Die Witwe und der Wolf im Odenwald. Werner Kellner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Werner Kellner
Издательство: Bookwire
Серия: Mordskrimi aus dem Odenwald
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753195193
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in der ‚Bratwa‘ hatte er ein eher differenziertes Verhältnis, denn er machte ihn seinerseits für den Umsatzeinbruch mitverantwortlich, weil die austrocknende Versorgung an Rohopium zeigte, dass der Boss seine Nachschubwege immer weniger sichern konnte. Noch hielt er sich zurück, aber er sah die Zeit näher kommen, wenn es zum Machtkampf käme.

      In der Odenwaldregion hatte er inzwischen einen exzellenten Ruf als Womanizer erlangt, denn interessanterweise lobten ihn die meisten seiner Damen, selbst wenn sie ausgemustert waren, weil sie sich schämten zuzugeben, einem Betrüger aufgesessen zu sein.

      Er schaffte es, seine Potenz und seinen Sextrieb zu einem Verkaufsschlager und einer einträglichen Nebentätigkeit zu machen.

      Seine Masche lief darauf hinaus, seine exklusiven Kundinnen, die er über das Internet und seine eigene Web-Seite einfing, durch seine Ausstrahlung und die elegante Villa zu beeindrucken. Er lotste sie in sein Domizil, das am Ortsrand von Groß-Umstadt gelegen, mit allen Schikanen eines Lusttempels ausgestattet war.

      Er suchte Damen jeden Alters, die unter Minderwertigkeitskomplexen litten. Zu Beginn ihrer Beziehung und dank der ihm eigenen Leichtigkeit vermittelte er diesen Frauen schnell den Eindruck, dass sie selbst es waren, die zu einem deutlich gesteigerten Selbstwertgefühl zurückfanden.

      Sein Service war in der Region einzigartig, und offensichtlich deckte er damit eine Marktlücke ab, denn die Nachfrage war groß. Mit einem exorbitanten Honorar ließ er sich jedoch im Grunde nur die Befriedigung seines Hormonhaushaltes bezahlen. Dennoch schaffte er es jedes Mal, den Mutter Theresa-Komplex der Damen anzuzapfen, und sie in eine klare Abhängigkeitsrolle zu bugsieren, in der er sie um ihre Ersparnisse brachte, bevor sie noch richtig merkten, was mit ihnen geschah.

      Und da er mit seinen Fähigkeiten im Bett ein ordentliches Pfund zu bieten hatte, nahmen die niveauvollen Wünsche der Damen nach Selbstverwirklichung und Entwicklung ihrer Persönlichkeit schnell ab. Und dies geschah umso öfter, er ihnen mit seiner Ausdauer und Standhaftigkeit zu einer Serie von Höhepunkten verhalf und die Beziehung sich letztlich auf reine Lustbefriedigung reduzierte.

      Manchmal kam es zu Tragödien, wenn die Damen merkten, dass sie benutzt und ausgenutzt wurden, und Frank weinte denjenigen, die sich seinetwegen vom Hetzbacher Viadukt der Odenwaldbahn schon in den Tod gestürzt hatten, keine Träne nach. Im Gegenteil wuchs sein Ego umso kräftiger, sobald er wieder seine Stärke demonstriert hatte.

      Bei Steffi Schwaiger hingegen nagte die Erkenntnis an seinem Ego, dass es ihm eben noch nicht gelungen war, die Oberhand über ihre Willensstärke zu gewinnen. Sie kam mit ihm in Kontakt, weil sie einen Seelentröster suchte, denn ihre vorherigen Bemühungen, eine ernsthafte Dauerbeziehung mit einem netten Mann aus der Region einzugehen, scheiterten an ihrer Willenskraft und ihrem Selbstbewusstsein.

      Steffi verfügte über einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und jede Menge an Energie, die sie dazu brachten, sich mit Hinz und Kunz anzulegen, wenn sie das Gefühl hatte, Zeuge eines Unrechts zu sein. Diese Stärke und die Erwartung gleichwertig behandelt und respektiert zu werden, führte nur allzu oft dazu, dass Steffis männliche Zielobjekte nach kurzem Beschnuppern aussortiert wurden, bevor sie in den Genuss ihrer Zärtlichkeit kamen. Die Sicht des anderen Geschlechts, dass Frauen an den Herd gehörten und sich dem Mann unterzuordnen haben, war im Odenwald auch in der modernen Zeit latent vorhanden, und zwar öfter als Steffi es vertrug. Sie war sehr streng in der Analyse ihrer Partnerprofile.

      Wer sie nicht respektierte, der hatte verloren.

      Frank wusste nur zu gut, dass seine Ausstrahlung und seine Fähigkeit zuzuhören eine größere Bedeutung für Steffi hatten als seine Potenz. Er würde eine Menge Geduld, Einfühlungsvermögen und sehr sanfte Gewalt brauchen, um aus einer Bedrohung für die Organisation eine willige und ihm hörige Geliebte zu machen.

