So häuften sich meine säumigen Verpflichtungen mit unserer gemeinsamen Tätigkeit, da Udo alle Verträge auf mich abwälzte, mit der Begründung: „Ich kann nichts auf mich machen, das würde nur unnötige Schwierigkeiten bringen.“
Anfangs ging es nur um die Rechnungen, die wir ausstellen mussten, wenn wir einen Auftrag abrechnen wollten. Nur der clevere Bert Meier akzeptierte keine Rechnung die ich ausstellte, weil ich bei ihm im Angestellten-Verhältnis arbeitete. „Das geht nicht, Ruth. Das müssten wir gesondert abrechnen und du würdest doppelte Steuer bezahlen. Ist mir zu kompliziert.“ Lehnte er energisch ab. Nur zwangsläufig bot Udo sich sofort als Ersatz an.
Sicher ging es meinem Freund nur darum, uns nicht die Einnahmequelle abzuschneiden, denn es war ihm wirklich egal, dass das Finanzamt das Nachsehen hatte. Allerdings war es auf jeden Fall für mich die bessere Lösung, dass Udo die Rechnungen ausstellte, denn säumige Verpflichtungen hatte ich, durch nicht bezahlte Mieten und Autoraten, im Laufe unseres Zusammenlebens genug.
Als freier Mitarbeiter, auf selbständiger Basis war es ihm selbst überlassen, dem Fiskus die Einnahmen zu melden, oder auch nicht, Udo entschied sich natürlich für nicht! Das konnte unseren Vertragspartnern egal sein, denn sie waren auf der sicheren Seite. Und mich belastete die unterschlagene Umsatzsteuer auch nicht, da das Udos Versäumnis war.
Lange verdienten wir uns eine goldene Nase mit der Vertretertätigkeit, bis in der gesamten Presse diese Schlagzeilen standen:
VORSICHT VOR FASSADENHAIEN!
Seitdem flogen die Türen vor unserer Nase zu, manche Leute schimpften uns sogar noch lauthals aus. Wir standen vor dem Nichts!
Wieder war ich es, die den Ausweg aus der plötzlichen Misere fand. Denn es war eine wirklich schlimme Misere, weil Udo ja leider alles verzockt hatte, was wir verdient hatten.
Und erneut ging der nächste dumme Fehler ebenfalls zu meinen Lasten. Auch dabei hatte Udo sich geschickt raushalten können.
Blut geleckt
Zwar hatte Udo mich auf die Idee gebracht, weil er mir von der früheren „Sub-Geschichte“ erzählt hatte, aber weil wir für den Start Geld brauchten, musste mein Konto dafür her halten. Wessen auch sonst? Udo hatte natürlich kein Konto, dazu war er zu hoch verschuldet. Natürlich war ich dazu bereit.
Wie wir uns von meiner Sparkasse einen Kredit holen konnten, konnte meine Freundin Esther erklären. Mit dem Sparkassen-System kannte sie sich bestens aus, wusste, dass die Filialen bis zu Tausend Mark die Kontoführung nicht anrufen mussten. Deshalb sei es möglich an den Filialen die einen Spät-Nachtschalter hatten, eine Auszahlung von Tausend Mark ohne Probleme zu bekommen.
Also stellte Esther mir einen Verrechnungsscheck über Fünfzehntausend Mark aus, der natürlich nicht gedeckt war, und noch bevor der Schwindel auffallen konnte, holten wir das Geld in einer Wochenend- Blitzaktion in Tausender-Abhebungen ab. Wir schafften an einem Wochenende zwölf Spätschalter, die restlichen Dreitausend bekamen wir nicht mehr.
Mit den undurchsichtigen Fassaden-Verträgen hatten wir schon eine nicht ganz korrekte Tätigkeit betrieben, aber mit dem ungedeckten Scheck begaben Esther und ich uns auf eine ganz heiße Spur, die sich unweigerlich irgendwann zur Mausefalle entwickeln musste. Eigentlich hätte ich das voraus ahnen können, aber ich schob einfach alle Bedenken beiseite. Leichtsinnig verließen wir uns auf das Versprechen unseres Ex-Chefs Meier, uns Rückendeckung zu geben, indem er bezeugte, dass er Esther die Überweisung dieser Fünfzehntausend Mark zugesagt hatte. Auch dass Udo sich auch dabei ganz elegant raus gehalten hatte, sahen wir nicht als Problem an.
Mit der Kurzreise nach Spanien, an die Costa del Sol, versüßte Udo mir den Übergang zu der anderen Arbeit. Er wusste mich von der unangenehmen Ahnung abzulenken.
Bei unserer Rückkehr fielen alle Probleme wie ein Wolkenguss über mich her. Die Sparkasse hatte wegen Betrugs- Anzeige gegen Esther und mich erstattet, die Mahnungen häuften sich und ich wurde zur eidesstattlichen Versicherung vorgeladen. Udo bagatellisierte die Sache, schließlich betraf es ihn ja nicht.
