Die neun. Zbigniew Georg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Zbigniew Georg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754916834
Скачать книгу
aus und wir können gleich hierbleiben.“

      „Dein Galgenhumor hat mir noch nie gefallen.“ Pria übergibt ihre Unterlagen dem Projektleiter der Abteilung und geht weiter. „Komm, du kennst die Prozedur.“

      Qori fasst sie am Arm.

      Pria wendet sich ihm zu, sieht auf seine Hand, dann in seine Augen. „Du willst doch nicht

      ... Qori - tu mir das nicht an! Bitte!“

      „Du willst es doch auch, oder?“ Sein zärtliches Lächeln treibt ihr die Röte ins Gesicht. Pria reißt ihren Arm los. „Tu doch nicht so, als müsste ich dir deine Frage beantworten,

      wenn du meine Antwort bereits weißt! Du machst mir Angst damit!“

      „Nein, Pria, deine Angst kommt nur von deiner Unwissenheit. Du willst immer noch nicht verstehen.“ Qori nimmt ihre Hand, streicht sanft mit dem Daumen über ihre Innenfläche. „Wir wollen der Liebe unter den Menschen zu neuem Leben verhelfen. Ein Paradies auf Erden schaffen. Aber wir sind nicht einmal in der Lage, unseren Boten in Liebe zu erzeugen? Wie soll er Wärme in diese tote, materialistische Welt bringen, wenn er kalt wie Eis im Reagenzglas gezeugt wurde? Vielleicht scheiterten die anderen Versuche daran.“

      "Ähm ... er wird doch ganz natürlich heranreifen!" Verzweifelt versucht sie seinem Blick auszuweichen. "Es macht doch überhaupt keinen Unterschied! Er wird sich ganz sicher nicht daran erinnern können!"

      "Ich kann es."

      "War?" Ungläubig starrt sie ihn an. "Du kannst dich an deine Zeugung erinnern?"

      "Ja. Und du könntest das auch." Sein sanfter Blick verspricht ihr das Wissen. "Mit meiner Hilfe."

      Pria schüttelt heftig den Kopf und weicht ihm aus. "Nein! Nicht um alles in der Welt will ich wissen, wer ..."

      Qori legt ihr die Hand unter das Kinn und zwingt sie ihn anzuschauen. "Wer dich gezeugt hat? Wer deine Eltern sind? Wer dich im Stich gelassen hat? Doch, du willst es wissen. Diese Fragen bohren sich tiefer in dein Bewusstsein als wir unsere Festung hier in den Felsen geschlagen haben. Aber dein Verstand ist genauso löchrig wie das Vulkangestein. Oben pfeift der Wind des Vergessens hindurch und die unteren Löcher füllen sich gleichzeitig mit deinem Tränenwasser."

      Pria holt zitternd zum Schlag aus. Doch Qori fängt ihre Hand sanft ab. Tränen laufen über ihre Wangen, ihre Stimme bricht. "Du gemeines Scheusal ..."

      "Komm mit mir. Hier ist nicht der rechte Ort dafür." Qori legt den Arm um ihre Schultern und führt sie aus der Zentrale.

      "Vermisst du gar nicht die Sonne?" Qori schaut sich in Prias komfortablem Quartier um, entdeckt die Veränderungen seit seinem letzten Besuch vor einigen Monaten. Nichts entgeht seiner Aufmerksamkeit. Weder der neue Schnappschuss von ihm auf ihrem Schreibtisch, noch

      das Kleid, das nachlässig über der halboffenen Schranktür hängt.

      "Doch, schon." Pria schenkt ihnen etwas zum Trinken ein. Ihre Hände zittern. "Ich bin aber so oft wie möglich oben."

      "Nicht oft genug. Was geschieht mit uns, wenn das Experiment diesmal glückt? Werden wir noch hier sein? Werden wir uns an all dies hier erinnern können? Hat es uns dann jemals gegeben?"

      "Dich und mich auf alle Fälle." Sie reicht ihm sein Glas, weicht aber seinem Blick aus. "So wird es das Paradoxum. Und für die Anderen soll das hyperenergetische Feld sorgen."

      "So will es das Göttliche, sprich es ruhig aus." Qori prostet ihr zu und nippt an dem scharfen Getränk. "Der ist gut. Woher hast du ihn?"

      "Den Wodka? Vom Professor. Direktimport. Die Russen machen immer noch den besten." Ein flüchtiges Grinsen huscht über ihr Gesicht. "Qori, hör zu ... Ich ..." Sie verstummt und sucht Abstand. "Ich habe nie verstanden, was das da zwischen uns ist."

