Die neun. Zbigniew Georg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Zbigniew Georg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754916834
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Wir hoffen auf ihn, aber er kann sich auch ganz anders als geplant entwickeln. Auch wenn er mein Klon ist, so hat er doch seinen eigenen, vom Göttlichen gegebenen Willen, und der kann sich von meinem ganz erheblich unterscheiden.“ Qori schickt ihr ein schiefes Grinsen. „Das hoffe ich jedenfalls.“

      Lachend schiebt Pria ihn von sich, nur um ihn gleich wieder zu sich zu ziehen. „Ich hoffe nur, er hat nicht deinen Galgenhumor geerbt!“

      „Nein“, schmunzelt Qori, „der ist hart erarbeitet.“

      Pria bleibt stehen und zieht ihn zu sich. Ihre Lippen suchen die seinen auf dem menschenleeren Gang.

      Doch die Stille wird unterbrochen von einem lauten Knall aus einer der Türen im abzweigenden Nebengang.

      Erschrocken fahren die Zwei auseinander.

      „Was war das?“ Pria blickt sich aufgeregt um. „Dort! Im Labor! Oh nein!“

      „Komm!“ Qori greift nach ihrer Hand und rennt zum Labor.

      Türen öffnen sich, erschreckte, verschlafene Mitarbeiter schauen auf den Gang. Sie begreifen und eilen ebenfalls zum Labor, verstopfen den Gang.

      Die Tür ist halb aus den Angeln gerissen. Scherben bedecken den Boden. Das Metall der Tische und Schränke zerfetzt wie Aluminiumfolie. Ätzende Gase steigen ihnen in die Nasen, zwingen sie zum Husten.

      Die Menge verharrt vor der Tür.

      Qori drängt sich durch die Gaffer. Zwischen den Trümmern liegt Bernard, Prias Assistent. Die Augen weit aufgerissen, kaum noch Leben in ihnen. Der Körper blutend aus unzähligen Wunden, gerissen von den umherfliegenden Splittern.

      Pria eilt an Qoris Seite, der bereits neben dem Verletzten am Boden kniet. Ihr reicht ein Blick, um zu wissen, das spärliche Antworten alles sind, was das Leben in Bernard noch zu geben bereit ist.

      „Bernard! Was ist passiert? Was ist denn nur passiert?“ Doch nur ein leises Stöhnen antwortet ihr.

      „Halte seinen Kopf!“, verlangt Qori, während er ihm Kittel und Hemd aufreißt.

      „Es ist zu spät, Qori“, flüstert sie erstickt. „Wir können ihm nicht mehr helfen. Er stirbt ...“

      „Es ist niemals zu spät, solange noch Leben in ihm ist!“ Qori zieht einzelne Splitter aus den Wunden.

      Pria zieht seine Hände zurück. „Du machst es nur noch schlimmer.“ Ihr Blick gleitet an ihm vorbei. „Holt die Sanitäter!“

      Pria schreit es den Starren an der Tür zu.

      Noch nie gab es einen derartigen Unfall. Sie sind zwar für den Ernstfall ausgebildet, aber sie haben nie damit gerechnet. Sie wissen nicht zu handeln. Sie stehen nur da. Unfähig zu erkennen. Zu reagieren.

      Einer löst sich schließlich zögernd aus ihrer Mitte. Seine lauten Schritte durchdringen die tödliche Stille und verheißen Hoffnung für den Verletzten.

      Qori blickt auf den zerfetzten Oberkörper des Mannes. Helles Blut pulsiert in Strömen über die nackte Haut. Ein letztes Zucken geht durch den Körper, dann fließt das Blut nur noch wie ein Rinnsal, der Kraft des treibenden Herzschlages beraubt.

      „Ich kann ihm nicht mehr helfen! Tu du etwas, Qori, bitte!“, flüstert Pria eindringlich. „Lass ihn bitte nicht sterben!“

      „Ich - ich kann nicht ...“ Qoris Blick wandert ins Leere.

      „Doch, du kannst! Ich weiß, dass du es kannst! Bitte, Qori! Bitte!“ Sie sucht und findet seinen Blick.

