Gerade wurde der erste von ihnen aufgerichtet, indem man das angespitzte untere Ende des Pfahls in die frisch ausgehobene Kuhle gleiten ließ, als Mraeghdar Hufschlag herannahen hörte. Und dort kam er geritten, Lyghdar, in Begleitung Gwynnars, seiner zweiten Leibgarde. Lyghdars roter Umhang wallte um den vergoldeten Brustpanzer, der selbst bei trübem Himmel weithin leuchtete, und seine Augen stieben Funken wie der Stahl unter Gnidhrs Hammer. Um diese Zeit des Tages war der Herrscher der Lugdhrim wundervoll.
„Sei gegrüßt, Mraeghdar!“ Der Lugdhir schwang sein linkes Bein über den Rücken des Pferdes und ließ sich mit einer geschmeidigen Bewegung seitwärts zu Boden gleiten. Gwynnar saß ebenfalls ab; Hrudyn, Marschall im Dienste des Großkönigs, nahm sich der beiden Reittiere an, und Lyghdar bemerkte mit einem angewiderten Blick zu dem am Pfahl festgezurrten Gefangenen hinauf: „Rösten willst du die Burschen? Als würden sie nicht so schon genug stinken.“
„Was du nicht sagst“, stichelte Mraeghdar bestens gelaunt. „Seit wann hast du so einen empfindlichen Riecher? Ich habe gehört, deine Alte zuhause in Biannum reibt sich mit Stutenpisse ein, um dir zu gefallen, wenn du sie besteigst....“
Lyghdar lachte sein räudigstes Lachen.
„Dann weißt du ja auch endlich, warum ich bisher nur Sklavinnen geschwängert habe“, entgegnete er nicht minder vergnügt. „Bah, Weiber!“ Er trat unter das Zelt und setzte sich unzeremoniös zur Linken Mraeghdars an den langen Tisch, wo ein Polsterschemel gerichtet war. Gwynnar bezog links hinter ihm Stellung. Ohne die Bedienung durch einen herbeieilenden Sklaven abzuwarten, griff Lyghdar selbst nach dem Henkelkrug und schenkte sich Buttermilch in eine ebenfalls für ihn bereitstehende Schale.
„Weiber, sage ich dir....“ Er nahm einen tiefen Zug und wischte sich mit dem Handrücken den Schnurrbart ab. „Bhrinnya und ihre Schrullen. Von wem, wenn nicht von ihr, hätte ich mich jemals breitschlagen lassen, diesen verfluchten Fremden Aufenthalt in Biannum zu gewähren!“
„Fremde?“ Mraeghdar blickte ihn argwöhnisch von der Seite an.
„Fremde“, bestätigte Lyghdar. „Von jenseits des Meeres. Schon zu Zeiten meines Vorgängers und davor landeten sie im Mündungsgebiet des Bréadynn....“
„Der alte Wrydunn pflegte sie Dhwyrd als Blutopfer darzubringen“, erinnerte sich Mraeghdar. „Du hättest es ihm gleichtun sollen.“
„Das tat ich auch, jedenfalls zu Beginn. Ich war kaum ein Jahr König, als sie frech mit ihren Schiffen den Bréadynn heraufgerudert kamen, bis nach Biannum. Ich traute meinen Ohren nicht, als ich einen von ihnen unsere Sprache sprechen hörte. Unter Wrydunns Augen hatten sie sich jahrelang an der Küste niedergelassen, um mit unseren Vasallen Handel zu treiben, wie ich aus dem Bürschlein herauspreßte. Ich mußte ihn nicht einmal foltern, die Drohung allein genügte. Und um nach Biannum zu gelangen, bestachen sie die Fürsten und Befehlshaber der Burgen entlang des Flußlaufs, die sie ungehindert passieren ließen.“
„Bestechung, sagst du?“ Mraeghdar spuckte verächtlich unter den Tisch. „Womit ließ das verfluchte Pack sich kaufen?“
„Mit Gold und Silber vor allem. Mit Geschmeide, mit wohlriechenden Ölen und feinem Tuch für ihre Weiber. Und noch etwas weiterem, worauf ich gleich zu sprechen kommen werde. Du wirst wissen wollen, wie ich mit den Fremdlingen verfuhr. Zwei ihrer Schiffe ließ ich mitten auf dem Fluß in Brand setzen, mitsamt der Besatzung. Die zwölf von Bord gesprungenen, die es schafften sich bis ans Ufer zu retten, ließ ich enthaupten, ebenso den Sprachkundigen; zuvor vergewisserte ich mich jedoch, daß er den Leuten des einzig übriggebliebenen dritten Schiffes unmißverständlich klarmachte, es nie wieder zu wagen, auch nur einen Fuß auf unsere Gestade zu setzen. Als Zeichen an den Herrscher ihres Landes, wie willkommen seine Abgesandten uns waren, bekamen sie dreizehn Säcke Salz mit auf den Weg.“
Mraeghdar, der Lyghdars Worte sehr wohl zu deuten wußte, strich sich über den langen Bart und lächelte verschmitzt.
