Lady Hamilton. Alexandre Dumas. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alexandre Dumas
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754175682
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der Hut, nicht einmal das Kleid, nicht einmal das Hemd, welches Sie auf dem Leibe tragen, während Sie auf dem Trottoir von Haymarket hin- und herwandeln. Dort, bei mir, werden Sie von heute an wieder Ihre entschwundene Größe aufbauen, von welcher Ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach nichts geblieben ist als der Ring, welchen Sie am Finger tragen. Sie scheuen sich wohl, vor den Blicken der Zuschauer sich im Zustand der Nacktheit zu zeigen? Dies wurde ich begreifen, wenn Sie nicht so entzückend schön wären. »Die Scham,« sagt ein mir befreundeter Philosoph, »ist weiter nichts als das Gefühl einer Unvollkommenheit.« Sehen Sie doch die Tänzerin des großen Theaters. Ist sie unter ihrem Trikot und ihrem Tüllkleid bekleideter, als Sie unter Ihrem Gazeschleier hinter dem Geländer sein werden, welches verhindern wird, daß man in Ihre unmittelbare Nähe gelange? Es liegt, glauben Sie mir dies, in der Schönheit eine ehrfurchtgebietende Majestät und die bis zur Begeisterung gesteigerte Bewunderung schließt die Begierde aus. Urteilen Sie hierüber nach mir selbst. Ich sah Sie, als Sie aus dem Bade kamen, nicht wahr? Sie befinden sich hier in einem Hause, wo man bloß zu wünschen braucht, um zu besitzen. Was habe ich aber getan, nachdem ich Sie gesehen? Bin ich vielleicht ohne weiteres gekommen, um Ihnen zu sagen: ›Ich finde Sie nach meinem Geschmack; Sie müssen mir gehören?‹ – Nein, ich komme vielmehr, um ehrerbietig und das Knie vor Ihnen beugend zu sagen: ›Königin der Schönheit, wollen Sie, daß ich Ihnen einen Altar errichte?‹ Sie sprachen von jenen jungen Mädchen in Sparta und Athen, welche als einfache Sterbliche jede ihren Anteil zu der göttlichen Schönheit lieferten. Zögerten sie wohl, sich dem großen Künstler, der sie in der Gegenwart vergötterte und in der Nachwelt berühmt machte, nackt zu zeigen? Nein, mit Stolz und Freude warfen diese Mädchen selbst den letzten Schleier weg und suchten ihre geheimsten Schönheiten geltend zu machen. Als die Kurtisane Mnesarete wegen Ruchlosigkeit gegen die Götter in Athen verurteilt werden sollte, was tat ihr Verteidiger Hyperides? Er löste ihren Gürtel und ließ ihre Tunika fallen, so daß er sie auf diese Weise zwang, unvermutet und plötzlich ihren Richtern in ihrer niederschmetternden Schönheit zu erscheinen, und der Areopag erklärte sie hierauf nicht bloß für unschuldig, sondern sank auch auf die Knie nieder. Wohlan, auch für Sie gilt es jetzt, entweder zu ewiger Schmach verurteilt oder zur Königin gekrönt zu werden. Es liegt, glauben Sie mir, mehr Keuschheit darin, wenn man seine Tunika einmal täglich vor zweihundert Personen fallen läßt, als wenn man zehnmal täglich unter vier Augen mit dem ersten besten den Gürtel löst. Ich verlasse Sie jetzt, überlegen Sie sich, was ich gesagt habe. Ich bin von der Richtigkeit Ihrer Ansichten so überzeugt, daß ich nur an Sie selbst appelliere, und Ihres Zartgefühls so sicher, daß ich Ihnen das Honorar für fünfzehn Abende, zu fünfundzwanzig Pfund jeder, das heißt dreihundertundfünfundsiebzig Guineen hier lasse. Wenn Sie meine Anträge ablehnen, so werden Sie mir diese dreihundertfünfundsiebzig Guineen zurücksenden, und ich werde dann wissen, was dies zu sagen hat. Wenn ich bis übermorgen nichts empfange, so werde ich Sie dann in meinem Wagen abholen. Berechnen Sie, was fünfundzwanzig