Lady Hamilton. Alexandre Dumas. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alexandre Dumas
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754175682
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– »Wie willst du, daß ich in meinem Alter allein nach London reise?« – »O, wenn es dir bloß an einer Reisegefährtin fehlt, so bin ich ja da.« – Ich sah sie an. »Sprichst du im Ernste?« fragte ich sie. – »In vollem Ernste.« – »Aber man braucht viel Geld, um nach London zu gehen.« – »Nein, im Gegenteile, es kostet nicht viel. Man kann für ein Pfund hingelangen. Ich habe mich in Chester schon erkundigt. Für ein Pfund bekommt man einen Platz im Innern der Personenpost; wir nehmen zwei Plätze für zwei Pfund und in drei Tagen sind wir in London.« – »Aber deine Mutter?« – »Meine Mutter?« wiederholte Amy, den Mund verziehend. »Mit dieser bin ich, seitdem ich den Pachthof verlassen, nicht recht einig.« – »Dann bist du also nicht mehr bei Mistreß Rivers?« – So hieß die Pächterin, bei welcher Amy früher diente. »Nein. Es wird am besten sein, wenn ich dir sogleich alles sage. Denke dir, daß ihr Sohn Charles, welcher Midshipman ist, sie besuchte und während seines Aufenthalts bei seiner Mutter mir den Hof machte. Ich fand Charles sehr hübsch und ließ mir seine Aufmerksamkeiten gefallen. Seine Mutter nahm das übel und jagte mich fort. Charles glaubte, er sei mir für den Dienst, um welchen er mich gebracht, eine Entschädigung schuldig und ehe er sich wieder auf sein Schiff begab, schenkte er mir fünfzehn Pfund. Fünf davon habe ich ausgegeben, um mir Kleider zu kaufen, deren ich sehr bedurfte. Folglich habe ich noch zehn. Willst du mit mir nach London kommen? Ich gebe dir fünf davon. O, du wirst mir sie schon wieder geben, dies soll mir durchaus keine Sorge machen.«

      »Ich danke dir, Amy,« antwortete ich. »Ich bin aber beinahe eben so reich als du. Ich habe sieben Pfund im Vermögen.« – »Du hast sieben Pfund und ich habe deren zehn! Dann haben mir also zusammen siebzehn Pfund. Damit können wir ja eine Reise um die Welt machen, abgesehen davon, daß Charles sich an Bord eines Admiralschiffes befindet.« – »O,« sagte ich zu ihr. »wenn ich gewiß wüßte –«

      »Was denn?« fragte Amy. – »Ob die Dame, welche mir ihre Adresse gegeben, wieder nach London zurückgekehrt ist.« – »Eine Dame hat dir ihre Adresse gegeben?« – »Ja.« – »Und sie wohnte in London?« – »Ja.« – »Und zu welchem Zweck hat sie dir ihre Adresse gegeben?« – »Ich soll Gesellschafterin bei ihr werden. Sie bietet mir zehn Pfund monatlich. – »Zehn Pfund monatlich und du zögerst noch!« – »Ich habe dir ja schon gesagt, daß ich sie vor kaum vierzehn Tagen am Meeresstrande, nicht weit von Mr. Hawardens Hause sah.« – »Wo wohnte sie denn hier?« – »Ich hörte, daß sie von Park Gate sprachen.« – »Sie sprachen? Dann war sie also nicht allein?« – »Nein, sie war von einem Maler begleitet, welcher seinerseits sich erbot, mir allemal, wenn ich ihm eine Stunde Modell stünde, fünf Pfund zu geben.« – »Wie! Du hast eine Dame gefunden, welche dir zehn Pfund monatlich bietet, wenn du ihre Gesellschafterin sein willst, und einen Maler, welcher dir fünf Pfund für die Sitzung bietet, und du hast dies alles zurückgewiesen! Wenn du katholisch wärest, so würde ich vermuten, daß du einmal nach dem Tode heiliggesprochen sein wolltest. Laß' uns unverweilt aufbrechen, Emma. Du wirst erst dein Glück und dann das meinige machen.« – »Wenn es nur möglich wäre zu erfahren, ob sie noch in Park Gate, oder ob sie wieder abgereist sind.« – »Nichts leichter als dies.« – »Wieso?« – »Nun, haben wir nicht Dick, der auch gern nach London gehen möchte, und den wir, da wir reich sind, mit in den Kauf nehmen werden? Welchen Tag gehst du mit deiner Herrschaft auf's Land?« – »Alle Sonntage.« – »Nenne mir die Namen deines Malers und deiner Dame.« – »Der Maler heißt Mr. Romney, die Dame Miß Arabella.« – »Mr. Romney – Miß Arabella – und im Park Gate nachfragen, ob sie noch da sind? Sei unbesorgt, ich werde nichts vergessen; Sonnabend abends reise ich mit Dick nach Chester. Sonntag zehn Uhr morgens werde ich am Meerestrande spazieren gehen, dort werden wir uns treffen und ich gebe dir Antwort.« – »Aber du wirft Dick um seinen Dienst als Schafhirt bringen.« – »O, Dick hütet die Schafe schon längst nicht mehr.« – »Was macht er denn?« – »Das weiß ich selbst nicht recht. Wahrscheinlich treibt er ein wenig Schmuggelhandel.«

