Dark World I. Tillmann Wagenhofer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tillmann Wagenhofer
Издательство: Bookwire
Серия: Dark World
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750225602
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seine Züge huschte, schnell wieder unterdrückt. Es machte den Stammeskrieger, aller Indoktrination und den Geschichten beim Orden zum Trotz, von einem Moment auf den anderen zu einem...Menschen. Nicht ein Barbar, ein halbes Tier oder ähnliches stand da vor ihr, sondern einfach ein junger Mann. Mit einem sehr männlichen Körper, dachte sie, verdrängte es aber erschrocken. "Ich...ich...wollte dich nicht beleidigen, Stammeskrieger", presste sie, entgegen ihrem Stolz hervor, der hier und jetzt nutzlos erschien. "Danke...für deine Hilfe. Du hattest sicher keinen Grund, mir zu helfen...deshalb...danke ich dir. Wie du gesagt hast: Wenn..., wenn du mich gehen lässt, breche ich morgen früh auf." Der Tribal nickte zustimmend, seine Miene war unlesbar.

      Eines war sicher: Roter Speer hatte nie zuvor ein Mädchen wie dieses getroffen. Kriegerinnen gab es bei den Stämmen diesseits der Berge nicht, auch wenn Frauen für die Abwehr von Feinden und wilden Tieren den Gebrauch von Waffen trainierten. Dies jedoch, das hatte er ihrem Körper angesehen, als er ihre Kleider entfernte, war eine ausgebildete Kämpferin. Die Arme und Beine waren sehnig, auch wenn die Frau keine Muskelberge besaß. Roter Speer mutmaßte daraus, dass ihre Art zu kämpfen eher auf Geschwindigkeit und Wendigkeit ausgelegt war - genauso wie die meisten Stammeskrieger, auch wenn diese über erheblichere Körperkraft verfügten. Trotz dessen und einigen hellen Narben auf ihrer Haut spürte Roter Speer eine seltsame Anziehungskraft, die von der Fremden ausging. So war die Versuchung, die straffen Hügel ihrer Brüste, von denen jede etwas mehr als seine beiden Hände füllen würden, zu berühren, fast unerträglich gewesen, als er ihre Wunden verbunden hatte. Ihre warme Haut alleine war um ein Haar mehr, als er hatte ertragen können. Wütend und mit einiger Verachtung gegen sich selbst hatte er sich als schwach beschimpft. Das wirklich Eigentümliche war jedoch - nun, da er sie kennenlernte und sie für das, was sie sagte, hätte verabscheuen müssen, war diese Anziehungskraft nicht schwächer geworden. Leider war das Gegenteil der Fall. Nun, da das Blut ihre Haut nicht mehr bedeckte, blickte er fasziniert auf das herzförmige Gesicht, die hübsche, freche Nase und die blauen Augen, umrahmt von Haaren, die schwarz waren wie die Nacht - wie die Haare einer Tribal. Gerade der wilde, entschlossene Ausdruck in den tiefblauen Augen jedoch war es, der sich tief in ihn zu bohren schien. Er verwünschte diese Frau, denn sie war eine Feindin - eine Kriegerin der Kirche des Feuers, jenen Mördern, die in ihrem blinden Wahn von einem angeblichen Glaubenskrieg gegen alles Fremde und für sie Primitive vor so gut wie keiner Grausamkeit zurückschreckten.

      Die düsteren, von ihren Feuern erhellten Städte im Osten waren ihre Machtzentren - für die Stämme stellten diese grausige Orte dar, in denen Menschen wie Vieh gehalten wurden, ermordet wurden oder sich gegenseitig in Arenen bis zum Tod bekämpfen mussten. Nun hatte er einer Vertreterin dieses furchtbaren Feindes sogar noch geholfen! Seine Verwirrung wurde dadurch komplettiert, dass er bis zu diesem Tag den festen Vorsatz gehabt hatte, jeden Krieger der Feuerkirche oder auch jeden, der sonst diesem Kult angehörte, sofort zu töten. Noch immer hätte er dies problemlos gekonnt - rein technisch gesehen. Aber als er sich nun tatsächlich vorstellte, der jungen Frau einfach so - gnadenlos - die Kehle durchzuschneiden, erschrak er mit einem Mal über den bloßen Gedanken. Wo zuvor seine Wut ihn nicht hatte nachdenken lassen, als er ihr die Klinge an den Hals drückte, übernahm etwas die Kontrolle, was er nicht recht deuten konnte. "Was machst du hier draußen...alleine?", platzte er plötzlich heraus, hätte sich beinahe selbst auf den Mund geschlagen dafür. Die junge Frau blickte ihn, rasch misstrauisch geworden, an. Es dauerte einige Zeit, die Roter Speer wie eine Ewigkeit vorkam, dann sagte sie: "Maddy. Das...ist mein Name. Ist...irgendwie dumm, sich nicht vorzustellen. Tut ihr Tribals das?" Roter Speer wollte gerade aufbrausen, da erkannte er die Arglosigkeit dieser Frage - das Mädchen hatte sich nicht wirklich etwas dabei gedacht. Zu seiner Schande hatte sie im Grunde Recht. Alleine die Umstände hatten ihn die Regeln des Redens vergessen lassen. Und diese Augen...!

