Die Witwe und der Wolf im Odenwald. Werner Kellner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Werner Kellner
Издательство: Bookwire
Серия: Mordskrimi aus dem Odenwald
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753195193
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und die Vergewaltigung seiner Frau zu melden, offensichtlich eine Racheaktion der Mafia an der Kronzeugin.

      Er fügte ein Foto seiner Frau auf dem zerwühlten Bett bei, so wie er sie schwerverletzt nach seiner Rückkehr vorgefunden hätte. Der Vollständigkeit halber beschrieb er das vermutete Fluchtfahrzeug des Täters mit dem Kennzeichen des Odenwaldkreises und gab an, dass er die Heckscheibe zerschossen hatte. Ob er den Fahrer getroffen hatte, konnte er nicht sagen. Der Wagen hatte geschleudert, aber seine Fahrt fortgesetzt.

      Er bat die Kollegen abschließend, alle verfügbaren DNA Spuren auf dem zerwühlten Laken zu sichern und mit dem Register in der Kriminaldatei zu vergleichen.

      Als Letztes fügte er an, er wäre auf dem Weg in eine Privatklinik, um seine Frau unter voller Geheimhaltung ihres Aufenthaltsortes behandeln und hoffentlich retten zu lassen.

      Er wollte für die Organisation gezielt falsche Spuren hinterlassen, und den Tod seiner Frau ebenso verheimlichen wie seinen künftigen Wohnort, der von ihm sorgfältig geplant und deutlich vom Zeugenschutzprogramm abwich.

      Er sah eine schwere Zeit auf sich zukommen, und er sollte Recht behalten.

      Im Taxi zum Hauptbahnhof passte der Song von Sia

      ‚Never Give Up‘ wie eine Faust aufs Auge:

       I've battled demons that won't let me sleep Called to the sea but she abandoned me

       But I won't never give up, no, never give up, no, no No, I won't never give up, no, never give up, no, no

       And I won't let you get me down I'll keep gettin' up when I hit the ground Oh, never give up, no, never give up no, no, oh

      Am Bahnhof kaufte er zwei erste Klasse Tickets nach Genf und erwischte den ICE 991 über Mannheim und Basel nach Genf um 05:26 Uhr gerade noch, denn der war diesmal ausnahmsweise pünktlich.

      Er war sicher, mit diesem Schritt die Vergangenheit und seine Verfolger solange abschütteln zu können, bis die Angelegenheit aus den Schlagzeilen verschwunden wäre. Und er mit seiner Tochter ein Leben führen könnte, das frei war von ständiger Bedrohung, wo er sich nicht ständig umsehen und Rücksicht auf irgendwelche Ehrenkodices nehmen müsste.

      Ab sofort hatte die Sicherheit seiner Tochter vor ihren Verfolgern oberste Priorität. Er schwor sich, alles zu tun, dass sie künftig auf sich allein aufpassen konnte. Sie sollte als Frau und wegen ihrer afghanischen Gene nicht ständig gezwungen sein, die zweite Geige zu spielen. In der Schweiz hatten die Frauen auch erst seit den 90er Jahren volles Wahlrecht und in den Köpfen der Menschen seiner Heimatgemeinde im Odenwald war das Meinungsbild nur geringfügig anders. Eine spätere Rückkehr in seine Heimat nach einem Jahrzehnt im Untergrund, um seine Verfolger abzuschütteln, wollte er a priori jedenfalls nicht ausschließen.

      Er wollte außerdem die Suche nach dem Mörder seiner Frau nicht komplett aber zumindest für die nächste Zeit einstellen. Er kannte das Spiel, und jede Suche seinerseits nach dem Mörder würde unübersehbare Spuren hinterlassen und eine Gegenreaktion auslösen, die er definitiv nicht wollte.

      Sein Wunsch nach einem unbeschwerten Leben, wäre schwierig genug zu realisieren. Aber der Wunsch war da, und es war ihm wichtig, seine Tochter behutsam und in erträglichen Dosen über das Geschehene aufzuklären. Ganz allmählich wollte er ihr ermöglichen, Lebensfreude und Stärke als Schutz gegen eine nicht immer freundliche Welt aufzubauen. In der Toleranz und gegenseitiger Respekt ein hohes, aber seltenes Gut waren.

      Er hatte sich eine Geschichte zurechtgelegt, in der ihre Mama ganz plötzlich verschwunden war und niemand wusste, was geschah. Sie war einfach nicht mehr da, aber er würde sie suchen und finden. Er hatte nicht den Mut, ihr zu sagen, dass ihre Mama tot war, und hoffte, die Erklärung, dass sie spurlos verschwand, wäre leichter zu ertragen.

      

       Kapitel 5

       Odenwald Journal, dpa vom 16.10.2009.

