Nach einer stillen und glücklichen Überfahrt erreichten unsere Helden endlich die Küste Englands, und mit lauten Hurrarufen begrüßten sie die Heimat, in der sie Glück, Ruhm, Erfolg und klingenden Lohn zu ernten hofften. Bei der Einfahrt in die Themse wurde das Schiff mit Flaggen geschmückt. »God protect old England!« tönte es fröhlich von den Lippen der kühnen Abenteurer. Ein kolossaler Kohlenwagen der unterirdischen Bahn führte das Tier, sobald es ausgeschifft war, in den Zoologischen Garten. Lord W... wurde telegraphisch benachrichtigt und stellte sich sofort bei dem Direktor ein.
* * *
»Hier ist der weiße Elefant,« rief freudestrahlend Mayeris, »Mylord, wollen Sie nun bitte uns die versprochene Anweisung auf die englische Bank übergeben?«
Es war nur natürlich, daß bei dem Anblick des dunkel gefärbten Tieres alles betroffen schwieg.
»Aber – aber,« sagte endlich der Direktor, »Ihr Elefant ist ja schwarz?«
»Ja, das aber kommt nur daher, weil wir gezwungen waren, ihn zu färben, um unsern Raub in Sicherheit zu bringen.«
»So bitte ich Sie, Sorge zu tragen, daß er seine weiße Farbe zurückerhält,« sagte Lord W..., »denn ich kann unmöglich weiß nennen, was offenbar schwarz ist.«
Am andern Morgen erschien Mayeris mit den nötigen Chemikalien, um sofort die Operation zu beginnen. Er und seine Leute bemühten sich, dem unglücklichen Dickhäuter durch Anwendung der stärksten Mittel seine ursprünglich weiße Farbe zurückzugeben. Das arme Tier sah seine Peiniger mit seinen Albinoaugen klagend an, und sein Blick schien unruhig zu fragen: »Ach, warum bestreichen mich diese Menschen jeden Augenblick mit so unangenehmem Zeug?«
Aber die Säuren des Haarfärbemittels hatten sich tief in die Haut des Dickhäuters eingefressen, und die ohne chemische Kenntnis angewandten Gegenmittel verfehlten ihre Wirkung vollständig. Der Elefant wurde grün, orangefarben, blau, karmoisinrot, taubenfarben – er schimmerte in allen Schattierungen des Regenbogens – aber er wurde nicht weiß! Sein bunter Rüssel hing matt wie ein schlappes Segel an den enormen Masten seiner kolossalen in den groteskesten Farben erscheinenden Beine herab, so daß der Direktor des Zoologischen Gartens schließlich erstaunt ausrief:
»O, laßt ihn endlich in Ruhe! Rührt ihn nicht mehr an! Es ist ja ein wahres Fabeltier, ein Elefanten-Chamäleon. Man wird aus der ganzen Welt hierhin zusammenströmen, um dies Wunder aus Tausendundeine Nacht anzustaunen. Ganz gewiß hat es bis jetzt noch niemals ein solches Tier auf unserem Planeten gegeben. Wenigstens glaube ich das nicht.«
»Wirklich, ich glaube, daß Sie da recht haben,« sagte Lord W..., das seltsame Tier durch seine Lorgnette anschauend, »aber – – aber – nach den Buchstaben unseres Kontraktes ist Herr Mayeris verpflichtet, mir einen weißen und keinen vielfarbigen Elefanten zu liefern. Nur der weiße Elefant ist des Preises von 100 000 Pfd. Strl. wert, den ich dafür bewilligt habe. Herr Mayeris möge daher dafür Sorge tragen, ihm so rasch wie möglich zu seiner ursprünglichen weißen Farbe zu verhelfen. Aber wie das Tier jetzt aussieht, ist es wahrhaftig schwer zu glauben, daß dieses Scheusal ein weißer Elefant sein soll.« –
Mit diesen Worten setzte Lord W... seinen Hut auf und entfernte sich rasch, jede weitere Diskussion abschneidend.
Mayeris und seine Gefährten betrachteten schweigend das dahinsiechende Tier, das trotz aller angewandten Mittel nicht mehr weiß werden wollte. Plötzlich schlug der Tierbändiger sich vor die Stirn.
»Herr Direktor,« sagte er, »welchen Geschlechtes sind die im Zoologischen Garten befindlichen Elefanten?«
»Es ist nur ein Weibchen dabei,« antwortete dieser.
