So oder so ist es Mord. Anja Gust. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anja Gust
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753188300
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im polizeilichen Dienst heranzukommen, gestaltet sich immer schwierig. Da muss man tausend Hürden nehmen und das ist nicht gerade billig …“ Kalles Grinsen widerte Lindholm an. Am liebsten hätte er ihm eine reingehauen.

      „Unverschämter Kerl“, zischte Uwe und kramte zähneknirschend zwei grüne Scheine hervor. „Dafür erwarte ich Qualität!“

      „Habe ich Sie jemals enttäuscht?“

      „Das will ich dir auch nicht geraten haben … Und jetzt verschwinde. Ich habe dich lange genug ertragen.“

      „Eine Frage noch, Herr Lindholm“, erwiderte dieser Widerling und erdreistete sich noch, prüfend die Scheine gegen das Licht zu halten.

      „Nenn mich nicht beim Namen, verdammt noch mal! Es könnte uns jemand hören!“, wies Uwe ihn sofort zurecht.

      „Oh, Entschuldigung. Aber die Macht der Gewohnheit, ähä. Aber sagen Sie mal, wieso ist Ihnen die Sache mit dem Künstler eigentlich so gleichgültig?“ Damit spielte er ganz unverblümt auf seine letzte Information bezüglich Ludmillas Lover, einen gewissen Hubertus Sieger, an.

      Diesen ‚Hubi‘, wie Lindholm ihn abfällig nannte, hatte seine Frau vor ein paar Monaten auf einer Vernissage kennengelernt. Und nachdem Kalle sich alle Mühe gegeben hatte, ein paar aussagekräftige Fotos zu schießen, zeigte sich sein Auftraggeber davon jedoch erstaunlich unbeeindruckt.

      „Wer sagt denn etwas von gleichgültig?“, blaffte Uwe ihn sofort an.

      „Nun ja, weil Sie so gelassen reagiert haben. Es geht mich ja nichts an, aber …“

      „Ganz recht! Es geht dich nichts an! Und jetzt halt deine Klappe und verschwinde!“, schnitt ihm Lindholm das Wort ab. Er wollte nichts mehr davon hören, bevor er sich noch vergaß.

      Zwar hielt er die althergebrachte Ehe nach wie vor für die Idealform einer Partnerschaft, schloss aber mögliche Doppelgleisigkeiten nicht aus, vorausgesetzt, die Initiative blieb bei ihm.

      Wenn es nicht zu makaber klänge, könnte man sagen, er selbst habe seiner Frau diesen Kerl erst zugeschanzt, übrigens ein künstlerischer Dilettant in Bezug auf seine Werke. Immerhin hatte Uwe sie seinerzeit zu dieser Vernissage geschickt, wenn auch aus anderen Gründen. Er brauchte diese Zeit, um sich seinerseits einer anderen Frau zu widmen, welche ihn schon lange interessierte.

      Diese war jung, schön und nebenbei ein paar Pfunde leichter als seine Gattin. Mittlerweile war er an so manchem Abend im Schein diverser Teelichter mit ihr auf einer Couch versunken, um der Stille zu lauschen. Außerdem besaß diese Sahneschnecke noch andere Vorzüge.

      Zudem handelte es sich um niemand anderes als Solveig Wittenburg, die Tochter des inhaftierten Professors, dessen Prozess monatelang die Schlagzeilen füllte. Damit war sie die heiße Favoritin auf ein millionenschweres Erbe. Nebenbei war sie wie kein anderer in die Hintergründe eingeweiht, die sich seit dem Tod ihrer Mutter Luise ereignet hatten. Niemand kannte die Prozesslage besser.

      Böse Zungen behaupteten, Lindholm selbst habe sich erst im Zuge des damaligen überaus medienwirksamen Prozesses als Solveigs Beistand profiliert, was ihn letztlich zu dem machte, was er heute ist.

      Das war natürlich Unsinn. Erstens musste er sich nicht profilieren, und zweitens hatte er als guter Freund des Hauses das Recht und die Pflicht, sich um dieses Mädchen zu kümmern. Wer jetzt lachte, hatte keine Ahnung.

      Dass er sich dabei in sie vernarrt hatte, lag nahe. Aber Solveig war in seinen Augen einfach vollkommen. Anders als Ludmilla verfügte sie über Charme, Esprit und das gewisse Etwas, womit man einen Mann betören konnte.

      Natürlich durfte er ihr das nicht eingestehen. Das könnte sie nur auf dumme Gedanken bringen. Solveig litt in letzter Zeit ohnehin schon unter unerklärlichen Gemütsschwankungen, sodass er alle Mühe hatte, sie unter Kontrolle zu halten. Und das lag bestimmt nicht nur an ihrer absurden Forderung, sich zwischen ihr und Ludmilla zu entscheiden.