       Gestern wurden der ehemalige Oberstaatsanwalt, Karl Miltner, der zu Beginn des Prozesses gegen die Drogenmafia der Frankfurter Szene die Anklage vertreten hatte, sowie seine Ehefrau tot in ihrem Haus aufgefunden. Die Polizei prüft, ob die Todesfälle durch Fremdeinwirken zustande kamen. Gestern überraschte die Polizei im Rahmen einer Pressekonferenz mit der Meldung, dass die Kronzeugin desselben Drogenprozesses, in dem der Oberstaatsanwalt Karl Miltner die Anklage leitete, offenbar vor Überführung in das Zeugenschutzprogramm spurlos verschwunden ist. Zu den am Tatort gefundenen Spuren, welche auf eine Entführung hinweisen, wollte sich die Polizei nicht weiter äußern. Die Möglichkeit, dass es zwischen den beiden Ereignissen einen direkten Zusammenhang gibt, wurde nicht ausgeschlossen.

       Wiesbaden, Freitag, 16.10.2009, 18:30 Uhr

      Der Mann, den sie Andrei riefen, landete um 17:45 Uhr nach pünktlicher Ankunft seines Fluges mit Aeroflot aus Moskau. Er wartete am Ausgang am Gate B 21 des Frankfurter Flughafens in der Schlange der Passkontrolle, hatte kurzgeschorene Haare, eisblaue Augen und einen harten Mund in einem Durchschnittsgesicht. Keiner der ihn ansah, war hinterher in der Lage seine Visage im Detail zu beschreiben. Sein muskulöser Körper steckte in einem zu engen dunkelgrauen Anzug, und er hatte nur einen schlanken Aktenkoffer dabei, der ihn als Business Traveller auswies.

      Der Bundespolizist, der seinen Ausweis prüfte, sah ihm nur kurz ins Gesicht und winkte ihn durch. Er war ein ‚Wolf‘ oder Spezialist für Entführungen und Auftragsmorde im Auftrag der Bruderschaft, und sein heutiger Auftrag lautete auf eine perfekte Entführung einer jungen Frau und ihrer Tochter. Wenn notwendig durfte er Gewalt anwenden, hatte der Boss ihm mit auf den Weg gegeben, aber er wollte die Opfer lebend in Empfang nehmen.

      Er ging in die Ankunftshalle an den Schalter einer Mietwagenfirma und holte sich die Schlüssel für einen Transporter, mit dunklen Fensterscheiben, denn der Rückweg würde nicht per Flugzeug, sondern mit dem Auto erfolgen. Der ‚Wolf‘ ging entspannt zu den Gepäckschließfächern, entnahm den Rucksack mit seiner Standardausrüstung für solche Fälle, warf ihn über die Schulter und ging zum Mietauto Parkplatz am Ende der Halle mit den Serviceschaltern. Bevor er losfuhr, zog er sich auf einer Toilette um, und trug ab sofort die Uniform eines Hauptwachtmeisters der Frankfurter Stadtpolizei.

      Der Boss hatte angeordnet, diesmal kein Fahrzeug aus dem Fuhrpark der ‘Gesellschaft’ zu benutzen, sondern einen Mietwagen zu nehmen.

      Dann verließ der Mann den Flughafen in Richtung Kelsterbach und fuhr auf die A3 nach Wiesbaden. Er war frühzeitig vor Ort und drehte ein paar Runden um das Zielobjekt, um den Fluchtweg abzusichern.

      Er versorgte sich an einem Kiosk mit einer Ration Energy Drinks, Proviant und Getränken für zwei Tage und besorgte sich an einer Tankstelle zwei 20-Liter-Kanister, die er mit Benzin volltankte.

      Um 19:00 Uhr stellte er den Transporter nahe der Einfahrt zur Tiefgarage des Zielobjektes ab, um das Gebäude durch die Tiefgarage und über die Brandschutztür zu betreten, welche zum Keller und den Aufzügen führte. Von der Straße aus sah er in der Tiefgarage die blauen Blinklichter der Polizei leuchten.

      Der Entführer entschloss sich, den Haupteingang zu benutzen, wo er mit einem Tippen des Zeigefingers an den Mützenschirm den Kollegen grüßte, der den Eingang bewachte. Der Polizist erwiderte lässig seinen Gruß, und der Entführer stieg die Treppe hoch. Im Flur des dritten Stocks sah er schon, dass das Interesse der Polizei der Wohnung der Zeugin galt. Die Eingangstür zur Wohnung stand weit offen und bei den Personen, die die Szene bevölkerten, dominierte die weiße Schutzkleidung der Kriminaltechnik.

      Er baute sich neben dem Aufzug auf und aus den Gesprächen, die er belauschte, ging klar hervor, dass eine Frau vergewaltigt und schwerverletzt worden sei. Ein KTU-Mitarbeiter tütet ein Einmalbesteck ein, und die Rede ist von einem goldenen Schuss, den man der Frau zusätzlich verpasst hat. Die Frau sei von ihrem Mann, sofort nachdem er sie gefunden hatte, in eine Privatklinik gefahren worden. Über den Verbleib der Tochter bekam