Peter Simpel. Frederick Marryat Marryat. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Frederick Marryat Marryat
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754175859
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Zweifel oder eine andere Meinung auszudrücken, und man sagte mir nachher, daß er nicht mit dem Kapitän übereinstimmte; aber er war ein zu guter Offizier und wußte, daß jetzt keine Zeit zu Erörterungen sei, um eine Bemerkung zu machen, und der Erfolg bewies, daß der Kapitän recht hatte. Endlich wandte sich das Schiff gegen den Wind und der Kapitän gab das Zeichen. Die Raaen flogen mit solchem Krachen herum, daß ich dachte, die Masten seien zerbrochen, und im nächsten Augenblick hatte der Wind die Segel gefaßt; das Schiff, welches ein paar Minuten auf ebenem Kiel gewesen war, legte sich durch seine Gewalt bis ans Schanddeck auf die Seite. Der Kapitän, welcher auf dem Wetterseiten-Hängemattengitter stand, hielt sich an der Takelung fest, befahl, das Steuerruder in der Mitte des Schiffes zu halten, sah fest auf die Segel und dann auf das Kabel, welches breit auf der Luvseite hervorkam, und hielt das Schiff ab, sich der Küste zu nähern. Endlich rief er aus: »Kabel gekappt!« Es wurden ein paar Streiche von den Äxten gehört und dann fuhr das Kabel infolge der Reibung mit heller Flamme durchs Ankertauloch und verschwand unter einer furchtbaren Welle, welche uns an den Halsenblock warf, und vorn und hinten mit Wasser überschüttete. Das Schiff hatte nun eine andere Wendung und hielt seinen Lauf wieder, während unsere Entfernung vom Lande offenbar zunahm.

      »Meine Jungen«, sagte der Kapitän zu der Schiffsmannschaft, »ihr habt euch gut gehalten, ich danke euch, allein ich muß auch ehrlich bekennen, daß wir noch mehr Schwierigkeiten durchzumachen haben. Wir müssen in dieser Richtung eine Spitze der Bai umsegeln, Herr Falkon, splissen Sie die große Brasse und rufen Sie die Wache. Wie steht der Schnabel, Quartiermeister?«

      »Südwest bei Süd, südlich, Sir.«

      »Sehr wohl; laßt ihn durchs Wasser gehen.«

      Mit diesen Worten ging der Kapitän, indem er dem Schiffsmeister winkte, ihm zu folgen, in die Kajütte hinab. Da die augenblickliche Gefahr vorbei war, begab ich mich ebenfalls in die Kajütte, um zu sehen, ob ich nicht etwas zum Frühstück erhalten könnte, und fand daselbst O'Brien mit einigen andern.

      »Bei Gott, es war ein so hübsches Ding, wie ich je eines ausführen sah«, bemerkte O'Brien; »das geringste Versehen in der Zeit oder Behandlung – und die Plattfische würden jetzt an unsern häßlichen Leichnamen nagen. Peter, mein Junge, bist Du Liebhaber von Plattfisch? Danken wir dem Himmel und dem Kapitän, das kann ich euch sagen, meine Jungen; aber wo ist die Karte, Robinson? Reich mir das Parallellineal und den Zirkel, Peter; sie liegen in der Ecke des Simses. Wir sind nun verteufelt nahe an dieser höllischen Spitze. Wer weiß, wie die Richtung ist?«

      »Ich, O'Brien; ich hörte den Quartiermeister zum Kapitän sagen, Südwest bei Süd, südlich.«

      »Laß mich sehen«, fuhr O'Brien fort, »Abweichung 2¼ Strich Leeseite, zu viel angenommen, fürchte ich; doch will ich ihm 2½ Strich geben. Die Diomede würde erröten, unter allen Umständen mehr als diese zu machen. Den Zirkel her, ich will sehen;« und damit rückte O'Brien das Parallellineal von dem Zirkel an die Stelle, wo das Schiff auf der Karte verzeichnet war; »potz tausend, ich hoffe, es ist so viel, als es thun kann, wenn es in dieser Richtung die andere Spitze umsegelt, und dies meinte der Kapitän damit, als er sagte, wir hätten noch mehr Schwierigkeiten zu überwinden. Ich könnte einen Eid auf die Bibel schwören, daß wir ganz aus der Klemme sein werden, wenn der Wind hält.«

      »Sieh nach der Entfernung, O'Brien«, sagte Robinson.

      Man maß und fand sie dreizehn Meilen.

      »Nur dreizehn Meilen; wenn wir herumkommen, haben wir gewonnen; denn die Bai ist weiter draußen tief, 's ist eine Felsenspitze, wie ihr gerade bei der Abweichung seht. Nun, meine Jungen, ich habe immerhin noch eine Art Trost für euch. Ihr werdet nicht lang im Ungewissen sein: denn um ein Uhr Mittags werdet ihr entweder einander wegen eures guten Glücks gratulieren, oder es wird Matthäus am letzten sein. Kommt, rollt die Karte auf, ich hasse den melancholischen Anblick; Proviantmeister, seht, was Ihr zur Stärkung finden könnt.«

