»Tina, wir wissen weder, ob die Hunde wirklich herrenlos sind, noch ob sie vielleicht irgendwelche Krankheiten haben, wie groß sie werden und, und, und...«, fing Papi an.
»Die sind wirklich herrenlos, dass sagen alle Kinder bei uns auf der Schule«, erwiderte Ellen schnell.
»Und wir können sie uns ja erst einmal anschauen und dann weitersehen«, fügte ich rasch hinzu. Ich wusste, dass mein Vater seine Meinung ändern würde, sobald er die kleinen Welpen sah. Papi öffnete noch mal den Mund um noch irgendetwas zu erwidern, besann sich dann jedoch und nickte langsam.
»In Ordnung, ihr habt mich überstimmt. Nach dem Abendessen fahren wir zum Schulhof und sehen uns die Welpen einmal an«, versprach er uns dann.
Wie versprochen, ging es nach dem Abendessen los. Wir fuhren zur Schule und Papi parkte am Straßenrand. Lange suchen brauchten wir die Hündin und ihre Welpen nicht. Sie bemerkten uns sofort, als wir den Schulhof betraten und kamen sofort auf uns zugelaufen. Mami hatte mir eine Tüte mit Essensresten und Brot in die Hand gedrückt. Die Hündin vernahm die Gerüche und kam auf mich zu. Ich sprach leise auf sie ein und schüttete den Inhalt der Tüte auf den Boden. Sofort begann die Hündin zu fressen. Die Welpen waren etwas vorsichtiger. Es waren insgesamt fünf. Papis Blick verfinsterte sich als er sah, wie ausgehungert die Hündin war. Man konnte ihre Rippen zählen. Dann hörte ich Papi seufzen. Er drehte sich zu mir um und machte ein Gesicht als hätte er Zahnschmerzen.
»Tina mach` bitte den Kofferraum auf, wir nehmen alle mit«.
Erst sah ich sah ihn sprachlos an. Es verging ein kleiner Moment, ehe ich mich wieder gefangen hatte. Dann lief ich zum Auto und machte mir am Kofferraum zu schaffen. Wir lockten die Hündin ins Auto und fingen dann die Welpen ein, um sie zu der Hündin zu setzten. Wunderlicherweise ließen die Hunde alles mit sich geschehen. Es war als spürten sie, dass wir ihnen helfen wollten.
Dann fuhren wir los. Ellen plapperte fröhlich vor sich hin. Ich saß auf dem Beifahrersitz und sah Papi an. Er hatte eine steile Sorgenfalte auf der Stirn. Er spürte meinen Blick und sah mich an.
»Ich möchte da etwas klarstellen; wir können nicht alle behalten. Wir werden versuchen, ein neues Heim für die Welpen zu finden«.
Ich nickte und war einfach nur glücklich, denn ich wusste, die Hunde waren erst einmal in Sicherheit.
Mami erwartete uns schon. Als sie das Auto bemerkte, kam sie raus und staunte nicht schlecht als wir den Kofferraum öffneten (zum Glück hatten wir einen Kombi) und die Hündin mit ihren Welpen zum Vorschein kam. Erstaunt wandte sie sich an Papi.
»Konntet ihr euch nicht entscheiden?« fragte sie mit einem Lächeln. Ich spürte, dass auch sie erleichtert war. Die Hunde sprangen aus dem Kofferraum und begannen, den Hof zu inspizieren. Papi nahm Mami in den Arm und Ellen und ich liefen ins Haus, um ein paar alte Decken für die Hunde zu holen. Die Katzen hielten wir vorerst im Haus, weil wir nicht wussten ob sie sich mit den Hunden vertragen würden.
Kapitel 8
Am nächsten Tag luden wir die Hündin mit ihren Welpen erneut in das Auto und fuhren zu einer Tierärztin, die uns von Jianni empfohlen wurde. Zum Glück war Samstag und wir hatten Schulfrei. Die Tierärztin war superlieb. Sie versprach, sich umzuhören, ob jemand aus ihrem Bekanntenkreis einen der Welpen aufnehmen wollte. Sie selber konnte keinen zu sich nehmen, da sie auch schon viele Hunde hatte und ihr Mann dass nicht so toll fand, wie sie erzählte. Papi nickte verständnisvoll und schrieb ihr noch schnell unsere Telefonnummer auf, für den Fall, dass sich doch jemand fand.
Anschließend fuhren wir noch ins Zoogeschäft, um Futter und noch einige andere Sachen für die Hunde zu kaufen. Papi zückte seine Geldbörse, ohne mit der Wimper zu zucken. Bewundernd sah ich ihn an. Er bemerkte meinen Blick und seufzte leicht. Schnell lief ich zu ihm und nahm ihn in den Arm.
