Und jeder weiß, dass er da eine Ausnahme ist. Deswegen traut es sich auch sonst keiner.
„Okay“, grummle ich vor mir hin. „Aber fürs Protokoll, dafür schuldest du mir etwas.“
Ich gebe mich zwar damit einverstanden, da ich hoffe, dass es nicht so lange dauert und ich danach direkt zu den Mexikanern fahren kann. Doch ich lasse keinen Zweifel daran, dass ich überhaupt Lust dazu habe, mich in so ein Meeting zu setzen. Eigentlich macht das immer meine Mutter. Ich bin eher der Mann für die grobe Arbeit.
„Ich verspreche dir, dass du es nicht bereuen wirst“, ruft er aus und klatscht dabei in die Hände. In dieser Sekunde wird mir klar, dass er mir nicht alles gesagt hat. Er verheimlicht mir etwas Wichtiges und das gefällt mir überhaupt nicht.
Bevor ich ihn allerdings danach fragen kann, hat er sich umgedreht und ist wieder verschwunden. Seufzend fahre ich mir über den Nacken und schaue ihm nach, während ich überlege, ob ich dafür sorgen soll, dass er wieder zurückkommt.
Ich habe meinen Freund schon einige Male so gesehen. Deswegen kann ich mit großer Gewissheit sagen, dass er etwas ausheckt. Ja, in diesem Punkt ist er eindeutig ein kleines Kind geblieben.
Doch irgendeinen Grund muss es haben, dass ich dahin gehen soll, obwohl er weiß, dass ich das sonst nicht mache.
Auch als ich ein paar Stunden später in meinem Wagen sitze und Viktor zu diesem Termin fährt, habe ich noch immer schlechte Laune. Ich habe keine Ahnung, wieso er meint, dass ich unbedingt dahin muss. Doch ich möchte es zu gerne erfahren.
„Du hast die Wahl“, fahre ich ihn an, als ich aus dem Wagen steige.
Neugierig sieht er mich an, während er darauf wartet, dass ich weiterspreche.
„Entweder wischst du dir jetzt dein dämliches Grinsen aus dem Gesicht, oder ich helfe dir nach und lasse dich nachher mit den Mexikanern sprechen. Vielleicht können sie ja dafür sorgen, dass deine gute Laune verschwindet.“
„Die sind keine Herausforderung für mich. Mit denen werde ich fertig“, erwidert er unbeeindruckt. Dabei grinst er jedoch noch immer über das ganze Gesicht.
Ich beschließe, dass ich diese Unterhaltung auf später verschieben werde. Erstmal will ich jetzt dieses Meeting hinter mir haben, auch wenn ich nicht weiß, was ich hier soll.
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, gehe ich an ihm vorbei und betrete das riesige Bürogebäude. Direkt vor mir befindet sich eine Tafel, auf der die einzelnen Firmen aufgelistet sind, die sich in diesem Gebäude befinden. Und ich muss sagen, dass es einige sind. Deswegen dauert es auch ein wenig, bis ich den richtigen Namen gefunden habe und den Aufzug betreten kann.
Nachdem wir ihn wieder verlassen haben, schaue ich mich um. Einige Schritte entfernt befindet sich eine Glastür, auf der in großen Schritten der Name der Agentur steht, die Viktor anscheinend beauftragt hat. Auch wenn es einleuchtet, dass ich als Chef einen Blick darauf werfen sollte, so finde ich noch immer, dass es eine schwachsinnige Idee und verschwendete Zeit ist. Und so ganz kann ich auch noch immer nicht glauben, dass ich mich wirklich darauf eingelassen habe.
Um ihm zu zeigen, dass ich noch immer nicht den Sinn dahinter verstehe, werfe ich ihm einen bösen Blick zu, bevor ich hineingehe.
„Mr. Nesterow“, werde ich von einem Mann begrüßt, der mit großen Schritten auf mich zukommt. Auf seinem Gesicht befindet sich ein selbstgefälliges Lächeln. Ich weiß bereits jetzt, dass er mir auf die Nerven gehen wird. Doch ich bin freundlich genug, um mir das nicht anmerken zu lassen. Auch wenn ich sagen muss, dass es mir schwerfällt.
„Danke, dass Sie so kurzfristig einen Termin für mich hatten. Aber das hätten Sie nicht machen müssen. Ich will einfach nur, dass die Seite des Clubs auf Vordermann gebracht wird. Genaue Vorstellungen habe ich da nicht“, erkläre ich ihm.
