Udo reagierte anfangs etwas zögerlich, fuhr aber mit mir nach Bottrop um sich den neuen „Laden“ seines ehemaligen Chefs anzusehen. Es war mir eigentlich klar, dass er neugierig darauf war.
Nach Monaten zum ersten Mal wieder ein Casino zu betreten, war für Udo wie eine Offenbarung. In dem schummerigen Raum stand in einer Dunstglocke von Zigarettenqualm, ein Würfeltisch, der dicht umringt war von vielen Männern. Mit Geldscheinen in der Hand, drängten sie sich um die engen Stehplätze. Wie von Zauberhand hatte auch mein Freund sofort ein Bündel Scheine in der Hand, und beteiligte sich an dem Spiel. Dabei vergaß er mich einfach.
Ich stand im Hintergrund, sah nur Rücken und Köpfe, und verlor Udo irgendwann aus den Augen. Es dauerte eine ganze Weile bis mein Begleiter sich meiner erinnerte. „Hier ist ja was los. Gut dass ich nicht mehr Geld mit hatte, ich bin geputzt!“ sagte Udo, als er sich mir endlich zuwandte.
„Ja, das ist unsere neue Chance. Da müssen wir rein springen!“ war ich sicher.
Dann erkundigte Udo sich nach den diversen Möglichkeiten in der Zockbranche zu starten. Wir erfuhren, dass das BKA die Unbedenklichkeits-Bescheinigung für ein neues 24er-Roulettes erteilt hatte, und dass wir mit der Gründung eines eingetragenen Vereins das Spiel veranstalten könnten, ohne das die örtlichen Ordnungsämter dagegen Einwände haben könnten.
„Na bitte, das ist doch eine super neue Möglichkeit. Einen Verein zu gründen, ist kein Problem, und Geld haben wir auch genug. Also wissen wir schon wie es bei uns weiter geht, dann werden wir uns direkt mal in Solingen nach einem Laden umschauen.“ Bestimmte ich schon unser Vorgehen, als wir auf dem Heimweg waren. Während Udo noch immer zögerte, war ich Feuer und Flamme, drängte ihn, keine Zeit zu verlieren, denn ich hatte mittlerweile eine Nase für lukrative Geschäfte.
Wie es meine Art ist, wollte gleich kurz entschlossen starten. Nach kurzem Zögern gab Udo nach und stimmte zu. Ohne lange Überlegung fuhr ich Richtung Innenstadt, und entdeckte gleich am Schlagbaum zwei leere Läden. „Da sieh mal, Udo, gleich zwei freie Läden nebeneinander. Hauptverkehrsstrasse, große Ampelkreuzung, direkt gegenüber von unserem Stadt- Theater, besser geht’s nicht.“ Rief ich erfreut und fuhr eine Schleife zur anderen Straßenseite.
Bei einem Ladenlokal war nicht zu ermitteln, wer der zuständige Vermieter war, denn auf den vielen Klingeln standen nur ausländische Namen. Aber bei dem Haus daneben hatten wir Glück. Der Besitzer dieses Hauses wohnte gleich über dem freien Laden auf der ersten Etage.
Die Leute waren Holländer und sehr freundlich, die uns gleich die Räume zeigten. Wir erkundigten uns nach der Größe, und dem Mietpreis, der erstaunlich gering war. Aufgrund der positiven Auskünfte vereinbarte Udo einen Besichtigungstermin für den nächsten Nachmittag.
„Warum hast du die Sache auf morgen verschoben? Wir haben doch nichts vor.“ Wunderte ich mich, als wir ins Auto stiegen.
Seine Antwort gefiel mir absolut nicht. „Ich will mir erst noch einen Partner suchen, und mit dem zusammen entscheiden, welchen Laden wir nehmen.“
„Was? Warum das denn? Das brauchen wir doch nicht, wir haben Geld genug, um auf die Einmischung eines Partners verzichten zu können.“ Protestierte ich. „Mir hat die Erfahrung mit unserem letzten Partner gereicht. Ich habe keine Lust mich über die Fehler anderer zu ärgern oder für deren Faulheit mit zu arbeiten. Nee!“
„Red nicht so einen Mist, du hast doch von dem Geschäft keine Ahnung. Ein Spielbetrieb ist doch etwas ganz anderes als der Sub. Man kann kein Casino alleine betreiben. Das ist ein Sieben-Tage-Geschäft, mit sehr langen Öffnungszeiten. Das Spiel kann auch mal über 24 Stunden gehen, dann bist du froh, wenn du Entlastung hast. Also halt dich aus Sachen raus, wovon du null Ahnung hast. Ich weiß schon was ich tue, schließlich habe ich genug Erfahrung in der Branche. Ich weiß auch schon wen ich frage. Den Fransmann, das ist ein wandelnder Geldschrank, und er ist korrekt und zuverlässig.“ Fuhr Udo mich hart an, er duldete keinen Widerspruch. Beleidigt schwieg ich.
