„Ich kann das machen, was ich gerne tue und ich verdiene gut. Mehr ist nicht wichtig für mich“, wende ich ein. Dabei behalte ich für mich, dass vor allem das Gehalt der Hauptgrund dafür ist, dass ich diesen Job mache. Dank ihm kann ich mir Dinge leisten, die ich mir sonst wahrscheinlich nicht leisten könnte.
Der Blick, mit dem sie mich nun bedenkt, zeigt mir aber, dass sie das ganz genau weiß. Deswegen bin ich nur froh darüber, dass sie nichts weiter dazu sagt.
„Ich habe viele Nichten, aber du bist mein Liebling. Deswegen möchte ich dich an meinen Weisheiten teil haben lassen. Irgendwann wirst du morgens aufwachen und merken, dass du auf dem falschen Weg bist. Dass die Dinge, die du noch am Vortag wichtig fandest, es eigentlich nicht sind, weil du dich auf die falschen Sachen konzentriert hast. Du wirst merken, dass es wichtigere Dinge gibt. Und das ist der Moment, in dem du einiges ändern wirst. Du wirst dir einen neuen Job und vielleicht sogar eine neue Wohnung suchen. Einen Mann, der dich auf Händen trägt, und du wirst weniger arbeiten und mehr Spaß haben und das Leben genießen.“ Nachdem sie geendet hat, zwinkert sie mir noch einmal zu.
Ich nehme mir die Zeit und denke über ihre Worte nach. Mein erster Reflex besteht darin, den Mund aufzumachen und zu widersprechen. Doch ich weiß nicht so genau, was ich eigentlich von mir geben soll. Deswegen lasse ich es sein.
„Du brauchst es mir nicht zu sagen. Ich weiß auch so, dass deine Eltern nicht sehr begeistert davon sein werden. Meine Mutter ist damals völlig ausgerastet, als ich angefangen habe, meinen eigenen Weg zu gehen. Du weißt ja, wie nachtragend sie sein kann. Deswegen muss ich dir wohl nicht sagen, dass sie bis heute deswegen sauer ist. Sie ist der Meinung, dass ich den falschen Weg gegangen bin und es auf ihre Weise besser gewesen wäre. Aber sie hatte ja deine Mom, die immer noch nach ihren Regeln spielt. Wir beide wurden so erzogen den Schein nach außen hin zu wahren, deswegen bin ich hier. Wäre es nach deiner Mutter gegangen, hätte sie mich nicht eingeladen. Nach all den Jahren sind beide Frauen immer noch wütend auf mich und sprechen nicht mehr als nötig mit mir.“
Carole lacht leise und gibt mir so zu verstehen, dass es ihr egal ist. Aber mich hätte es auch gewundert, wenn es nicht so wäre. Meine Tante hat noch nie sehr viel auf die Meinung von anderen gegeben.
Noch so ein Punkt, auf den ich ein wenig neidisch bin. Sie macht einfach ihr Ding. Das hat sie schon immer und ich bin mir sicher, dass das auch so bleiben wird.
„Ich bin mir sicher, dass du die richtigen Entscheidungen treffen wirst, egal worum es geht.“
Aufmunternd lächelt sie mich an, ehe sie sich umdreht und wieder verschwindet, um die nächsten Gäste zu begrüßen. Ich hingegen bleibe noch ein wenig stehen und schaue ihr nach. Dabei denke ich über ihre Worte nach und muss zugeben, dass sie recht hat. Doch ich bin noch nicht so weit, diesen Schritt zu gehen. Eigentlich weiß ich nicht einmal, ob ich das überhaupt jemals sein werde. Doch hier und jetzt ist nicht der richtige Ort, um darüber nachzudenken.
Gedankenverloren gehe ich weiter und bahne mir einen Weg durch die Menge. Jeder, der mich kennt, grüßt mich und will sich mit mir unterhalten. Ich wechsle allerdings nur ein paar nette Worte mit ihnen. Ehrlich gesagt habe ich keine Lust, immer wieder die gleichen Fragen zu beantworten.
Zielsicher gehe ich auf die Terrassentür zu, die sich ein paar Schritte von mir entfernt befindet. Doch als ich mich nur noch wenige Meter davon entfernt befinde, taucht meine Mom plötzlich in meinem Sichtfeld auf.
„Sarah, da bist du ja endlich.“
„Ja, ich habe schon alle begrüßt“, erwidere ich und zeige auf die Menge, die sich hinter mir befindet.
Meine Mutter betrachtet sie kurz, ehe sie mich ansieht. Ihr Blick sagt mir, dass ihr etwas auf dem Herzen liegt, sie aber nicht weiß, ob sie es hier ansprechen soll. Allerdings bin ich mir sicher, dass sie es trotzdem machen wird. Egal, was es ist.
Meine Mutter ist niemand, der sich zurückhält.