»Danke für alles«, flüsterte ich ihm dann zu. Papi grinste und dann fuhren wir wieder nach Hause, wo Mami schon einen tollen großen Korb organisiert hatte, in dem die Hündin mit ihren Welpen schlafen konnte.
Den Korb stellten wir hinter das Haus auf die überdachte Veranda. Es war nicht sehr kalt und die Hunde waren es bis jetzt ja gewohnt, draußen zu sein. Das Grundstück war umzäunt und so bestand keine Gefahr, dass die Hunde auf die Straße laufen konnten.
Während wir die Hündin fütterten viel mir ein, dass ich Maria ja noch nicht erzählt hatte, dass die Hündin jetzt bei uns war.
Ich lief ins Haus, um zu telefonieren. Es klingelte mindestens achtmal bevor jemand abhob. Und es war ausgerechnet Nico. Natürlich fing ich gerade jetzt das Stottern an. Und lief dann auch noch prompt rot an. Gut das er mich nicht sehen konnte. Aufgeregt erzählte ich ihm von der Rettungsaktion der Hündin und ihrer Welpen.
»Das ist ja prima. Können Maria und ich uns die Kleinen mal ansehen?« fragte er sogleich.
»Ja klar«, erwiderte ich.
»In Ordnung, bis gleich dann«, hörte ich Nico nur noch sagen.
Hocherfreut rief ich Mami zu, dass Nico und Maria gleich vorbeikommen würden und rannte ins Bad. Ich musste unbedingt noch einen Blick in den Spiegel werfen und meine langen blonden Haare bändigen. Mami erschien kurz in der Küchentür, sah mir nach und schüttelte nur mit dem Kopf.
Eine halbe Stunde später kamen Nico und Maria auch schon unsere Einfahrt runter geradelt und stellten ihre Fahrräder an der Hauswand ab. Ich sah sie durch das Fenster kommen und stürzte hinaus. Ellen und Mami hinter mir her. Nachdem sich Mami und die beiden bekannt gemacht hatten, warf mir Mami einen dieser typischen Mami- weiß- alles- Blicke zu und wandte sich nochmal den beiden zu.
»Ihr bleibt doch zum Abendessen?«, fragte sie freundlich. Und noch ehe die beiden etwas erwidern konnten, fügte sie hinzu:
»Ich habe schon etwas vorbereitet«, und lächelte erwartungsvoll. Nico und Maria nickten zustimmend und bedankten sich für die Einladung. Papi war irgendwo im Garten.
Wir liefen zu den Hunden. Die Hündin döste in der
Abendsonne und die Welpen schliefen aneinander gekuschelt im Korb.
»Sind die aber süß«, rief Maria und kniete sich vor den Korb. Die Hündin erhob sich langsam und kam zu uns rüber. Nico wandte sich der Hündin zu streichelte sie und sprach leise auf sie ein. Seine Stimme war unheimlich beruhigend. Ich bemerkte, wie ich ihn anstarrte. In dem Moment wo es mir bewusst wurde, sah er mich mit seinen tiefblauen Augen an und lächelte.
»Die Hündin scheint sich ja schon gut bei euch eingelebt zu haben. Sie ist ja total zutraulich. Habt ihr denn auch schon einen Namen für sie«, fragte er. Meine Knie waren weich wie Pudding während ich ihn weiter anstarrte. Dann stotterte ich los.
»N- N- Nein, wir haben uns über einen Namen noch keinen Gedanken gemacht«.
»Was hältst du von Lucky. Sie hatte so ein Glück, dass ihr sie gefunden habt«, schlug er vor. Ellen und Maria, die neben uns standen, kamen mir zuvor.
»Au ja, der Name passt zu ihr«, riefen beide wie aus einem Mund.
»Dann bin ich ja jetzt schon überstimmt«, lächelte ich. Der Name gefiel mir sehr gut. Er passte wirklich zu der Hündin und ihrem Schicksal.
Papi hatte uns entdeckt und kam zu uns rüber. Nico und Maria stellten sich vor. Auch Papi freute sich, die beiden endlich kennen zu lernen. Der Name für die Hündin gefiel auch ihm. Er unterhielt sich mit Nico. Ellen wollte Maria die Kätzchen zeigen. Eigentlich konnte man schon nicht mehr Kätzchen sagen. Eher Katzen. Sie waren so gewachsen und superanhänglich und verschmust. Ich stand bei den Welpen und hatte langsam meine Knie wieder unter Kontrolle. Ich beobachtete Nico weiterhin unentwegt. Er war groß und braungebrannt. Unter seinem T-Shirt zeichneten sich seine Muskeln ab. Eine Haarsträhne fiel ihm ins Gesicht und er hatte volle, sinnliche Lippen. Wenn er lächelte, entblößte er zwei Reihen strahlend weißer Zähen… Meine Gedanken spielten verrückt, bis mich die Stimme meiner Mutter auf den Erdboden der Tatsachen