Dark World I. Tillmann Wagenhofer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tillmann Wagenhofer
Издательство: Bookwire
Серия: Dark World
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750225602
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Maddy war alleine, zu Fuß, hatte nichts zu essen, nur ein Schwert und offenbar nicht einmal ein konkretes Ziel inmitten der Ödlande. Das Mädchen war im Grunde schon tot, es war sich dessen nur noch nicht bewusst. Dass sie sich zusätzlich fernab der Karawanenwege befand, komplettierte diese Tatsache. Ohne mit der Wimper zu zucken, log sie - denn so dumm war sie nicht, an eine Chance zu glauben. "Klar. Ich marschiere immer nach Osten, da müssten in zwei, drei Tagen die ersten Farmen zu finden sein, dann Dörfer und Städte." Die ich meiden muss, immerhin wird der Fürst ein Kopfgeld auf mich ausgesetzt haben, dachte sie, sagte es aber nicht. "Warum bist du eigentlich so weit im Nordosten? Ich weiß, dass die Stämme hauptsächlich im Südwesten, also auf den weiteren Gebieten vor den Weißen Gipfeln leben. Goethe, einer unserer Lehrer sagte mir mal, diese Berge hießen früher die Appalachen. Du hast also die Gebiete der Grenz-Kriegsherren durchquert", wechselte sie rasch das Thema. Roter Speer hob die Schultern. "Abenteuerlust. Klingt komisch, aber viele Krieger aus den Stämmen drängt es, die Eisenmenschen zu besuchen - nicht wegen ihrer Kirche oder den Fürsten oder den großen Steinbauten, nein. Aber ihr fertigt gute Waffen, außerdem sind Stammesleute als Scouts für Karawanen begehrte Söldner, da kein Raider oder andere Gefahren unbemerkt an einem Stammeskrieger vorbeikommen. Viele von unseren älteren Kriegern sind schon mit vielen Metallwaffen, mit allerlei nützlichen Dingen aus Eisen und auch mit vielen Rindern und Schafen zurückgekehrt, die sie für ihren Dienst bei Handelsherren bekommen haben." Maddy verzog das Gesicht. "Ich habe davon gehört, aber...im Orden sagte man mir, dass es verboten sei, Stammesleuten Eisenwaffen zu verkaufen."

      Da lachte Roter Speer wieder. "Ja, das ist es, aber kaum ein Händler außerhalb der großen Städte hält sich daran. Dein Schwert zum Beispiel ist eine solche Waffe, die ich mir kaufen wollte..." Maddys Blick fiel auf ihre Waffe, die der Tribal neben sich liegen hatte. "Ah, gut, dass du davon anfängst...könntest du es mir wiedergeben...mein Schwert, meine ich?", fragte sie vorsichtig. Roter Speer blickte sie daraufhin schweigend an. Fast erwartete sie, er würde sie jetzt auslachen und die gute Klinge einfach behalten - sie hielt es für weit wahrscheinlicher als das, was dann folgte. "Hast du Ehre genug, mich nicht damit töten zu wollen, weil ich dir geholfen habe?", fragte er sehr direkt. Fast erstaunt erwiderte sie seinen Blick. Ihr war gar nicht mehr in den Sinn gekommen, ihn anzugreifen - auch dann nicht, wenn sie ihr Schwert wieder zurückbekommen hätte. Dafür hatte man ihr das Konzept "Dankbarkeit" zu gut beigebracht. "Ich schulde dir mein Leben", sagte sie, wunderte sich ein wenig, dass sie diese für sie eigentlich schmachvolle Tatsache aussprach. "Ich verspreche dir...beim Ewigen Feuer, dass ich dir nichts tun werde, wenn du mir das Schwert zurückgibst", erwiderte sie ernsthaft. Roter Speer zögerte nur kurz, dann warf er ihr die Waffe, die noch in der Lederscheide steckte, zu. Maddy fing ihre Waffe geschickt auf. Der Tribal zögerte mit etwas, und sie erkannte, dass er noch etwas in der Hand hielt. "Dies hier hast DU dir verdient, ehrlich und im offenen Kampf. Ich habe kein Recht darauf, muss aber zugeben, dass