Aber ich hatte auch nicht die Zeit lange über die Folgen unserer illegalen “Kreditaufnahme“ nachzudenken, denn wir waren mit dem Neuaufbau unseres neuen Subunternehmens voll beschäftigt. Zum Glück waren wir so im Aufbau-Stress, das Udo nicht die geringste Zeit hatte unsere Kohle zu verzocken, darüber war ich sehr froh.
Einen ganzen Sommer lang konnten wir nicht so viele Bauarbeiter beschaffen, wie die Bauunternehmen hätten brauchen können, wir waren sehr fleißig und verdienten schneller, viel Geld, als wir es hätten ausgeben können.
Wir waren dauernd im norddeutschen Raum unterwegs, denn wir hatten dort über fünfzig Leute in Arbeit. Unser Büro unterhielten wir in Solingen, mit meiner EX- Schwiegermutter als Bürokraft. Da wir alle möglichen Nationalitäten als Arbeitskräfte beschäftigt hatten, die Nachschub aus der Heimat bestellten, mussten wir meistens Sonntagabends losfahren, um die neuen Arbeiter vom Bahnhof abzuholen. Die Neuen kamen meist in Hannover oder Hamburg aus an. Wenn wir die Leute dort hingebracht hatten, wo sie gebraucht wurden, ergab sich häufig irgendein anderes Problem, sodass wir selten vor Freitags abends wieder zurück nach Hause kamen. Die Besetzung unseres Büros, durch meine Schwiegermutter war Gold wert. Dadurch konnten wir Verbindungen knüpfen, die uns ermöglichten, schnell Lücken zu füllen, ohne Zeit zu verlieren.
Auch die Arbeiter selbst besorgten uns oft neue Arbeitskräfte, weil sie die frisch ankommenden Landsleute am Bahnhof aufgegriffen hatten, die ebenfalls Arbeit suchten. Zu unserem Glück boomte die Baubranche so stark, dass wir allen Leuten sofort Arbeit beschaffen konnten. So wuchs unser Unternehmen teilweise ohne unser Zutun, quasi von selbst.
Um meine Kinder kümmerte sich in dieser Zeit mein Exmann, der sich das natürlich gut bezahlen ließ. Aber das honorierte ich selbstverständlich freiwillig großzügig, denn ich war froh, dass wir normal miteinander umgingen, und dass die Kinder sich nach Laune zwischen unseren Wohnungen bewegen konnten.
Manchmal nahmen wir die beiden Kinder auch übers Wochenende mit in ein schönes Wellness - Hotel, was sie sehr genossen. Aber meistens waren wir alleine unterwegs, denn wir mussten freitags immer die Löhne auszahlen, was schon viel Zeit in Anspruch nahm, weil einige Kilometer zwischen den Städten lagen. Und solch lange Fahrten, wäre kein Vergnügen für Kinder gewesen.
Auch Ester und Holger waren ständig unterwegs, denn mittlerweile war unser Unternehmen recht groß geworden. Alles lief sehr gut, bis eines Tages eine schlechte Nachricht alles veränderte. Mit einem Schlag erhielten wir eines Tages plötzlich von allen Firmen Freimeldungen für alle Leute. Die AOK hatte in Hannover bei ein paar Firmen eine Buchprüfung angeordnet. Die Firmenchefs befürchteten, zu Recht, dass sie als Drittschuldner für die Sozialabgaben ihrer Sub-Unternehmer haftbar gemacht werden würden. Also beugten sie vor, und kündigten unsere Zusammenarbeit fristlos. Von einem Tag auf den Anderen standen unsere Arbeiter auf der Straße.
Die zweite schlechte Nachricht kam fast gleichzeitig auf uns zu. Das Amtsgericht stellte und den Verhandlungstermin zu: in der Betrugssache Ruth Woods/ Esther Berlin zum Nachteil der Stadtsparkasse.
Das war ein Schock, obwohl wir damit hätten rechnen müssen.
„Also braucht ihr einen Anwalt. Ich weiß einen guten Strafverteidiger. Ich mach mal einen Termin bei dem „Dicken“. War Udos gelassene Reaktion. „Aber wir müssen uns auch wegen den Malochern was einfallen lassen. Ich fürchte nur, um diese Jahreszeit können wir die nicht mehr unterbringen.“ Schob er das Geschäftliche in den Vordergrund.
„Na gut, erst mal ist eine neue lukrative Einnahmequelle wichtig. Okay, wir haben einen guten Sommer lang abgesahnt, die Bau-Saison ist sowieso bald vorbei, dann ist eben jetzt Schluss. Dann geben wir halt das Sub-Geschäft auf und widmen uns dem Zock. Du hast mir doch erzählt, dass dein ehemaliger Chef schon wieder ein Casino aufgemacht hat, oder? Wenn der kurz