      Er schob es erneut von sich, nickte unwirsch. "Ja, das ist richtig so...wir "Wilden" tun das auch", blaffte er. "Ich werde Roter Speer genannt, gehöre zum Volk der Silbernen Klingen…oder Silberklingen", erklärte er stolz. Maddy wartete, doch als nichts mehr kam, fragte sie: "Seid ihr...stark oder...bekannt oder so?" "Wir sind die mächtigsten Jäger und Krieger hier im Nordosten, unsere Jagdgründe werden selbst von den Sklavenfängern der Slaver-Gilde oder den Kirchensoldaten kaum jemals verletzt. Aber...nun, da wir unsere Namen kennen...Maddy..." Ihr Name aus dem Mund des Kriegers, klang zwar komisch, aber auch irgendwie...gut, fand sie. Er hatte ihn nicht verächtlich ausgesprochen, sondern auf klangvolle Weise. "...um zu meiner Frage zurück zu kommen: Was tut eine Kriegerin der Kirche hier draußen, alleine und ohne Ecar? Selbst als Tribal würde ich nicht ohne Reittier alleine in die Öde hinausziehen. Du hast außerdem weder Speere noch Bogen, nur ein Schwert - das gegen nicht wenige Gefahren hier draußen ziemlich wenig nützt. Bist du verloren gegangen oder verstoßen worden?" Maddy schluckte, wog ab, was sie einem Feind der Kirche, der für sie noch immer gefährlich war, erzählen konnte. Sollte sie bluffen? Erzählen, dass sie bald von ihren Leuten gefunden würde? Toll, und was, wenn tatsächlich diese "Leute" kommen würden? Nämlich die des Warlords? Nein, sie musste das Risiko eingehen. "Das...mit dem "verstoßen" kommt recht gut hin", sagte sie leise. "Ich wurde gezwungen, den Orden der Flamme zu verlassen. Es...ist wahr, dass ich eine Kriegerin der Kirche bin...war." Das Verdunkeln in der Miene des Tribals ließ keinen Zweifel, was er in ihr sah: Seine Todfeindin. "Ich wusste es..." "Weshalb, wenn du uns so hasst, lebe ich dann noch?", fragte sie schnell. Ungünstige Frage, fiel ihr erst danach auf. Roter Speer durchbohrte sie regelrecht mit seinen dunklen, rätselhaften Augen - und zuckte mit den Schultern. "Ich weiß es nicht. Doch morgen früh trennen sich unsere Wege."

      Maddy nickte langsam. Aus einem Grund, den sie nicht benennen konnte, fühlte sie keinerlei Furcht mehr vor dem Stammeskrieger, auch war jede Abscheu, jede Verachtung, die sie anfangs so spontan gehegt hatte, nicht mehr da. Sie wusste nicht, warum, aber sie hätte schwören können, dass dieser so verschlossene, harte Krieger, dessen Bewegungen sie an einen Schattenpuma erinnerten, den sie auf dem Jahrmarkt des Lords einmal gesehen hatte, ihr nichts Böses wollte. Seine Arme und Beine waren kräftig, Muskeln spielten dort, als wäre ihnen die momentane Ruhe ein Ärgernis, als wollten sie, schnell und stark, in Aktion treten. Und schnell musste er sein, daran hegte sie keine Zweifel, denn jede Bewegung des Tribals war federnd, geschmeidig - wie ein schönes, wildes Raubtier, frei und ungezähmt. Völlig gegen ihren Willen stieg Hitze in ihr auf, an Körperpartien, die sie nur zu gut kannte. Erschrocken verdrängte sie diese sündigen, ketzerischen Gedanken. Das ist ein Tribal, verflixt, schalt sie sich ärgerlich. Ja, meldete sich eine andere Stimme in ihr, er hat einen echt hübschen Hintern...und ich würde zu gerne...! Aufhören! Maddy wusste nur zu gut, dass sie genau jetzt rot im Gesicht wurde wie eine der Apfeltomaten, die Goethe in seinem kleinen, eigenen Garten züchtete. Zu ihrem Glück war der Tribal gerade damit beschäftigt, ein Feuer zu entfachen, so dass er ihre unreinen Blicke nicht mitbekommen hatte. Die junge Kriegerin mühte sich, woanders hinzusehen. Er ist nur ein Barbar. Ein hilfsbereiter, das gebe ich zu, aber eben nur...ein Barbar. Sie schaffte fast, es sich einzureden, bis sie, noch immer erschöpft von ihren Wunden, einschlief.

      An Eure Eminenz, Mitglied des Ersten Konzils, Frederick Jacobson

      Wie Euch sicher zu Ohren gekommen ist, wurde vor kurzem ein bedeutsamer Fund aus der Zeit der Alten gemacht. So sehr diese sündhaften und frevlerischen Anhänger und Jünger der Finsternis auch die Verachtung von uns allen verdienen, finden sich hin und wieder doch brauchbare Relikte aus deren Handwerken, bisweilen ist deren Sinn auch problemlos ersichtlich. Dies war auch hier der Fall, jedenfalls schien es zunächst so.

      In einem verschütteten, großen Kellerraum, der meiner bescheidenen Meinung nach eher ein Lager darstellte, fanden sich unzählige Seiten von weißem Papier – was, worin Eure Eminenz sicherlich zustimmen wird, ein überaus nützlicher und wertvoller Fund gewesen wäre. Das Papier war in jene durchsichtigen Hüllen verpackt, deren Herstellung uns nach wie vor Rätsel aufgibt.

      Zu meinem Bedauern stellte ich, nachdem ich eine dieser Hüllen aufgeschnitten hatte, jedoch fest, dass das Papier wohl über die lange Zeit, die es hier lagerte, gelitten haben musste. Jedenfalls war dies mein erster Eindruck. Die Seiten waren seltsam weich und der Versuch, auf ihnen mit Tinte zu schreiben oder auch mit einem Pulverstift erbrachte kaum lesbare Ergebnisse.

      Des Rätsels Lösung liefert mir mein getreuer Schreiber, Roland, der in seiner Eigenschaft als Inquisitorsgehilfe eine gewisse,