      Etwas Brot und Käse mit den Überresten des gekochten Schweinefleisches von gestern wurde aufgetischt nebst einer Flasche Rum, eigens dazu aufbewahrt, »einen auf die Lampe zu gießen«; allein wir fühlten uns nicht sehr zum Essen aufgelegt; einer nach dem andern kehrte aufs Verdeck zurück, um nach dem Wetter zu sehen, und ob der Wind uns günstig sei. Auf dem Verdecke besprachen sich die höheren Offiziere mit dem Kapitän, der dieselbe Besorgnis ausgedrückt hatte, welche O'Brien in der Kajütte äußerte. Die Matrosen, welche wohl wußten, was sie zu erwarten hatten, traten haufenweise zusammen, ernsten Blickes, ohne jedoch die Zuversicht zu verlieren. Sie wußten, daß sie auf den Kapitän vertrauen konnten, soweit als Einsicht und Mut ihnen helfen konnte, und Seeleute sind zu sanguinisch, um selbst im letzten Augenblicke zu verzweifeln. Was mich betrifft, so fühlte ich nach dem, wovon ich diesen Morgen Zeuge gewesen, solche Bewunderung für den Kapitän, daß, als mich der Gedanke beschlich, ich werde sehr wahrscheinlich in einigen Stunden verloren sein, ich mir trotzdem eingestehen mußte, der Verlust eines solchen Mannes sei für sein Vaterland viel trauriger. Ich will damit nicht sagen, daß mich dieser Gedanke tröstete, aber er trug gewiß dazu bei, daß ich das Unglück, womit wir bedroht waren, noch mehr bedauerte.

      Vor dem Schlag zwölf Uhr war die Felsenspitze, welche wir so sehr fürchteten, breit auf der Leeseite sichtbar; wenn nun schon die niedrige Sandküste furchtbar erschien, um wie viel mehr diese, selbst in der Entfernung! Schwarze Felsmassen waren mit Schaum bedeckt, welcher jede Minute höher spritzte als die Spitzen unserer niedrigen Masten. Der Kapitän betrachtete einige Minuten in stillschweigender Überlegung dieses Schauspiel.

      »Herr Falkon,« sagte er endlich, »wir müssen das Hauptsegel aufziehen.«

      »Die Fregatte kann es nicht tragen, Sir.«

      »Sie muß es tragen,« war die Antwort. »Schicken Sie die Mannschaft nach hinten zu dem großen Segel, und sehen Sie, daß die Leute die Bauchgurten sorgfältig bedienen.«

      Das Hauptsegel wurde aufgezogen, und die Wirkung desselben auf das Schiff war furchtbar. Es legte sich so sehr über, daß seine Leerusten unter Wasser gingen; wenn eine Woge darauf fiel, wurde die Leeseite des Hinterdecks und der Gang überflutet. Das Schiff gemahnte mich an ein feuriges Roß, welches durch den angelegten Sporn wild geworden ist; es erhob sich nicht wie früher, sondern erzwang sich seinen Weg mitten durch die Wogen, und zerteilte die Wellen, welche in beständigem Strom vom Vorderkastell auf das Verdeck herabstürzten. Vier Männer wurden an das Rad befestigt, die Matrosen mußten sich anklammern, um nicht weggeschwemmt zu werden, die Taue wurden in Verwirrung leewärts geschleudert. – Die Kugeln rollten aus ihren Behältern hervor, und aller Augen waren auf die Masten geheftet, welche jeden Augenblick über Bord geworfen werden konnten. Eine schwere Welle legte uns auf die Batterieseite. Es stand einige Minuten an, bis das Schiff sich wieder zu erholen schien; es schwankte, zitterte, und hielt seinen Lauf inne, als ob es betäubt wäre. Der erste Leutnant sah den Kapitän an, als ob er sagen wollte: das wird nicht gehen.

      »Es ist unser einziges Rettungsmittel,« antwortete der Kapitän auf die Mahnung.

      Daß das Schiff schneller durch das Wasser ging, und einen besseren Wind hielt, war gewiß, aber gerade, bevor wir an die Spitze kamen, nahm die Gewalt des Sturmes zu.

      »Wenn etwas bricht, sind wir verloren, Sir,« bemerkte der erste Leutnant wieder.

      »Ich bin vollkommen davon überzeugt,« erwiderte der Kapitän in ruhigem Tone, »aber wie ich vorhin sagte, und Sie nun einsehen müssen, es ist unsere einzige Rettung. Die Folge einer Sorglosigkeit oder Nachlässigkeit beim Ansetzen und Befestigen des Takelwerks wird sich nun fühlbar machen, und wenn wir aus dieser Gefahr entrinnen, dürfen wir nie vergessen, wie viel wir zu verantworten haben, wenn wir unseren Dienst vernachlässigen. Das Leben einer ganzen Schiffsmannschaft kann durch die Nachlässigkeit oder Unfähigkeit eines Offiziers im Hafen geopfert werden. Ich muß Ihnen das Kompliment machen, Falkon, daß ich überzeugt bin, die Masten des Schiffes sind so fest, als Einsicht und Sorgfalt sie nur machen konnten.«

      Der erste Leutnant dankte dem Kapitän für seine gute Meinung, und hoffte, es werde nicht das letzte Kompliment sein.

      »Ich hoffe auch nicht, aber in ein paar Minuten wird es entschieden sein.«

      Das