»Gut,« rief Mayeris triumphierend. »Wir müssen es mit meinem Elefanten zusammenbringen. Ich werde die zwanzig Monate lange Dauer seiner Schwangerschaft geduldig abwarten, der mulattenhafte Sprößling wird dann vor Gericht Zeugnis von der weißen Nasse seines Erzeugers ablegen.«
»Das wäre eine Idee,« sagte der Direktor, fügte aber gleich darauf in spöttischem Tone hinzu: »Sie werden dann zweifellos einen wie Milchkaffee aussehenden Mischling erzielen. Leider ist es jedoch bekannt, daß der Elefant in der Gefangenschaft sich der Freude Vater zu werden, auf das strengste enthält.«
»Fabeln! Das ist gerade solcher Unsinn, wie das Märchen von der vorgeblichen Keuschheit des Elefantenweibchens. Das weiß ich besser, mein Herr, und ich kann Ihnen Beweise dafür aufführen. Zum Überflusse werde ich alles, was das Tier genießt, mit den stärksten, die Sinne aufreizenden Mitteln bestreuen und wenn es auch darüber zugrunde gehen sollte. Das Schicksal möge sich entscheiden.«
An demselben Abend rieb sich der Tierbändiger vergnügt die Hände, da er die Gewißheit hatte, zu neuen Hoffnungen berechtigt zu sein.
Am andern Morgen jedoch fanden die Wärter des Elefantenhauses das arme mißhandelte Tier tot. Die Dosis Chin–sing war denn doch zu stark gewesen, es war daran gestorben.
»Nichts zu machen,« brummte Mayeris, als ihm diese Nachricht mitgeteilt wurde. »Ich muß jetzt den Lauf der Dinge ruhig abwarten. Ich weiß, daß meine Gegner zu anständig sind, um der Elefantenmutter abtreibende Mittel zu geben. Nur daß dieser Tod für mich einen nicht wieder einzubringenden Vermögensverlust bedeutet! Ich bin fest überzeugt, daß in drei bis vier Jahren das Tier doch die ursprüngliche weiße Farbe wieder erlangt haben würde.«
Mittlerweile sandte Lord W.... einen Unterhändler an Mayeris. Der Engländer bedeutete ihm, daß er sich unter allen Umständen an die in dem Kontrakte festgestellten Vereinbarungen halten würde und sich nicht für verpflichtet halte, wie auch das Resultat der Elefantenehe ausfallen sollte, das daraus hervorgehende Junge anzukaufen. Er bot jedoch dem Tierbändiger eine Entschädigungssumme von 5000 Pfd. Strl., um die unliebsame Sache aus der Welt zu bringen, und riet ihm, sich rasch einen anderen weißen Elefanten zu verschaffen, diesmal aber gut aufzupassen, daß er nicht zu echt gefärbt werde.
»Als ob es möglich sei, zweimal einen weißen Elefanten zu rauben,« sagte der wütende Tierbändiger. »Gut, ich werde prozessieren.«
Der Staatsanwalt wie die Advokaten versicherten ihm jedoch, daß seine Sache von vornherein eine verlorene sei, und Mayeris entschloß sich seufzend, einen Kurator für den künftigen Sprößling des weißen Elefanten zu ernennen und die von Lord W.... gebotenen 5000 Pfd. Strl. für sich und seine Leute anzunehmen. Dann verließ er London.
Wenn er später von diesem traurigen Abenteuer erzählte – das wirklich zu phantastisch ist, um erfunden zu sein – so fügte er mit seltsamem Tonklange hinzu:
»Ruhm, Erfolg, Glück? Es ist alles nur eitler Dunst! Vorgestern ging ein Königreich wegen eines mit einem Fächer gegebenen Streiches zugrunde, gestern löste sich vielleicht ein Kaiserreich aus noch nichtigeren Ursachen auf. Es hängt alles von einem Nichts ab. Ist es nicht wirklich geheimnisvoll? Wenn die alte Prophezeiung, die weissagende Drohung des Gottes da unten des Glaubens wert ist, den sie so viel Millionen Völkern einflößt, woher kommt es dann, daß das birmaische Reich nicht untergegangen ist? Doch ganz einfach daher, daß ich mich nicht besser vorgesehen habe und dieses fatale Wasser zum Färben des geraubten heiligen Elefanten von Gädoma-Buddha anwendete anstatt ganz einfach, beinahe symbolisch, meine schweren eisernen Tönnchen – – – mit Ruß zu füllen.
Sylvabel
›Schön wie die Nacht – und unheimlich wie sie.‹
Alfred de Vigny
Auf dem Schlosse Fonteval wurde ein Hochzeitsfest gefeiert, das gegen Mitternacht sein Ende erreichte. Die venezianischen Lampen, die in Guirlanden zwischen den hohen Bäumen der Alleen angebracht waren, leuchteten zwar noch, aber die Geigen des ländlichen Orchesters waren verstummt, und die Junker der Nachbarschaft suchten