ich überlegte, sie zu behalten." Ehe sie selbst hinter den Sinn dieser rätselhaften Worte gekommen war, warf er ihr den Inhalt seiner Rechten zu. Es waren gut gesäuberte Klauen und Reißzähne der Ödland-Wölfe, mit Löchern versehen und auf einer ledernen Schnur aufgezogen. Maddy fehlten die Worte, was Roter Speer zuerst als Zeichen von Ablehnung verstand. Vielleicht hielt die Ordenskriegerin es für einen heidnischen Brauch oder so. "Bei den Stämmen tragen wir Zeichen oder Symbole eines großen Kampfes, der uns dem Weg zu den Himmelswiesen nahebrachte, immer bei uns. Es sagt anderen Kriegern, was wir geleistet haben - oder auch, was wir leisten durften." Verdutzt, aber nun erfreut nahm Maddy die Kette entgegen. "Wann...hast du das...?" "Zwischen den barbarischen Überlegungen, ob ich dich am Spieß brate und den Stunden, in denen ich bösartiger Wilder dich nackt angeglotzt habe, während du bewusstlos warst", erklärte er, ohne mit der Wimper zu zucken. Maddy stand der Mund offen, aber dann, erstaunlich schnell, lachte sie. Sie glaubte ihm kein Wort, dabei hätte sie noch von zwei Tagen einem Tribal weit, sehr weit schlimmere Dinge zugetraut.

      Roter Speer war indessen zu einer Entscheidung gelangt, die ihm nicht sehr leichtfiel. Tatsache war: Ließ er Maddy alleine, würde sie - Ausbildung und Kämpfernatur hin oder her, mit Sicherheit sterben. Dass sie ihn nicht weiter um Hilfe bat, mochte an ihrem Stolz oder an ihrer Unwissenheit liegen, vielleicht auch an beidem. Aber das spielte nun keine Rolle mehr, denn nun hatte Roter Speer seine Wahl getroffen. Als er seine Sachen auf seinen Ecar gepackt hatte und aufgestiegen war, hob die junge Kriegerin die Hand zum Gruß. "Danke für alles...ich werde die Kette in Ehren tragen", sagte sie ernst, nachdem sie sie vor seinen Augen angelegt hatte. Ein leises Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, doch bevor sie die Abschiedsworte beenden konnte, streckte er ihr die Hand hin. "Reite ein Stück mit mir. Zu Fuß ist man recht langsam hier draußen." Sie zögerte, was er mit einem Grinsen abtat. "Naja, musst' natürlich ein wenig entgegenkommend sein, wenn ich es warm haben will heute Abend..." Das brachte sie spontan ebenfalls zum Grinsen. Seltsam, wie schnell sie ein gewisses Vertrauen zu diesem Stammeskrieger gefasst hatte, fand sie - doch ihr Instinkt sagte ihr, dass es nichts Schlechtes sei. Scheinbar gleichmütig hob sie die Schultern. "Beim Orden habe ich geholfen, Ecars zu kastrieren. Ich war ECHT gut darin. Hey, ich habe das so oft gemacht, dass ich nur ein männliches Geschlecht sehen muss, und mein Schwertarm zuckt..." Mit einem aufgesetzt schmerzhaften Verziehen seines Gesichts hob Roter Speer die Hand. "Äh, ja, ist gut. Drohung ist angekommen, verrückte Katze. Also kein Bettwärmer heute." Er musste selbst lachen, als sie grinsend seine Hand ergriff und sich hinter ihm in den Sattel schwang. Was er leider nicht bedacht hatte, war der Umstand, dass Maddy sich an ihm festhalten musste, da sie nicht richtig im Sattel sitzen konnte. Dass ihre Hände dabei warm und fest seine Hüfte umschlangen, machte den Ritt zu einer Qual, denn er spürte, wie er unter dem wenigen Stoff des Lendenschurzes steif wurde. "Sitzt...du sicher?", fragte er, gab seiner Stimme mit aller Mühe einen festen Klang. Er spürte durch Maddys Kleidung ihren straffen, jungen Leib, dessen vordere beide Rundungen sich an seinen Rücken drückten, wenn auch nur ansatzweise. Gut gemacht, Roter Speer, beglückwünschte er sich. Das würde ein langer, trockener Ritt werden. Und ein langer, sehr langer Tag.