      Offenbar wusste sie nicht, was das bedeutete. Ludmilla war nicht nur seine Frau, sondern auch seine Mentorin und Managerin. Ganz zu schweigen von ihrer einflussreichen Familie, auf die er kaum verzichten konnte. Immerhin saß Schwiegerpapa als Bundesrichter im Börsenaufsichtsrat und nahm gewöhnlich einmal im Monat an der Männer-Loge in der Willy-Paul-Allee teil. So etwas konnte man nicht einfach aufgeben.

      Wie es nun weiter gehen sollte, wusste er zwar nicht, oder besser, wollte er auch nicht wissen. Aber ihm würde schon noch was einfallen, wie immer, wenn es darauf ankam. Dafür war er Politiker.

      Und dennoch. Aufgrund der momentan doch recht unklaren Lage sah er sich gezwungen, seine Besuchs- oder genauer Kontrollintervalle bei Solveig zu verkürzen. Das war auch der Grund, weshalb er die versprochene Flasche Chardonnay mit Ludmilla noch verschob und jetzt schnurstracks zu seiner Geliebten fuhr.

      Leise dudelte irgendeine Schnulze im Autoradio. Doch statt ihn zu beruhigen, regte sie ihn auf, sodass er wütend abstellte. Seit der Inhaftierung ihres Vaters wohnte Solveig allein in der elterlichen Villa in einer noblen Gegend in Holtenau. Das war für seine Absichten geradezu ideal. Dennoch fürchtete er, dass ihr die häufige Einsamkeit schaden könnte. Sie war ohnehin schon anfällig für seltsame Gedanken, weshalb er manchmal bereits an ihrem Verstand zweifelte.

      Deshalb hatte er zwei ihm loyal ergebene ‚Bedienstete‘ beauftragt, hin und wieder nach ihr zu sehen und ihn über mögliche Unregelmäßigkeiten zu informieren. Das funktionierte bisher auch ganz gut. Nur waren sie nicht immer da, und eine Rundumüberwachung erschien ihm (noch) nicht nötig.

      Also konnte eine Kurzvisite nicht schaden. Dazu stellte er das Auto zwei Straßen weiter ab und legte den Rest zu Fuß zurück. Da es mittlerweile stockdunkel war, konnte er auf den aufgeschlagenen Kragen verzichten.

      Lautlos öffnete er das Zugangstor und schlich zur Haustür. Dort legte er das Ohr an und horchte. Doch so sehr er sich auch anstrengte – es herrschte Totenstille. Behutsam führte er den Schlüssel ein, dabei bedacht, jedes Geräusch zu vermeiden.

      Doch gerade, als er zum letzten Dreh ansetzte, sprang die Tür auf und Solveig stand vor ihm. „Was soll das?“, fauchte sie ihn an und komplettierte damit seine Konfusion. Sie war nur leicht bekleidet, dazu sonderbar geschminkt, als habe sie irgendetwas vor und schien sich überhaupt nicht zu genieren. Das irritierte ihn.

      „Nun ja. Ich habe mal sehen wollen, ob du, hihihi, nun ja, ob du …“

      „Quatsch nicht!“, blaffte sie los. „Du willst mich kontrollieren! Sag es doch gleich! Deine Eifersucht ist ja schon krankhaft. Du hast sie doch nicht mehr alle!“

      „Wie jetzt? Ich habe sie nicht mehr alle?“, brauste Uwe auf, der sich so etwas natürlich nicht bieten lassen konnte. „Ich werde dir zeigen, wer sie nicht mehr alle hat!“ Sofort stürzte er in die Wohnstube, riss alle Türen und Schränke auf und guckte sogar unter das Bett. Er fühlte sich zerrissen zwischen dem, was der Verstand ihm sagte und dem, was sein Bauchgefühl ihm suggerierte. Wie ein Besessener wühlte er in den Schubladen herum, in sicherer Erwartung, etwas Verräterisches zu finden. Derweil dudelte der Fernseher im Nebenraum.

      „Hör endlich auf!“ Entnervt stellte Solveig sich ihm in den Weg. „Das ist doch kindisch!“

      Ungeachtet ihres Protestes machte er im Badezimmer weiter. Hier schnüffelte er sogar am Handtuch. Und als wäre es nicht genug, sperrte er das Fenster auf und kontrollierte den Parkbestand gegenüber dem Haus. Meinte er doch, alle hierhergehörenden Fahrzeuge zu kennen, sodass ihm ein fremdes sofort auffiele.

      Doch so sehr er sich auch mühte, sein Verdacht bestätigte sich nicht.

      „Und zufrieden?“, kommentierte sie trotzig, mit verschränkten Armen.

      Nachdem Uwe sich etwas beruhigt hatte, piepste er ein verhaltenes: „Tschuldigung“.

      Plötzlich blinzelte er Solveig lüstern an. Ihre Augenlider schimmerten blau. Ihre Wimpern waren lang und schmal. Sanft streichelte er ihr Gesicht. Jetzt sollte sie ihm das Haar wuscheln und ihn einen ‚verdammten Raufbold‘ nennen. Das mochte er.

      Doch diesen Gefallen