Zwar kannte ich den Klaus, genannt Fransmann, wenn auch nur flüchtig aus dem Sportcafe, aber egal um wen es sich handelte, ich war gegen eine Partnerschaft, denn die Erfahrung mit der Letzten hatte mir gereicht.
Bei der Besprechung schloss Udo mich aus. Er ging mit dem Fransmann in das Hinterzimmer des Sportcafes, eine Rumpelskammer, wo nur altes Mobiliar und der Würfeltisch standen. Dieser Raum wurde nur für „Sondersitzungen“ benutzt, und dass nicht Jeder Zutritt hatte, zeigte Udo mir deutlich, indem er die Tür hinter sich, vor meiner Nase, schloss. Ich war kotzsauer, empfand das als unverschämt.
Unbelehrbar
Als wir uns am nächsten Nachmittag vor den freien Ladenlokalen trafen, beratschlagten die beiden Männer welchen der freien Läden sie nehmen sollten. Spontan schlug ich vor: „Am besten beide, damit nicht irgendwann die Konkurrenz gleich nebenan ist.“
„Was für ein Unsinn ist das denn? Dann müssten wir ja jeden freien Laden in Solingen mieten. So ein Quatsch! Wir haben doch kein Geld zu viel!“ wehrte der Fransmann energisch ab.
„Nein, nicht Jeden. Aber sich vor direkter Konkurrenz, Wand an Wand zu schützen, das ist schon sinnvoll.“ Erwiderte ich trotzig.
Die Männer waren nicht meiner Meinung. Aber ich sollte Recht behalten.
Schon während der Renovierungs-Phase begegneten uns zwei Bekannte aus Wuppertal, die sich für den Laden nebenan interessierten. Allerdings zogen sie sich sofort zurück, als sie uns begegneten. Einer meinte: „Freunden machen wir keine Konkurrenz.“
Drei Monate später machte gleich nebenan der Griechen-Costa auf. Er deklarierte seine Eingangstür mit großen schwarzen Buchstaben: EINGANG HIER !!!
Auf dem großen Schaufenster stand in ebenso großen Lettern: SPIELCASINO ROYAL
Zu dem zurückliegenden Eingang unseres Casinos führten 3 Stufen hinauf, unser kleines Schaufenster, gleich daneben, verschwand durch einen dezenten dunkelgrünen Vorhang, sodass man automatisch auf die Tür des Spielcasinos Royal zusteuerte, dessen großes Schaufenster in leuchtendem Rot strahlte. Unser zurückliegender Eingang war nur für Eingeweihte zu erkennen.
Obwohl wir wesentlich weniger Publikum hatten, als der schlaue Grieche, war das ein sehr aufreibendes Geschäft. Manche Nächte wollten nicht enden, und manche Existenz ging durch das Zocken kaputt. Die Spieler erlebte ich als seltsame Menschen, die ihre eigene Mutter verkauft hätten, um zu zocken. Manche erregten mein Mitleid aber auch meine Verachtung, denn nirgendwo wird mehr gelogen und betrogen als unter Zockern.
Mein Freund machte da keine Ausnahme, im Gegensatz zu unserem Partner Fransmann. Dass der Klaus kein Spieler war, sollte für uns ein großer Vorteil sein, denn wenn Udo mal wieder alles verzockt hatte, stand Klaus wie ein Fels in der Brandung, immer noch wie ein gefüllter Geldsack hinter dem Roulettekessel und das Spiel konnte weiter gehen.
Für mich bedeutete diese Zeit eine Achterbahn der Gefühle. Immer wieder musste ich Udos Verluste hinnehmen, und wenn ich mir Geld auf Seite legen wollte, gab es riesigen Krach. Mit Prügel und Drohungen versuchte Udo mich klein zu halten. Natürlich wehrte ich mich nach Kräften, zog aber meist den Kürzeren. Das ganze Geld war trotzdem weg.
Ich war sogar bald drei Mieten rückständig, sodass der Vermieter mir fristlos kündigte. Letztlich musste ich meine Möbel auf Lager stellen, weil wir nicht rechtzeitig eine neue Wohnung gefunden hatten.
Udo wusste mich immer wieder von den negativen Ereignissen abzulenken und bei der Stange zu halten, indem er einfach einen Kurzurlaub buchte. Dafür fand er immer genügend Geld und auch die Zeit. So machten wir hauptsächlich Trips auf die Kanaren oder Balearen, denn Udo liebte Spanien.
Nach einem Kurzurlaub in Griechenland, auf Rhodos, fanden wir erneut bei meiner Freundin Beate Unterschlupf, wo wir zu Beginn unserer Beziehung schon einmal kurze Zeit gewohnt hatten.
Zum Glück lebten die Kinder zu der Zeit noch bei ihrem Vater, sodass es die Beiden