Eddas Anregung kam mir in den Sinn, und ich fand den Gedanken recht sinnvoll, denn ich hatte natürlich nicht versäumt, Robert durch die Blume auszufragen, was man zum Betreiben eines Clubs benötigte.
Außerdem fand ich es besser, am Abend zu arbeiten, um tagsüber bei meinem Kind zu sein, denn in meiner Abwesenheit, hatte ich die Kleine doch wirklich sehr vermisst.
Kaum zu Ende gedacht, machte ich mich auf dem schnellsten Weg ins Lochbachtal, zu Frau Reichel.
Die Gute war rundweg begeistert, von der Idee, dass ich den Club zu neuem Leben erwecken wollte. „Ach da freue ich mich aber Ruth“, stimmte sie mir gegeistert zu. „Von mir aus kannst du jederzeit loslegen. Bei dir weiß ich, dass die Sache in guten Händen ist, und dass alles seinen rechten Weg geht. An welche Tage hattest du denn gedacht, und wann willst du denn anfangen?“ fragte sie zustimmend.
Nachdem ich alles geklärt hatte, begann ich mit den Vorbereitungen. Von vielen Freunden bekam ich die Platten geliehen, und Edda besorgte mir sogar ein altes Radio, und einen Plattenspieler. Als ich mit zwei Bonblöcken ins Rathaus kam, um die einzelnen Bons für die Vergnügungssteuer abstempeln zu lassen, wünschte mir der Beamte noch viel Erfolg. So einfach ging also selbständiges Betreiben eines Clubs. Fein.
„Und wie soll der Club heißen? Auch Baby-Club?“, wollte Edda wissen.
„Hm, nee, das finde ich blöd. Mit dem Baby-Club verbindet man auch den Zack und seine Kumpels. Nee. Hat doch nix mehr mit dem Zack zu tun. Tanzclub Blau-Rot. Ist besser. Okay?“, überlegte ich laut.
Edda nickte. „Ja, wieso nicht?“
Abends berichtete ich meiner Mutter von meiner neuen Arbeit. „Arbeit? Du meinst wohl Vergnügen?“, meinte sie skeptisch.
„Nein, Mutti, glaub mir, ich werde nicht nur das Eintrittsgeld verdienen, auch mit kellnern werde ich noch was dazu verdienen. Es stimmt zwar, die Leute kommen zum tanzen da hin, aber zu meinem Vergnügen wird das nicht, dafür habe ich keine Zeit. Hast doch selbst gesehen, dass ich bei der Frau Reichel immer gut verdient habe. Und jetzt wird das doppelt so viel werden, warte es nur ab“, war ich mir ganz sicher.
„Ach, so einfach kann das doch nicht sein, einfach nur ein paar Bons verkaufen, und damit Geld verdienen? Das glaube ich nicht“, blieb sie anfangs ungläubig, denn sie war zu einfach, obrigkeitstreu und unflexibel, um sich ungewöhnlichere Wege vorstellen zu können, als irgendwo, in einer Firma, zu malochen. Allerdings war sie neugierig genug, mich meine Sache machen zu lassen.
Ich verzichtete darauf, sie über die Abläufe, und die 5Prozentige Vergnügungssteuer aufzuklären, weil sie es dennoch nicht geglaubt hätte. Ihr musste man das Geld unter die Nase halten, Tatsachen vorzeigen, wenn man sie überzeugen wollte. Wollte ich das denn? Nö. Lieber würde ich sie bei ihrer Meinung lassen.
Nachdem Edda und ich einige Tage, in allen Clubs, die Werbetrommel gerührt hatten, starteten wir, mit Hilfe von Roberts bestem Freund Klaus, an einem Freitag Ende Mai.
Der Besuch war mäßig, aber nach einem schönen Abend, unter den erschienenen Freunden, war meine liebste Freundin mit mir der Meinung: „Das war ein netter Anfang, das wird noch!“
Zwar bekamen wir unsere Clubabende gut gefüllt, und dank der engsten Clique, war auch immer eine ausgelassene gute Stimmung im Saal, aber an Baby-Club -Zeiten konnten wir nicht anknüpfen. Die ganze Szene hatte sich verändert, irgendwie auseinander gezogen.
Natürlich ging ich an anderen Wochentagen auch manchmal in das Eiscafe Cortina, oder in die anderen beiden Clubs.
Aber das Cafe war nur sonntags nachmittags gut besucht, und zudem gefiel mir das Publikum dort nicht. Gymnasiasten, Studenten und Existenzialisten bildeten den größten Teil der Gäste, die wir in der Club-Szene nie zu Gesicht bekamen. Junge Leute aus besseren Kreisen, die mit dem Auto des Vaters protzten, weil sie damit mal fahren durften. Auf engen Kontakt, mit dieser Art von Jugendlichen, legten wir aber auch keinen großen Wert.