      Qori kann sich ihrem Flehen darin nicht entziehen. Er atmet tief durch und schließt die Augen. „Also gut. Aber bring die Leute hier raus!“

      Pria springt auf und schiebt die Menge energisch aus der Tür. „Macht Platz, Leute, verschwindet! Geht wieder in eure Quartiere! Nun geht schon! Ihr könnt hier nicht mehr helfen! Geht!“

      Widerwillig setzt sich die Menge in Bewegung.

      Pria bleibt in der Türzarge stehen, den Blick auf Qoris Rücken gerichtet. Seine Hände liegen auf dem Brustkorb des Verletzten, seine Haltung spannt sich. Leise Worte einer unverständlichen Sprache vor sich hinmurmelnd, spürt auch Pria die starken Energieströme, die von ihm ausgehen.

      Der Körper unter seinen Händen zuckt und bebt. Das Leben will aus ihm entweichen. Qori lässt es nicht zu. Er verschließt die Aura des Sterbenden und gibt der Seele keinen Raum zur Flucht.

      „Nein, deine Zeit hier ist noch nicht vorbei“, flüstert er zu der fremden Seele in der Sprache, die nur sie beide verstehen. „Wir brauchen dich noch. Bleib und führe dein Leben zu Ende, wie es von Anfang an geplant war!“

      Wer bist du, dass du zu wissen glaubst, wie der Große Plan aussieht?, hört er das Wispern der gequälten Seele.

      „Ich befehle dir – geh zurück!“ Qoris Finger verkrampfen sich unter der aus ihm hervorbrechenden Energie und versetzen dem aussetzenden Herzen unter ihnen einen kräftigen Schlag, der es zurück ins Leben holt. „Du kannst ihn nicht verlassen, solange sein

      Herz dich noch bindet!“

      Nur er hört das gepeinigte Seufzen der Seele, die keine Wahl hat und dem Ruf des schlagenden Herzens folgen muss. Zurück in den vor Schmerz schreienden Körper.

      Qori bricht erschöpft zusammen, als die Sanitäter endlich da sind und sich des Verletzten annehmen.

      Pria zieht ihn an den Handgelenken sanft mit sich, dreht seine Hände um. „Meine Güte – das sind Brandblasen!“

      Qori zieht sie mit sich aus dem Trümmerfeld ihrer Hoffnung.

      „Alles vorbei ...“ Seine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. Gebrochen. Entsetzt.

      Gescheitert. Ein letztes Mal. Vorbei. Endgültig. Alles umsonst ...

      Pria wischt vorsichtig das Blut von seinen Händen. Schnelle, geschickte Finger, die wissen, was sie tun, versorgen die Brandwunden. Ihre Hände zittern nicht, aber ihre Stimme. „Wie konnte das nur geschehen?“

      Teilnahmslos lässt Qori ihre Fürsorge über sich ergehen.„Ich weiß es nicht. Aber es war der Göttliche Wille. Wir wurden zu anmaßend. Wir haben geglaubt, einfach so in seinem Namen handeln zu dürfen! Statt Leben zu retten – statt Leben zu erschaffen! - haben wir heute fast

      eines getötet!“

      Qori springt auf. Nichts hält ihn mehr auf diesem Stuhl. Genauso wenig wie an diesem Platz. Er muss hier raus! Er braucht Luft zum Atmen!

      „Qori – beruhige dich bitte!“ Pria stellt sich ihm in den Weg. „Nichts ist verloren! Bitte glaube mir! Wir ...“

      „Nein, Pria!“ Zornig packt er sie an den Armen. „Nein! Es ist vorbei! Endgültig vorbei! Es gibt keinen neuen Versuch mehr! Ich stehe nicht mehr zur Verfügung!“

      Qori schubst sie beiseite und stürmt zur Tür des Versorgungsraumes.

      Pria fängt den Sturz gerade noch ab. „Qori! Es geht ihm gut! Ihm ist nichts geschehen! Er war nicht mehr im Labor!“

      Wie erstarrt dreht er sich zu ihr um. „Was sagst du da?“

      „Er war nicht im Labor.“ Pria versucht ein Lächeln. „Ich dachte heute Nachmittag an deine Worte. In Liebe gezeugt. Ich wollte ihn in einer liebevolleren Umgebung sehen. Nicht in der Sterilität des Labors.“

      Sein Blick verrät