„Nur Arbeit und kein Vergnügen? So kennt man dich überhaupt nicht.“
„Du weißt genauso gut wie ich auch, dass man Iwan nicht trauen kann. Schon alleine aus diesem Grund will ich so schnell wie möglich wieder nach Hause.“
Von einer Sekunde auf die andere ist Viktor ruhig und verzieht das Gesicht, als würde er Schmerzen haben. Iwan ist mein Cousin väterlicherseits. Allerdings macht er kein Geheimnis daraus, dass er der Meinung ist, dass er und sein Vater sich besser um die Geschäfte kümmern können. Deswegen gefällt es mir auch so überhaupt nicht, dass ich ihm meine Geschäfte übergeben musste, auch wenn es nicht für immer ist. Doch je mehr Macht er hat, umso schlechter ist das. Ich habe nur keine Ahnung, was er dort genau macht und das wurmt mich.
Ich weiß, dass man seiner Familie trauen sollte. Vor allem in unserem Bereich. Doch er ist die Ausnahme dieser Regel.
Zusammen mit seiner Mutter, seinem Vater und seiner Schwester.
„Irgendwie wäre es schon lustig, wenn du hier die Frau fürs Leben findest. Hat dein Vater nicht auch deine Mutter in den Staaten getroffen? Ich meine, das war in Miami“, überlegt er.
„Kümmere dich darum“, weise ich ihn an, nachdem er geendet hat.
Ich lasse nicht den kleinsten Zweifel daran, dass ich mich nicht damit beschäftigen will. „Oder suche jemanden, der das macht.“
„Dann suche ich mir lieber jemanden. Ich werde einen Innenausstatter beauftragen, auch wenn ich nicht weiß, ob das zu den Dingen gehört, die jemand gerne macht. Wir reden hier schließlich nicht von einem gewöhnlichen Club. Und für die Webseite werde ich einen Termin mit einem Grafiker machen.“ Viktor nickt, macht jedoch keine Anstalten sich zu entfernen.
„Was ist noch?“, frage ich ihn. Dabei bin ich mir jedoch nicht sicher, ob ich die Antwort darauf überhaupt wissen will.
„Ich glaube nicht, dass ich dir noch sagen muss, dass ich auch nicht sehr begeistert davon bin, dass wir hier sind. Und du weißt, dass ich immer hinter dir stehe. Auch, wenn wir nicht immer gleicher Meinung sind. Doch wenn wir schon die nächsten Wochen und vielleicht sogar Monate in Los Angeles verbringen werden, sollten wir das Beste daraus machen.“
Ich weiß, dass es so ist. Doch ich will meine Zeit nicht vertrödeln, in dem ich mich mit unnötigen Dingen beschäftige. Dennoch bringt es mir nichts, wenn ich mich nur mit der Arbeit beschäftige. Denn ich habe wirklich keine Ahnung, wann ich wieder zurückkann.
Und vielleicht bekomme ich dann auch endlich ihre Augen wieder aus meinem Kopf, denke ich. Denn ich kann es wenigstens vor mir zugeben, dass ich sie seit gestern nicht mehr vergessen kann.
Ich will gerade ebenfalls das Büro verlassen, als das Klingeln meines Handys an mein Ohr dringt. Seufzend ziehe ich es aus meiner Hosentasche und werfe einen Blick auf das Display. Der Name meines Vaters steht in großen Buchstaben darauf.
Ich verdrehe die Augen. Mir ist klar, dass er Ergebnisse erwartet. Aber die Baustellen hier sind so groß, dass es nicht so schnell geht.
„Hi“, begrüße ich ihn knapp, nachdem ich das Gespräch entgegengenommen habe.
„Mein Sohn.“
„Du hättest mir ruhig sagen können, was hier los ist“, beginne ich direkt.
„Das habe ich doch.“
Ich muss mehrmals tief durchatmen, um die Ruhe zu bewahren. Ich bin nicht gerade dafür bekannt, dass ich das kann. Und auch jetzt fällt es mir schwer.
„Es gibt niemandem, dem ich das anvertrauen kann.“
Ich seufze. Mit nur diesen wenigen Worten hat mein Vater es geschafft, mich in die Ecke zu treiben.
