„Nein!“, erwiderten wir wie aus einem Munde.
„Wie? Nein? Warum nicht?“, staunte er, mit dämlichem Gesichtsausdruck.
„Weil es hier keine gute Musik gibt. Die war viel zu laut und kratzte schrecklich. Kann sich doch keiner länger anhören. Habt ihr kein Geld für ne ordentliche Anlage? Oder habt ihr ein Problem mit den Ohren?“, gab Edda ihre Meinung zum Besten.
„Oder weil das hier eine unmöglich dunkle Höhle ist, deshalb wollen wir keine Mitgliedschaft. Ist das vielleicht klarer?“, wurde ich deutlicher. „Nee, komm, Edda, dafür bezahl ich keinen Pfennig, von zwei Mark ganz zu schweigen. Da geh ich lieber woanders hin, lass uns abhauen“, schlug ich vor und wandte mich zur Tür.
Der Blonde war wohl sprachlos, denn er starrte uns nur mit offenem Mund an. Als wir hinaus gingen, hörten wir seine Schritte auf dem Holzboden, als er zurück zum anderen Ende des Raumes ging.
„Eckstumpf oder Olly?“, fragte ich draußen. „Besser Olly. Ist jetzt näher, oder?“, schlug ich gleich die kürzere Möglichkeit vor.
„Da wird zwar auch nicht viel los sein, aber hast recht. Also Olly.“, nickte meine Freundin.
Verwundert wollte ich wissen: „Wieso? War doch immer was los. Versteh ich nicht. Was hat sich denn verändert?“
Schulter zuckend meinte Edda: „Keine Ahnung, irgendwie ist die ganze Szene mau. Vielleicht weil es sich jetzt auf drei Clubs verteilt? Ist schon komisch, mit dem Ende des Baby-Clubs scheint den Leuten die Lust vergangen zu sein. Ich weiß es auch nicht“, war sie ratlos.
Tatsächlich konnten die paar müden Figuren, die Ollys Laden nicht einmal zu einem Viertel füllten, die träge Stimmung nicht vertuschen. Zwar lief die Musikbox wie immer, aber weil nur Schmusesongs ertönten, schien der Ton leiser als sonst zu sein. Vielleicht lag es an den sanften Rhythmen, dass niemand tanzte, sondern die Gäste sich nur auf den Plätzen lümmelten.
Sogar die eigentlich quirlige Wirtin, und ihr fleißiger Ehemann, hingen lustlos an der Theke, ohne uns Neuankömmlinge zu beachten, oder nach unseren Wünschen zu fragen. Zum ersten Mal fiel mir auf, wie alt, verbraucht und äußerlich künstlich aufgeputscht die Frau aussah, und wie aufgedunsen und verlebt ihr Ehemann war. Der Alkoholgenuss hatte seine Zeichen bei den Wirtsleuten hinterlassen. Ja, die ganze Atmosphäre wirkte wie gelähmt. Insgesamt ein betrübliches Bild.
„Mensch, hier ist ja der Hund begraben. Das macht überhaupt keinen Spaß mehr, hier hinzugehen. Sag mal, was machen wir denn jetzt? Oder ist der Treffpunkt jetzt der Eckstumpf? Aber, um noch nach Wald zu fahren, ist es mir heute schon zu spät. Mensch, Edda, was ist denn mit den ganzen Leuten los? Wo sind die denn alle hin?“, fragte ich enttäuscht.
„Was soll ich dazu noch sagen? Es ist keine Stimmung mehr da. Keiner der das Zugpferd macht. War im Baby-Club anders. Tja“, war auch Edda ratlos.
Ungläubig widersprach ich: „Das kann doch nicht nur an dem Wegfall des Baby-Clubs liegen. Willst du damit sagen, dass Robert das Zugpferd der ganzen Club-Szene war? Im Ernst?“
Als sie nickte überlegte ich: „Das ist ja schrecklich! Der kann erst in vier Jahren wieder einen Club aufmachen. So lange soll es so öde zugehen? Nee, das wäre ja todlangweilig. Was können wir dagegen tun?“
„Mach du den Club wieder auf. Du bist die Einzige, die mit der Reichel klar kommt.“ Schlug meine Freundin vor.
„Quatsch! Ich hab doch keine Ahnung wie das abläuft“, lehnte ich spontan ab.
„Das ist doch kein Problem für dich. Wenn es Jemand kann, dann du!“, widersprach Edda energisch.