      Der Verfolger gelangte zwei Stunden nach ihrem Aufbruch an das Nachtlager der beiden am Bach. Das heruntergebrannte Feuer, der Ecar-Kot und die Spuren, die noch gut sichtbar waren, sagten ihm genug. Er verwünschte den beschissenen Sandbären, auf den sein Ecar zu seinem Glück rechtzeitig aufmerksam geworden war. Das riesige Biest hatte am Bach, unweit des verlassenen Lagerplatzes, gesoffen und bemerkte den einsamen Reiter lange, bevor der wiederum ihn bemerken konnte. Nur knapp war der Jäger einer Konfrontation, die er zwar gewonnen hätte, die aber ein Risiko darstellte - vor allem jetzt, der er keine Verzögerung gebrauchen konnte. Tja, Kleine, dachte er mit einem wölfischen Grinsen, während er den Ecar-Spuren im Galopp folgte. Noch heute Nacht hole ich euch ein. Und ihr werdet mich nicht kommen hören.

      Bloody Will blickte von dem prasselnden Feuer, in das er eben noch gestarrt hatte, auf. Genau genommen war es nur noch die Glut, die ein wenig Wärme und kaum noch Licht spendete in der Ödlandnacht, die sich gerade dem Ende zuneigte. Der breitschultrige Mann erhob sich behände, lauschte in die Dunkelheit. Die Wachen vor ihren Wachfeuern schienen nichts gehört zu haben, daher glaubte Will im ersten Moment, er sei Opfer der späten - oder besser, frühen Stunde geworden, in denen man sich so manches einbildete. Vor allem, wenn man nicht schlafen konnte. Er starrte in die Dunkelheit, wusste nur zu gut, dass von dort einige hungrige Augen zurückstarrten, doch die Sklavenkarawane war zu gut bewacht. Selbst die Wasteland-Bestien kannten ihre Grenzen. Lässig spielte der Slaver mit der Hand an seinem Schwertgriff, einer teuren und hervorragenden Waffe, die er für eine horrende Summe in der südlichen Handelsstadt Lights Heat erworben hatte. Auch der Rest seines Äußeren verriet sofort den wohlhabenden Mann: unter dem Umhang aus Seide trug er ein kostspieliges Kettenhemd aus besonders feinen Metallringen, nur wenige Schmiede waren imstande, derartiges anzufertigen. Will trug außerdem handgefertigte, mit Silber verzierte Lederstiefel. Goldene Verzierungen und Ringe, dazu eine schwere Goldkette vervollständigten das Bild, Hände und Gesicht waren manikürt sowie parfümiert. Trotzdem war Bloody Will kein reicher Geck, sondern verfügte noch immer über seine antrainierten Reflexe. Und seine völlige Skrupellosigkeit, wenn es ums Geschäft ging. Plötzlich, als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, zog etwas seine Aufmerksamkeit auf sich. Will hatte hervorragende Augen, kaum jemand anderem wäre das vage, offensichtlich weit entfernte Flackern aufgefallen. Dort musste jemand lagern. Und dieser Jemand befand sich mit Sicherheit in einem recht gut, aber nicht gut genug gewählten Versteck