„Los, Huddi … zeig Miss Peacock und Mr. Maddock das besondere Extra deines Kostüms.“
„Ich würde lieber nicht“, gestand der General, gab aber nach einem strengen Blick seiner Gattin nach.
„Also gut …“, seufzte er. „Meine Damen, meine Herren. Bitte treten sie ein paar Schritte zurück, ich benötige Platz.“
Sowohl John als auch Salima und die Gräfin traten zwei Schritte zurück. Patricia tat es ihnen nach. Ihr Blick fiel auf die goldene Schnur mit der Troddel, die in Achselhöhe des Generals hing und dort nicht hinzugehören schien. Ehe sie allerdings fragen konnte, was es damit auf sich hatte, zog der General an der Troddel und hinter ihm öffnete sich ein Pfauenrad, das einen Durchmesser von fast zwei Metern hatte.
Die Gräfin jauchzte, John verschlug es die Sprache, und Patricia bekam noch mehr Mitleid mit dem General.
„Verstehen Sie jetzt?“, rief die Gräfin begeistert. „Sie und mein Mann teilen heute einiges, meine Liebe.“
„Ja, das sehe ich“, war alles, was Patricia entgegnen konnte.
„Warum konnte ich nicht wenigstens das Kostüm eines indischen Gottes tragen?“, beschwerte sich der General. „Das wäre weniger peinlich gewesen.“
Die Gräfin stemmte die Hände in die Hüften. „Wärest du lieber als Elefantengott Ganescha gegangen? Mit einem Rüssel?“ Bei dem entsetzten Blick ihres Gatten nickte die Gräfin zufrieden und sprach weiter. „Außerdem will ich diesen Kostümwettbewerb gewinnen! Und das geht nur, wenn wir diese Schrapnelle mit ihrem Pudel ausstechen!“
„Lady Blanford nimmt am Kostümwettbewerb teil?“ Patricia hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund. Ohne darüber nachzudenken, war sie davon ausgegangen, dass die Gräfin von Lady Blanford sprach.
Gräfin Walburga bedachte sie mit einem verstimmten Blick. „Sie kennen diese scheußliche Person?“
Salima kicherte. „Miss Peacock hat für sie als Gesellschafterin gearbeitet, bevor ich an ihre Stelle getreten bin.“
Der Blick der Gräfin wechselte von verstimmt zu mitfühlend. „Wie haben Sie das nur ausgehalten, meine Liebe? Diese Frau ist schrecklich.“ An Salima gewandt fuhr sie fort: „Und Sie erst, Kind … Sie sind so ein nettes junges Ding.“
„Walli“, jammerte der General, und alle sahen in seine Richtung, was ihm sichtlich unangenehm war.
„Was ist denn, Huddi?“
„Das Rad … es klemmt und lässt sich nicht mehr schließen.“ Er zog an der Troddel, aber nichts geschah.
Gräfin Walburga war sichtlich schockiert. „Das darf nicht sein. Nicht vor unserem Auftritt auf der Bühne!“
Spontan bot John seine Hilfe an. „Ich bin recht geschickt in mechanischen Dingen. Vielleicht kann ich behilflich sein.“
„Eine hervorragende Idee.“ Die Gräfin war erleichtert. „Am besten, Sie gehen in Huddis Suite.“
„Aber Walli, wie soll ich denn mit dem aufgeschlagenen Rad durch die Türen kommen?“
„Du musst eben seitlich durchlaufen.“
Der General brummte etwas von Schrecklicher Peinlichkeit, er als altgedienter, hoch ausgezeichneter Militär.
Patricia sah John hinterher, wie er dem General einen Weg durch die Menge der bereits anwesenden Gäste bahnte, damit das Pfauenrad nicht beschädigt wurde.
Die Gräfin entspannte sich erst, als der General samt Pfauenrad unbeschädigt den Tanzsaal verlassen hatten.