„Dreizehn Säcke Salz. Du weißt, wie man Könige beschenkt, mein Freund!“
Wieder lachte der lugdrische Herrscher so räudig, wie nur er es konnte:
„Bei Gnidhrs Amboß! Was hätte ich nicht darum gegeben, das Gesicht des Bastards zu sehen, als der erste eingepökelte Kopf aus dem Sack rollte...!“
Wenn er auch nicht in Lyghdars Gebrüll mit einstimmte, war dem Großkönig die Belustigung an den geglätteten Wangen und den auf- und abhüpfenden Schultern anzusehen. Mittlerweile wurden die ersten Speisen aufgetragen. Ohne weitere Aufforderung brach sich Lyghdar einen Brocken Brot aus dem großen, frischgebackenen, noch warmen Laib vor ihm und schenkte sich Buttermilch nach, um darin zu tunken. Auch an den gekochten Wachteleiern, die gepellt in einer flachen Schüssel lagen, tat er sich gütlich. Mraeghdar nippte an der Buttermilch und langte seinerseits nach einem Brot.
„Wie bestraftest du die Verräter?“
Lyghdar, der sich gerade ein weiteres Ei in den Mund gestopft hatte, reckte das Kinn aufwärts und strich sich mit ausgestrecktem Zeige- und Mittelfinger in einer schnellen Bewegung über den Kehlkopf.
„Mitsamt der Sippe und allem Gesinde“, fügte er kauend an. „Ein einziger war mir treu gewesen und hatte mich warnen wollen. Aber die Boten, die er aussandte, wurden abgefangen, und er selbst entging nur knapp einem Mordanschlag. Du weißt, von wem ich spreche. Heute befiehlt er die zweitgrößte meiner Reiterscharen.“ Lyghdar spülte mit einem Schluck Buttermilch nach und fügte an: „Im Nachhinein muß ich sagen, daß mir die ganze Verschwörung doch sehr gelegen kam, meinen damals noch etwas wackligen Thron zu festigen.“
Mraeghdar nickte anerkennend.
„Umso verwunderlicher, daß die Fremden schließlich doch bei dir Fuß faßten....“
„Was glaubst du: wie lange dauerte es, bis sie wiederkamen?“ Lyghdar hielt einen Augenblick inne. „Noch nicht einmal ein Jahr. Zwei Dinge, über die wir reichlich verfügen, lockten sie besonders. Wenn ich dir sage, daß das eine der Bernstein ist, errätst du das andere sicher leicht.“
Über dem dichten, strohblonden Schnurrbart traten die Wangen jetzt etwas deutlicher hervor und ließen ein eisiges Grinsen erahnen.
„Salz natürlich, was sonst.“
Mraeghdars trocken vorgebrachte Antwort hatte einen weiteren Heiterkeitsausbruch des lugdrischen Königs zur Folge. Er schrie wie ein Besessener, hielt sich die Seiten und beugte sich lachend vornüber, bis sein Brustpanzer die Tischkante berührte und sein Schnurrbart fast in die Buttermilch hing.
„Salz! Du sagst es, Mraeghdar. Sollte man es für möglich halten? Salz!!“
Glucksend wischte er sich die Tränen aus den Augenwinkeln, ehe er fortfuhr: „Dieses Mal waren sie jedenfalls schlauer. Den Bréadynn heraufzuschiffen wagten sie nicht ein weiteres Mal. Stattdessen gingen sie weit östlich der Mündung vor Anker und entsandten Geschenke an die Fürsten der Südmark, und über diese wiederum an mich.“
„Was für Geschenke, Lyghdar? Etwa die gleichen, mit denen sie ein Jahr zuvor deine Herzöge bestochen hatten?“
„Mit ein paar Pfund Gold und Silber hätten sie mich schwerlich beeindruckt; aber die Sklavinnen, Mraeghdar, wenn du sie gesehen hättest!“ Lyghdar verdrehte entzückt die Augen. „Fünfzehn makellose Jungfrauen, feingliedrig, dunkelhaarig, mit vollen Lippen und ebenmäßigen Zähnen, gekleidet in weißes, durchscheinendes Tuch. Die älteste war noch keine sechzehn Jahre alt. Ihre Zöpfe waren dünner als Weizenhalme und mit goldenen und silbernen Fäden durchflochten, ihre Haut zärter als Apfelblüten. Sie sangen, spielten auf süß klingenden Flöten. Und obendrein rochen sie gut!“ Nach einem träumerisch hervorgebrummten Seufzer fuhr er fort: „Und dann kamen die Sklaven. Oder besser das, was sie in prallen Schläuchen geschultert trugen....“
Mraeghdar blickte ihn mit unveränderter Aufmerksamkeit an.
„Nun?“
„In