„Du weißt, dass ich mich darum kümmern werde. Dennoch würde ich gerne wissen, wieso du nicht schon eher etwas gesagt hast. Bevor es eskaliert ist.“
„Ich musste es für mich behalten, da wir irgendwo einen Maulwurf haben. Eine andere Möglichkeit dafür gibt es nicht, dass so viel schiefgegangen ist in der letzten Zeit.“
Ich fahre mir über den Nacken. Seine Worte gefallen mir nicht. Sie halten mir nämlich vor Augen, dass ich mich nicht nur um die Geschäfte kümmern muss, sondern auch darum.
„Verdammt, das hättest du mir von Anfang an sagen müssen“, erkläre ich, wobei ich aber auch zugeben muss, dass es Sinn ergibt.
„Dann wäre ich das Risiko eingegangen, dass derjenige es erfährt.“
„Ich werde mich darum kümmern“, erwidere ich nur und lege auf.
Falls mein Dad recht hat und es wirklich jemand aus unseren Reihen ist, werde ich denjenigen finden und ihm seine gerechte Strafe zuführen.
Und ich werde ihn nicht am Leben lassen.
Kapitel 3
Sarah
„Sarah, da bist du ja. Ich habe schon gedacht, dass du gar nicht mehr kommst“, ruft meine Tante, als ich durch das Gartentor meiner Eltern trete und mich dabei zu allen Seiten hin umsehe.
Bei ihren Worten werfe ich einen prüfenden Blick auf die Armbanduhr, da ich die Befürchtung habe, dass ich zu spät bin. Aber ich habe gesagt, dass ich um zwei Uhr da sein werde und jetzt ist es halb zwei. In meinen Augen bin ich überpünktlich, in den Augen meiner Eltern bin ich gerade noch so pünktlich. Doch bis jetzt habe ich sie noch nicht gesehen, also hat meine Mutter sich anscheinend noch nicht auf die Suche nach mir gemacht.
Mit großen Schritten kommt meine Tante auf mich zu. Dabei wehen ihre langen blonden Haare im Wind und ihr üppiger Busen hüpft ein wenig auf und ab.
Meine Tante Carole kann man als eine der wenigen Normalen in meiner Familie bezeichnen. Meine Cousins standen nie unter Leistungsdruck und man hat ihnen auch nie gesagt, wie sie sich verhalten sollen. In gewisser Weise kann man sagen, dass ich sie ein wenig beneidet habe und das auch heute noch mache. Obwohl nein, nicht nur in gewisser Weise. Ich beneide sie. Trotzdem ist etwas aus ihnen geworden. Der mittlere ist sogar ein erfolgreicher Anwalt.
Die Erziehung meiner Eltern hat mir zwar ein Leben in Sicherheit geschenkt, auch jetzt noch. Doch bei einer schlechten Note habe ich mir schon einmal gewünscht, dass meine Eltern nicht schimpfen oder laut werden. Das sie einfach mal ruhig bleiben. Und dazu muss ich sagen, dass eine zwei schon eine schlechte Note bei ihnen war. Meine Tante hat mich zwar oft zu sich und ihrem Mann geholt, aber das hat mir noch mehr gezeigt, was ich mir immer gewünscht habe.
Eine normale Familie!
„Hi“, begrüße ich sie und schließe sie dabei in meine Arme.
„Wie geht’s dir? Man sieht und hört ja überhaupt nichts mehr von dir. In den letzten Tagen habe ich ein paar Mal versucht dich anzurufen. Und weil du nicht erreichbar warst, bin ich davon ausgegangen, dass du dich im Urlaub befindest.“
„Urlaub hätte ich gerne“, seufze ich und fahre mir über den Nacken. Dabei bildet sich vor meinem inneren Auge ein Bild, wie ich am Strand liege und einen Cocktail schlürfe.
Ich muss zugeben, dass die Verlockung groß ist, einfach wegzufahren. Gerade kann ich mich aber nicht entbehrlich machen in der Firma, sodass es noch ein wenig warten muss.
„Soviel zu tun?“ Carole sieht mich mitfühlend an.
„So kann man auch nennen. Ich war in den letzten Tagen immer bis spät abends im Büro, um das Chaos auf meinem Schreibtisch in den Griff zu bekommen.“
„Hat es funktioniert?“
„Nicht wirklich.“
Ich verziehe das Gesicht und gebe ihr so zu verstehen, dass ich es mir eigentlich auch anders vorgestellt habe. Stattdessen kommt es mir so vor, als wäre es von Tag zu