„Bist du alleine gekommen?“, fragt sie mich schließlich und schaut sich dabei um.
„Ja“, antworte ich vorsichtig, auch wenn ich mir bereits denken kann, was als Nächstes von ihr kommen wird.
„Nach unserer letzten Unterhaltung habe ich gedacht, dass du jemanden mitbringst.“ Ich höre an ihrer Stimme, dass sie enttäuscht darüber ist.
„Ich habe nie gesagt, dass ich einen Freund habe“, entgegne ich nur.
Vorher denke ich aber noch einmal über unser letztes Gespräch nach. Allerdings habe ich zu keinem Zeitpunkt nicht einmal einen Kommentar oder sonst etwas in diese Richtung fallen gelassen. Deswegen habe ich keine Ahnung, wie sie darauf kommt.
Sie sieht mich so an, als würde sie nicht wissen, was sie dazu sagen soll.
„Es wäre heute die perfekte Möglichkeit gewesen.“
Nach außen hin scheint meine Mutter vielleicht gefasst zu sein und sich so anzuhören, als wäre ihr das egal. Allerdings weiß ich, dass es in ihr ganz anders aussieht. Da meine Schwester mit ihrem Freund hier ist, ist sie davon ausgegangen, dass ich auch endlich einen Mann mit nach Hause bringe.
Ich sehe ihr an, dass sie eigentlich noch mehr zu diesem Thema sagen will. Schließlich hat sie in den letzten Wochen kein Geheimnis daraus gemacht, dass sie mich auch gerne in einer festen Beziehung sehen möchte. Doch nachdem sie einen Blick auf die Gäste geworfen hat, lässt sie das sein. Worüber ich froh bin, denn ich weiß nicht, ob ich ruhig bleiben könnte.
Meine Mutter hat das Talent, mich mit solchen Unterhaltungen auf die Palme zu bringen. Ich habe ihr nie ein Widerwort gegeben, egal was sie gemacht hat. In diesem Punkt mache ich das aber. Und das nur, weil ich weiß, dass es da einige Söhne von den Geschäftspartnern meines Vaters auf dieser Party gibt, mit denen sie mich gerne verkuppeln würde. Man kann auch sagen, dass sie es in gewisser Weise doch nicht so schade findet, dass ich noch Single bin. So hat sie wenigstens die Gelegenheit mir den Mann aufs Auge zu drücken, von dem sie sicher ist, dass es der richtige ist.
In den letzten Monaten hatte ich deswegen eine große Anzahl an Dates. Sie waren nett, das bestreite ich auch überhaupt nicht. Mehr aber auch nicht. Mit keinem von ihnen konnte ich mir den Rest meines Lebens vorstellen. Ich bin zwar nicht auf der aktiven Suche, doch wenn ich es wäre, dann wären sie eher gute Freunde, als potenzielle Partner.
Wenn es nach meiner Mutter geht, habe ich in diesem speziellen Fall aber kein Mitspracherecht. In gewisser Weise wäre es wahrscheinlich wirklich einfacher gewesen, wenn ich in männlicher Begleitung gekommen wäre. Doch ich habe keine Lust, ihr etwas vorzuspielen. Wenn ich schon mein Leben nach ihr ausrichte, dann will ich mir wenigstens meinen Partner selbst aussuchen.
„Hi, Schwesterherz“, ruft Robyn nun und taucht neben mir auf, noch bevor unsere Mutter sich hineinsteigern kann.
Dankbar darüber lächle ich sie an, auch wenn ich nicht weiß, ob sie etwas von unserer Unterhaltung mitbekommen hat. Meine Mutter hingegen macht den Eindruck, als würde sie noch etwas sagen wollen. Allerdings weiß sie, dass sie diesen Kampf gerade nicht gewinnen kann. Dennoch bin ich mir sicher, dass früher oder später noch etwas deswegen kommen wird.
Jetzt zieht sie es aber vor, mir noch einen kurzen Blick zuzuwerfen und dann zu verschwinden. Leise lasse ich die Luft entweichen, die ich während der Unterhaltung mit ihr unweigerlich angehalten habe.
„Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass ich Todd getroffen habe. Er ist ein wunderbarer Mann. Von Tag zu Tag wird unsere Beziehung intensiver. Er ist ein wahrer Gentleman und liest mir jeden Wunsch von den Augen ab. Seit einem halben Jahr sind wir nun zusammen und ich kann dir gar nicht sagen, wie glücklich ich bin. In der letzten Zeit kommt es mir aber so vor, als würde er etwas vor mir verheimlichen. Ich hoffe, dass er einen Antrag plant.“ Während sie spricht, strahlen ihre Augen und es hat sich ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht gebildet.
Ich lasse meinen Blick kurz an ihr vorbeiwandern, kann Todd aber nirgends entdecken, deswegen konzentriere ich mich