So mache ich aber auch klar, dass ich eigentlich überhaupt keine Ahnung habe, wieso ich hier bin. Meine Muskeln sind angespannt und mit meinen Gedanken bin ich schon bei der überfälligen Unterhaltung mit den Mexikanern.
Einen Moment sieht er mich an. Ich gehe davon aus, dass er sich gerade überlegt, was er darauf erwidern soll.
„Kommen Sie erstmal. Ich bin mir sicher, dass wir eine gute Lösung finden werden.“ Kaum hat er ausgesprochen, dreht er sich herum und geht voraus in eines der vielen Zimmer.
Wie sich herausstellt, befinden wir uns in einem großen Konferenzraum. An dem Tisch, der sich in der Mitte befindet, haben mindestens fünfzehn Personen Platz. An den Wänden hängen Aufnahmen der Stadt und in der Mitte eine riesige Uhr.
„Setzen Sie sich“, fordert er mich auf und zeigt auf zwei der Stühle. „Ich gebe zu, dass es ein sehr ungewöhnlicher Auftrag ist. Aber wir nehmen jede neue Herausforderung gerne an“, spricht er weiter, nachdem er scheinbar ein paar Sekunden darüber nachgedacht hat, wie er es am besten ausdrücken soll.
Ich habe diese Wirkung auf so ziemlich jeden, der mir begegnet. Die einen lassen sich davon aber aus der Ruhe bringen und denken über ihre Worte nach, während andere meinen, mir zeigen zu müssen, dass sie besser sind als ich. Schon einige Male ist es vorgekommen, dass sie sich dabei um Kopf und Kragen geredet haben. Sie sprechen Drohungen aus oder machen Versprechungen, die sie nicht halten können. Und auf beides reagiere ich sehr allergisch.
Bis jetzt habe ich jedem zeigen können, dass man sich mit mir besser nicht anlegt. Und ich habe nicht vor, etwas daran zu ändern.
Ich sehe ihm an, dass er unsicher ist und noch etwas sagen will. Doch bevor er einen Ton von sich geben kann, höre ich das leise Geräusch von Pumps hinter mir und sehe seinen beinahe erleichterten Gesichtsausdruck.
„Sarah“, ruft er und winkt einer Person hektisch zu.
Neugierig drehe ich mich herum. Doch als ich die Frau entdecke, die hinter mir steht, kommt es mir so vor, als würde man sich einen Scherz erlauben. Beziehungsweise, als würde Viktor sich einen Scherz mit mir erlauben.
Wie ich feststellen muss, handelt es sich bei Sarah um die Frau, die mir bereits am Wochenende in der Bar aufgefallen ist. Und um die Frau, wegen der ich mir von Viktor den einen und anderen Kommentar anhören durfte.
Sie hat den Blick auf die Unterlagen in ihren Händen gerichtet, sodass sie mich noch nicht bemerkt hat. Doch mich stört es nicht. So gibt sie mir nämlich die Möglichkeit, sie ausgiebig betrachten zu können.
Ihre langen braunen Haare fallen ihr in leichten Wellen über die Schultern. Sie trägt eine Bluse, die sie in ihre Hose gesteckt hat. Die Bluse ist zwar weit geschnitten, dennoch kann ich erkennen, dass sie Rundungen an den richtigen Stellen hat. Vor allem ihr Hintern sticht mir ins Auge, als sie an mir vorbei auf die andere Seite des Tisches geht. Er ist nicht gerade das, was man als zierlich bezeichnen kann. Auf den ersten Blick kann ich erkennen, dass er perfekt in meine großen Hände passen würde.
Sie setzt sich mir direkt gegenüber auf den Stuhl, ohne sich umzusehen, sodass sie mich noch immer nicht gesehen hat. Herausfordernd schaue ich sie an, während ich darauf warte, dass sie endlich ihren Kopf hebt und in meine Augen sieht.
„Sie haben da ein wirklich …“, beginnt sie, spricht jedoch nicht weiter, als würde sie nicht wissen, was sie sagen soll. Ein wenig unsicher verzieht sie das Gesicht, während sie ein Blatt zur Seite legt und sich die nächste Seite ansieht. „… sehr interessantes Geschäft, Mr. Nesterow“, fährt sie schließlich fort.
Und du kannst dir gar nicht vorstellen, was ich dort am liebsten mit dir machen würde, schießt es mir durch den Kopf.
„Es ist schon lange in Familienbesitz“, antworte ich nur mit dunkler und gefährlicher Stimme. Noch immer hat sie mich nicht angesehen, sodass es noch mehr Spaß macht, mit ihr zu spielen.
Ich wende mich nicht von ihr ab. Aus dem Augenwinkel