betäubungsmittel nachzuweisen sind“, fragte Sarah.

      „Werde ich an das Labor weitergeben. Und die Finger­ab­drücke sowie physiologische Daten werde ich Ihnen zu­kom­men lassen, dass Sie so schnell wie möglich bei den Vermiss­ten­meldungen