      »Ach, mein Gott, die Schmuggler kommen ja auf die Galeeren! « – »Ja, wenn man sie ertappt. Dick aber ist schlau und läßt sich nicht erwischen. Da er jedoch anfängt an unserer Küste sehr bekannt zu werden, so wäre es ihm nicht unlieb, ein wenig anderswohin zu können. Also Sonntag?« – »Ja, Sonntag! aber versprechen kann ich dir nichts.« – »Wer verlangt denn, daß du etwas versprechen sollst? Wenn wir dort sind, werden wir sehen. Auf alle Fälle vergiß weder dein Geld noch deinen Koffer.«

      Und Amy entfernte sich mit sorglosem, leichtem Tritte, welcher bewies, daß sie, was sie selbst betraf, mit sich vollkommen einig war. Ich blieb einen Augenblick unbeweglich und gedankenvoll noch auf derselben Stelle stehen; dann entfernte ich mich ebenfalls nachdem ich noch einen letzten Blick in den großen Spiegel geworfen. Unglücklicherweise gab mir der Spiegel denselben Rat wie Amy Strong.

      5. Kapitel.

      Am nächstfolgenden Sonntage gingen wir wie gewöhnlich und zu derselben Stunde wie am Sonnabende vorher auf's Land. Das Pferd erhielt die drei gewohnten Peitschenhiebe und nach Verlauf von zwei Stunden zehn Minuten stiegen wir aus. Ich hatte Amy's Ratschläge nicht vergessen. Ich hatte meine sieben Pfund mitgenommen, zu welchen mittlerweile noch die zwölf Schillinge gekommen waren, welche Mr. Thomas Hawarden mir am Tage vorher ausgezahlt. Nur bedurfte ich nicht eines Koffers, um meine Garderobe zu verwahren, sondern eine mit den vier Zipfeln zusammengebundene Serviette genügte vollkommen. – Es wäre schwierig, die Gefühle auszudrücken, welche in mir erwachten, als ich das Haus betrat, welches ich jetzt vielleicht zum letzten Male wiedersah, wo ich wahrscheinlich meine letzte Nacht verbrachte, um mich dann in der folgenden als Flüchtling davon zu entfernen, ohne zu wissen, wohin ich ginge und in welche neue und unbekannte Welt ich mich unter der Obhut jener launenhaften Gottheit hineinwagte, welche man den Zufall nennt. Ich überlegte für den Fall, daß meine Flucht fest beschlossen wäre, worin die Hindernisse bestünden, die ich zu überwinden haben würde. Unglücklicherweise waren dieselben nicht von der Art, daß ein so überspannter Kopf wie der meinige dadurch hätte aufgehalten werden können. Die Kinderstube, welche auch zugleich mein Zimmer war, befand sich im Erdgeschosse und ging in den Garten. Die Tür des Gartens führte auf den Strand und auf diesem Strande konnten Amy und Dick, welche ihrerseits keiner Überwachung unterworfen waren, mich erwarten. Am nächstfolgenden Tage zu der verabredeten Stunde war ich mit am Strande. Dick und Amy erwarteten mich gerade an der Stelle, wo ich einen Monat vorher Mr. Romney und Miß Arabella begegnet war. Sie hatten, wie ich nun hörte, Park Gate schon vor drei Wochen verlassen. Wohin sie gereist waren, konnte man nicht sagen; da sie sich aber nach Chester hatten fahren lassen, so stand mit Wahrscheinlichkeit zu vermuten, daß sie nach London gegangen waren.

      Amy war der Meinung, daß wir auf alle Fälle abreisen müßten. Es war dies auch die Meinung Dicks, dem noch mehr als seiner Schwester daran zu liegen schien, sich von der irischen Küste so bald als möglich zu entfernen. Da sonach von drei Stimmen zwei sich für die Abreise erklärten, so trug die Majorität den Sieg davon. Die Personenpost ging am nächstfolgenden Tage früh sechs Uhr ab und Amy war so vorsichtig gewesen, unsere zwei Plätze im Inneren und den ihres Bruders auf dem Dache zu bestellen. Um Mitternacht – eher fortzukommen war mir unmöglich – sollten Amy und ihr Bruder an der Tür des Gartens sein. Ein Boot sollte uns erwarten und uns nach Chester bringen, wo wir wenigstens eine Stunde vor Abgang der Personenpost anlangen mußten. Nachdem diese Verabredung getroffen war, entfernten sich Amy und Dick. Der Tag verging mit seiner gewöhnlichen Regelmäßigkeit. Ich habe oft bemerkt, daß nichts schneller vergeht als die regelmäßigen Tage oder vielmehr, wenn sie einmal vorbei sind, nichts schneller zu sein scheint, weil, da sie durch kein hervorragendes Ereignis bezeichnet werden und nur unbestimmte Erinnerungen zurücklassen, diese Erinnerungen in der grauen, monotonen Färbung eines Lebens ohne Freude und ohne Schmerzen sich vermischen.

      Der Abend kam. Man brachte die Kinder zur gewohnten Stunde zu Bett. Ich aß mit Mr. und Mistreß Hawarden zu Abend und kehrte dann Schlag zehn Uhr in mein Zimmer zurück. Ich hatte die Vorsicht gebraucht, mir vorher Feder, Tinte und Papier hineinzutragen, denn ich hatte zwei Briefe zu schreiben, den einen an Mr. Hawarden, den andern an meine Mutter. Ich schrieb an Mr. Hawarden, um ihm für die Güte zu danken, die er mir bewiesen, und um ihm zu sagen, daß ich niemals das Jahr vergessen würde, welches ich so glücklich gewesen, in seinem Hause