      "Liebe. Nicht mehr und nicht weniger." Gelassen nippt er an dem Wodka, ohne sie auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.

      "Ich fürchte mich davor."

      "Ich weiß."

      Pria wendet sich ihm langsam zu. "Vieles von dem, was du mir in den letzten siebzehn Jahren, seit wir uns kennen, so beiläufig an den Kopf geworfen hast, hat sich unauslöschlich in mein Gedächtnis gebrannt. Fast alles hat sich bewahrheitet - und dennoch ..."

      "Was ist schon Wahrheit?" Qori schmunzelt ins sein Glas. "Doch nur das, was wir zu sehen glauben. Was wir anerkennen können, ohne uns einzugestehen, wie wenig wir doch im Grunde wissen oder verstehen. Nimm dieses Glas zum Beispiel. Ist es halb voll oder halb leer? Welche von beiden Möglichkeiten du auch nimmst, beide sprechen nach unserer Anschauung die Wahrheit. Aber vielleicht ist es auch schon längst leer und wir sehen es nur noch nicht."

      "Aber wir werden die Wahrheit von allem, was wir kennen und zu wissen glauben, vielleicht ins Gegenteil verkehren. Du glaubst, ich stehe bedingungslos hinter dem Projekt, aber auch ich habe Angst, dass wir das Falsche tun!" Zitternd lehnt sie sich an ihn.

      "Es gibt kein Falsch oder Richtig. Nur verschiedene Möglichkeiten. Hast du das denn noch immer nicht verstanden, Pria?"

      "Du zweifelst doch selbst!"

      "Nicht an der Mission, nur an der Art der Durchführung. Was der Professor mit unseren Vorgängern damals angeregt hat, sehe auch ich als den einzig gangbaren Weg. Doch was ist im Laufe der Jahre daraus geworden? Wir denken an Profit und Zinsen. Wir unterhalten einen Staatsetat für scheinbare Sicherheit in diesem Bunker. Wir verkriechen uns tief im Berg und glauben uns auf der Seite des Lichtes, doch schließen wir die Sonne aus unserem Leben. Aber stehen wir auch wirklich noch dort? Geht es uns wirklich noch darum, die Welt zu retten? Wer von uns denkt nicht an sein eigenes Leben und Fortkommen in der Zukunft, wenn dieses Experiment abgeschlossen ist? Wer ist noch bereit, sein Leben für eine bessere Welt bedingungslos zu opfern?"

      "Der Professor", erwidert Pria leise, "und du. Ihr glaubt noch daran."

      "Und du?"

      "Ich glaube an dich."

      "Glaube an das Göttliche, Pria, nicht an mich."

      "Das Göttliche ist manchmal so weit weg in dieser kalten, gierigen Welt."

      "Es ist in dir. Horch in dich hinein, dann ist es ganz no."

      "Aber du bist hier, manchmal ..." Sehnsucht liegt in ihrem Blick.

      "Jetzt bin ich hier."

      Pria macht sich von ihm los, den Blick auf ihr Bett gerichtet. Zögernd kommen ihre Worte.

      "Auch Darm ... ich bin einverstanden. Ich vertraue dir. Nur ein Kind der Liebe kann auch die Liebe in die Welt bringen. Doch - ich habe Angst ..."

      "Weil dieses Kind unser Kind sein wird. Und doch wieder nicht. Es wird identisch sein mit den neun anderen, die es nicht geschafft haben. Und dennoch wird es etwas Besonderes mit auf den Weg bekommen. So das Göttliche will ..."

      Ihre Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. "So wird es ..."

      Sanfte Hände wandern über warme Haut. Liebe in jedem Wort, jedem Blick, jeder Berührung. Göttliche Erfüllung in jedem Augenblick.

      Sie wissen um ihre Mission und glauben an deren Erfolg. Sie sind nur die Vorboten dessen, was einst die Welt erfahren wird. Ihr Wirken wird vergessen sein, sobald die Mission abgeschlossen ist. Ihre Liebe niemals, denn sie wird in ihrem Boten weiterleben.

      Zärtlich in Empfang genommen, der Same des Lebens. Trotz der Sterilität des Labors, Liebe in jeder Geste. Jede Bewegung erfüllt von Hoffnung und guten Wünschen.

      Qoris Arme umschlingen sie, sein Kopf liegt auf ihrer Schulter, als Pria