      Steffi, ihrerseits ließ sich zwar in ihren Depri-Phasen nicht ungern von seiner Lust anregen, wobei sie dann auch jedes Mal volles Rohr auf ihn einschwätzte. Eigentlich wollte sie niemanden, der ihr den Kopf rumdrehte, geistig gesprochen, sondern jemanden, der ihr, ohne sie zu unterbrechen, zuhört. Selbst auf die Gefahr hin, alles Gehörte in fünf Minuten wieder vergessen zu haben.

      Für Frank war es gerade jetzt wichtig, sich und seinen Kumpanen zu beweisen, dass er imstande wäre, diese Hexe von der Seniorenoase abzulenken. Sie dazu bringen, sich anderweitig mit ihrer unbezähmbaren Neugier abzuarbeiten. Gleichzeitig würde sie auch sein Egoproblem lösen.

      Er kannte ihr Leben dank ihres natürlichen Redeflusses in- und auswendig, wusste genau, was ihr der Job im Gesundheitsamt bedeutete, und wie viel Spaß sie hatte, wenn sie Willy Hamplmaier bei seinen Seitensprung Ermittlungen helfen konnte. Sie scheute auch nicht davor zurück, ihm detailreich und mit allen Einzelheiten zu erzählen, was ihr die jeweiligen Betthupferl an seelischen Grausamkeiten angetan hatten. Insbesondere litt sie immer noch darunter, dass ihre Jugendliebe aus Sandkastenzeiten sie vor Jahren wegen einer ‚Kriminellen‘, wie sie es ausdrückte, verlassen hatte.

      Rückblickend stellte er fest, dass er schon eine ganze Weile nichts mehr von Steffi gehört hatte, die er in regelmäßigen Abständen von ein paar Monaten aufbauen durfte, weil sie wieder von einer ihrer flüchtigen Bekanntschaften versetzt worden war. Die Video Konferenz nahm er zum Anlass, um den Kontakt aufleben zu lassen und sie an seine Fähigkeiten zu erinnern. Ausgestattet mit seinem ungebrochenen Bezwinger Bewusstsein schickte er eine SMS an sie.

      „Hallo Traumfrau”, schrieb er, „hast du wieder einmal das Bedürfnis nach starken und zuverlässigen Armen, die wissen, wie sie dich auffangen, wenn es dir schlecht geht?“

      Steffi, die gerade offline war, schrieb eine halbe Stunde später zurück, ‚es wäre grad nicht so toll, denn sie wäre im Augenblick in einer eher zwiespältigen Phase.‘Das interpretierte er so, dass Ihr Bedürfnis, sich ordentlich auszusprechen, gewachsen war.

      „Ich glaube, ich habe vorerst keinen Bedarf an einem Fangnetz starker Arme”, schrieb sie und machte wieder einen Schritt zurück.

      Das gefiel nun Frank wiederum nicht, und er setzte mit einem Gefährdungsszenario nach.

      „Tut mir leid, zu hören, dass es dir schlecht geht. Ich hab so das Gefühl, dass es diesmal um etwas sehr Unangenehmes geht, was dich belastet. Ich möchte einfach nicht, dass man dir wehtut. Und du weißt ja, den seelischen Mülleimer für deine Probleme zu spielen, das fixt mich mehr an als deine umwerfende Akrobatik im Bett“, schrieb er und lachte in sich hinein.

      Frank ging davon aus, dass sie insbesondere wegen der Unannehmlichkeiten, die das Gesundheitsamt den Normalbürgern wegen der Corona Pandemie aufbürdete, auch ohne sein Zutun schon jede Menge Ärger im Job haben würde. Querdenker und Ideologien überschütteten die Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden mit Drohungen und Hass-E-Mails, nur weil sie ihren Job machten und Quarantäne verordneten und kontrollierten. Er dachte, wenn er ihr anbieten würde, aus dem Teufelskreis von ‚Hässlich-angemacht-Werden‘ und aggressivem Stalking zu entkommen, würde sie vielleicht sogar zu ihm ziehen, was seine Kontrolle über sie wesentlich vereinfachen würde.

      ‚Sobald ich sie aus dem Dunstkreis des Gesundheitsamtes heraus bekomme, ist sie Wachs in meinen Händen, ‘ dachte er. Frank war schon immer einer, der sich Dinge schönredete, aber wenn es nicht so lief, wie es ihm vorschwebte, dann kam auch seine gewalttätige Seite ganz schnell zum Vorschein.

      Frank wurde ungeduldig. Er schrieb mit etwas mehr Nachdruck.

      „Ich kann mir gut vorstellen, wie man sich fühlt, wenn man sich vor Hass-Mails nicht retten kann. Und die nächste Stufe könnte richtig gefährlich werden. Ich möchte nicht, dass du Angst hast, und das Ganze in einer Katastrophe endet?“

      An ihrer unmittelbar folgenden Reaktion merkte er, dass er zu weit gegangen war. Sein Handy klingelt, und sie fährt ihn schroff an.

      „Sag mal, wie kommst du darauf, dass meine Arbeit gefährlich für mich sein könnte?“

      „Na ja, wenn du in dieser blöden Pandemie gezwungen bist, alle möglichen Anstalten anzuzeigen, dann gibt es sicher einige darunter, die sich das nicht ohne Gegenwehr gefallen lassen”, versuchte er eine lahme Ausrede, aber sie ließ nicht locker.

      „Das