Von den beiden anderen Clubs, war im Eckstumpf mittlerweile sogar gähnende Leere, sodass der sich nicht mehr lange würde halten können, nur der Beat-Club in Ohligs, dieser dunkle Schlauch, war noch gut besucht. Was meiner Meinung nach, mehr an der Würstchen-Attraktion Conny, als an dem dunklen Saal und seinen Betreibern lag, obwohl die Musik zunehmend besser wurde. Man spielte sehr viel die neue Musik von den englischen Pilzköpfen, nach denen der Club auch benannt war. Damit war die Konkurrenz gefährlich auf dem Vormarsch.
Noch dazu hatten die Anderen den Vorteil, günstiger gelegen zu sein, denn zum Lochbachtal fuhr leider immer noch keine Buslinie. Ich ahnte schon, dass meine Club-Zeit nicht mehr lange dauern würde. Aber ich blieb unermüdlich im Einsatz. Ich wollte es nutzen, so lange es ging.
Mein Geschäftssinn war geweckt.
untreu
Ich hatte schon ein unterschwelliges, ungutes Gefühl, so als läge ein Unheil in der Luft, aber von welcher Seite das auf mich zukam, ahnte ich nicht im Entferntesten.
Einige Wochen, fast drei Monate, ging es mehr schlecht als recht mit meinem Kartenverkauf und ich erwischte mich selbst dabei, dass ich auch schon betrog. Schon bei meinem Vorgänger hatte man darüber gemunkelt, dass er nicht alle Marken abstempeln ließ. Robert hatte im Schreibwarengeschäft immer zwei Blöcke von der gleichen Farbe gekauft, von denen er einen, treubrav, vom Stadtsteueramt abstempeln ließ.
Den zweiten Nummernblock von der gleichen Farbe hatte er dann ebenfalls für den Verkauf genutzt, um auf die Art die Steuer zu sparen, und so mehr Geld in der eigenen Tasche zu haben. Denn erst die verkauften Nummern, musste man mit dem Steueramt abrechnen. Viele Clubmitglieder hatten das gewusst, aber dank Roberts schneller Faust, keinen Einspruch gegen seinen offenen, kleinen Betrug erhoben.
Bei mir traute man sich. Einmal sprach mich ein unbekannter, männlicher Besucher darauf an.
Der blonde Knabe war erst zum zweiten Mal in unserem Club, und er fragte kess: „Und führst du auch korrekt die Steuer ab?“, dabei grinste er frech, und hielt demonstrativ die Garderobennummer gegen das Licht.
Meine freche Erwiderung: „Klar, was denkst du denn?“, blieb mir, dank seiner Antwort, fast im Halse stecken.
„Dann muss ich blind sein! Ich sehe keinen Stadtstempel. Betrügst du etwa die Steuer? Dann muss ich das entweder melden, oder du gibst mir mein Eintrittsgeld zurück. Was ist dir lieber?“, fragte er zynisch grinsend, und sah mich herausfordernd an.
Empört baute ich mich breitbeinig, mit in die Seiten gestützten Armen, vor ihm auf, und forderte zornig: „Einen Tritt, und durch die Tür fliegen, kannst du kriegen, du Penner. Wenn dir hier was nicht passt, verschwinde, aber ganz plötzlich. Wie ich das hier handhabe, ist einzig und allein meine Sache, kapiert? Solche Typen wie dich, brauchen wir hier nicht, damit du klar siehst. Also, hier hast du deine 2 Mark, und zisch ab. Aber die Eintrittsmarke will ich zurück haben. Los. Mach schon!“, befahl ich energisch und hielt ihm das Zweimarkstück hin.
Er knickte ein, meine lautstarke Aufforderung, hatte einige unserer Clubmitglieder angelockt. Roberts Kumpels, starke Jungs, die auf fremde Randalebrüder recht grantig reagierten. Als die bedrohliche Mauer, aus grimmig dreinblickenden jungen Männern, vor dem Frechdachs stand, hob er abwehrend beide Hände, und korrigierte: „Aber nicht doch, Leute, das war doch nur Flachs. Ich bin doch gerne in der Szene, ich wollte doch keinen Streit. Ruth, bitte, nimm es mir nicht krumm, natürlich mach ich das nicht, ich verpfeife doch niemand. Gut? Kann ich bleiben? Wenn du nicht willst, dann geh ich natürlich. Tschuldige, noch mal“, schleimte er unsicher.
„Ist in Ordnung. Dann will ich mal nicht so sein“, gab ich mich großzügig. „Aber woanders passt du besser auf, was du sagst. Das ist gesünder. Sind nicht alle so gutmütig wie ich. Ist in Ordnung Jungs!“ Grinste ich dankbar die freiwilligen Ordner an.
„ Als Wiedergutmachung, gebe ich dir auch eine Cola aus, wenn du magst. Ich bin der Dieter“, bot er mir an, und ich nickte nur gnädig.
Eigentlich