Guineen täglich ein Jahr lang oder auch nur sechs Monate, oder auch nur drei Monate ausmachen – zweitausendzweihundertfünfzig Pfund Sterling, beinahe ein Vermögen. Bedenken Sie, daß ich für diese ungeheure Summe von Ihnen weiter nichts verlange, als eine Stunde täglich, eine Stunde, während welcher Sie keine Gebärde zu machen und kein Wort zu sprechen brauchen, während welcher Sie die Augen schließen und zu schlafen scheinen, ja, wenn es sein muß, wirklich in magnetischem Schlafe befangen sein können. Ihr Gesicht wird mit einem Schleier bedeckt sein, der dicht genug ist, damit niemand, wenn er Ihnen den nächstfolgenden Tag begegnet, sagen könne: ›Dies ist die prachtvolle Statue, welche ich gestern gesehen.‹ Und nun, Miß Heart, reichen Sie mir Ihre schöne Hand zum Kusse. Ich entferne mich und ich hoffe.«

      Und indem Doktor Graham auf meinem Tische vier Rollen, drei jede zu hundert und eine von fünfundsiebzig Guineen zurückließ, küßte er mir ehrerbietig die Hand, verneigte sich und verließ das Zimmer. Ich blieb erst stumm und beinahe unbeweglich sitzen. Meine einzige Bewegung bestand darin, daß ich dem Doktor mit den Augen folgte, bis die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte. Auf alles, was er mir gesagt, hatte ich kein Wort der Entgegnung gefunden, in meinem Gemüt aber fand ein gewaltiger Kampf statt. Die Gastfreundschaft, welche ich empfangen und die sich durch Mangel, Not, Obdachlosigkeit und Hunger bis zu einem gewissen Grade erklären ließ, war unerträglich. Wenn ich nur drei Tage lang davon Gebrauch machte und mich in die Folgen davon fügte, so ward mein ganzes Leben dadurch befleckt und hatte nicht einmal die Entschuldigung eines Gewinnes, der mit dem Opfer im Verhältnis gestanden hätte. Bei dem Doktor dagegen war, wie er gesagt hatte, die Nacktheit der Bildsäule durch den Schleier des Reichtums bedeckt. Ich spielte die Rolle der Danae, aber mit dem goldenen Regen, der in dieser Welt so vieles abwäscht. Auf der einen Seite handelte es sich um Entwürdigung, auf der andern nur um Keckheit. Ich streckte die Hand aus. Ich nahm die vier Rollen eine nach der andern in die Hand; ich öffnete sie, ich ließ die Guineen in meinen Schoß fallen, ich wühlte mit den Händen in diesem Gold, ich ließ es in klirrenden Kaskaden aus den Händen wieder in meinen Schoß herabregnen, bis ich davon geblendet war. Ich sagte mir, daß es bloß auf mich ankäme, zehn-, zwanzig-, ja hundertmal so viel zu haben, daß ja, da mein Gesicht verhüllt bleibe, mich niemand erröten machen könne, wenn er mich später wiedersähe. Ich sagte mir mit einem Worte alles, was der Stolz und die Notwendigkeit dem bedrängten wankenden Herzen eines menschlichen Wesens einflüstern können, welchem die Natur Instinkte eingepflanzt, gegen welche die Gesellschaft Gesetze gegeben und welches jung, schön, intelligent, vor Mangel und Hunger keine andere Zuflucht hat als die Prostitution. Das Ergebnis aller dieser Betrachtungen bestand darin, daß ich die dreihundertfünfundsiebzig Pfund Sterling dem Doktor Graham nicht zurückschickte. Am dritten Tage kam er demgemäß gegen elf Uhr morgens, wie er versprochen, um mich in seinem Wagen abzuholen. Noch denselben Abend lag ich, das Gesicht mit einem dichten Schleier und den Körper mit einem durchsichtigen Schleier bedeckt, in dem magnetischen Schlafe, den ich gegen mein empörtes Schamgefühl zu Hilfe gerufen, auf dem Apollobette und diente dem Doktor Graham als Subjekt bei seinen megalantyropogenetischen Demonstrationen.

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