Im Bett liegend, dachte ich noch lange über Eddas unerwartete Idee nach. Eigentlich hat sie ja Recht, dachte ich. Von der Reichel werde ich sicher keine Ablehnung bekommen, ganz im Gegenteil. Die wird froh sein, wenn ich ihr wieder den Rücken stärke. Aber wie das mit dem Eintritt läuft, muss ich erst wissen, und dann fehlt mir auch noch die Musikanlage. So viele Platten wie ich brauche, habe ich nicht, und zum kaufen fehlt mir das Geld. Vielleicht mit Musikbox, wie bei Olly? Aber dann kann ich keinen Eintritt nehmen. Mir qualmte der Kopf, sodass ich mitten in meinen Überlegungen einschlief.
Als ich am nächsten Morgen gerade die Betten machte, erlebte ich eine große Überraschung. Kaum hatte der Rest meiner Familie das Haus verlassen, als es klingelte.
„Du? Wo kommst du denn her? Wieso bist du hier? Hast du denn schon Urlaub?“, staunte ich völlig fassungslos, denn vor unserer Haustür stand mein Freund Robert.
Breit grinsend, zog er mich schwungvoll in seine Arme, küsste mich stürmisch und strahlte; „Ja, da staunst du, was? Nee, ich bin abgehauen, ich hatte keinen Bock mehr. Langweiliger Laden, da“, zischte er verächtich, mit einer abwehrenden Handbewegung.
„Wie? Geht das denn so einfach?“, fragte ich naiv.
„Siehste doch. Bei mir geht das. Aber frag nicht so blöd. Willste mich nicht reinlassen? Sind doch alle zur Arbeit, oder nicht?“, erkundigte sich Robert lauernd.
Ich nickte: „Klar, komm rein.“
Der Vormittag wurde ein Freudenfest der Liebe und des Wiedersehens, denn selbst die kleine Ramona war stundenlang recht ruhig, ausnahmsweise mal nicht so quengelig wie sie es sonst eigentlich war.
Weder Robert noch ich, machten uns Gedanken über die Folgen seiner Flucht. Zwar war mir unterbewusst klar, dass Roberts Ausflug in die Heimat nicht rechtens sein konnte, aber ich hatte keine Ahnung über die Vorschriften bei der Bundeswehr, und Robert erwähnte zwar am Rande, dass man ihn vermutlich suchen werde, und er wohl bald wieder zurück müsse, aber dramatisch klang das nicht, eher gleichgültig.
Als ich ihm von Eddas Idee erzählte, lachte er mich nur aus und meinte: „Ihr Weiber kommt vielleicht auf blöde Ideen. Das ist doch nix für ein Mädchen, nee, schlag dir das mal schnell wieder aus dem Kopf. Schließlich hast du keine Ahnung davon, wie du nen Club aufbauen musst, und was willst du denn machen, wenn es mal Krach gibt? Schlichten? Oder Jungs aufs Maul hauen? Nee, lass den Quatsch.“
Ich verzichtete auf weitere Diskussionen, wollte die Stimmung nicht kaputt machen.
Kurz nach Mittag entschied er sich dann, zu seinen Eltern zu fahren, und weil ich mit der Kleinen zu Eddas Arbeitsstelle wollte, entschloss er sich, bis dorthin mitzugehen. Kurz vor dem Friseursalon küsste er mich zum Abschied, meinte: „Ich gehe nicht mit rein, ich fahre zu meinen Eltern. Wir sehen uns heute Abend, ich komme dann später zu dir.“
Dazu sollte es nicht mehr kommen. Ich musste mir abends nur die Vorwürfe meiner Eltern anhören, was für ein Hallodri der Vater meiner Tochter sei.
Denn inzwischen waren die Feldjäger auf der Suche nach dem „Fahnenflüchtling“ auch bei uns zu Hause gewesen.
„Dieser Bengel kann aber auch wirklich nichts als Mist bauen. Das bringt ihm jetzt mit Sicherheit viel Ärger ein. Da hast du dir ja einen ausgesucht, unmöglich! Mit dem wirst du noch sehr viel Ärger haben“, wusste meine Mutter über meine Zukunft zu unken.
„Den stecken sie beim Bund mal erst in den Knast, was glaubt ihr denn? Die Flausen werden die dem noch austreiben. Schadet ihm nix.“ kommentierte mein Vater wissend.
Ich enthielt mich eines Kommentars, es war mir egal.
Nun empfand ich für Roberts Probleme nur noch Gleichgültigkeit.
unermüdlich
Am nächsten Tag war Robert schon wieder weg, die Feldjäger hatten ihn schon abgefangen. Aber seit dem Tag, des kurzen glücklichen Zusammenseins, war meine Liebe und Sehnsucht nach Roberts körperlicher Nähe wieder voll erwacht, und während ich immer unzufriedener und schlechter gelaunt wurde, grübelte