„Ein Glück, dass Ihr Gatte zur Stelle war, Miss Peacock.“
„Oh, Mr. Maddock und ich sind nicht verheiratet“, beeilte sich Patricia klarzustellen, und warf Salima einen strengen Blick zu, bevor sie etwas sagen konnte, was sie in Verlegenheit brachte. Überrascht zog die Gräfin die Brauen hoch. „Meine Liebe, Sie haben sich dieses Bild von einem Mann noch nicht geschnappt? Sie sollten es tun, Sie passen so wunderbar zusammen, genau wie Ihre Kostüme.“ Fragend hob sie eine Braue. „Ist das ein Nachthemd, das Sie da unter dem Kostüm tragen?“
Ehe Patricia antworten konnte, ging ein lautes Ahhh und Ohhh durch die Reihen der Anwesenden. Sie wandten sich gleichzeitig um, und Salima verabschiedete sich mit einem Seufzen. „Entschuldigen Sie mich bitte. Lady Blanford hat ihren Auftritt.“
Die Gräfin gab sich kämpferisch. „Soll sie ruhig. Den Kostümwettbewerb gewinnen Huddi und ich.“
Patricia war nicht daran gelegen, Lady Blanford über den Weg zu laufen, aber leider steuerten sie und Princess genau auf sie und die Gräfin zu. Wie erwartet, trug Lady Blanford ein schrecklich unpassendes Kostüm mit schwarzer Zöpfchenperücke und einem weißen in Plisseefalten gelegten Kleid mit jeder Menge Schmuck. Es schien, als hätte Lady Blanford sich die Wandmalereien von ägyptischen Königinnen zum Vorbild genommen. Ihre Augen waren dunkel umrandet, was ihren giftigen Blick noch furchteinflößender wirken ließ. Beinahe vergaß Patricia, Princess zu bedauern, die neben einem pharaonischen Kopftuch eine Art Körperpanzer trug, der sie vollständig bedeckte. Nur die Pfoten schauten heraus, damit Princess laufen konnte, was ihr allerdings schwerfiel, weil der Panzer wenig Beinfreiheit ließ. Er stellte einen liegenden Katzenkörper dar, und es war offensichtlich, dass Lady Blanford ihren Pudel als Sphinx von Gizeh verkleidet hatte.
„Gutes Kostüm, aber nicht gut genug, um mich und Huddi zu schlagen“, flüsterte die Gräfin.
„Guten Abend, Patricia, ich wusste nicht, dass Sie auch hier sind“, ließ sich Lady Blanford zu einer Begrüßung herab. „In der Regel besitzen die geladenen Gäste des Silvesterballs eine gewisse Noblesse.“ Sie rümpfte die Nase über Patricias Kostüm und wandte sich dann an die Gräfin.
„Werden Sie auch am Kostümwettbewerb teilnehmen?“ Sie schenkte Gräfin Walburga ein Lächeln, das so falsch war, wie ihre schwarzen Perückenhaare.
„Das würde ich mir doch nie im Leben entgehen lassen“, antwortete die Gräfin mit ebenso falschem Lächeln, während sich ihre Blicke ineinander bohrten.
„Nun denn, möge das beste Kostüm gewinnen.“ Es war nicht zu übersehen, dass Lady Blanford erwartete, als Siegerin aus dem Wettstreit hervorzugehen. „Ihr Kostüm ist recht annehmbar, muss ich zugeben. Anders als das von Patricia.“ Sie begutachtete Patricia von oben bis unten wie ein Pferd, das zum Verkauf stand. „Ist Ihr schrecklicher Hausgast eigentlich auch anwesend? Dieser mittellose Amerikaner?“
Während Patricia nach einer unverfänglichen Antwort suchte, kam die Gräfin ihr zuvor. „Mr. Maddock war so freundlich, dem General mit seinem Kostüm zu helfen.“
„Hm … so, so.“ Lady Blanford hatte bereits das Interesse an der Unterhaltung verloren und stolzierte mit Princess weiter, um die Huldigungen der Gäste für ihr Kostüm entgegenzunehmen.
„Die alte Tarantel scheint etwas gegen Sie zu haben.“ Patricia fühlte sich genötigt, eine Erklärung abzugeben. „Es gab einen Eklat im Mena Hotel, bei dem mein Hund und Princess eine Rolle spielten. Außerdem verzeiht sie mir nicht, dass ich meine Anstellung als ihre Gesellschafterin gekündigt habe.“
„Ach, machen Sie sich keine Gedanken über ihre giftigen Worte. Der alte Kaktus erzählt jedem, wie sehr mein Huddi zu bedauern wäre, weil er unter meinem Pantoffel steht und sich nicht wehren kann.“ Kopfschüttelnd fügte die Gräfin hinzu: „Können Sie sich das vorstellen? Und mich nennt sie hinter meinem Rücken den deutschen Germknödel und Walküre. Dass ich nicht lache! Lady Blanford weiß ja nicht einmal, was Walküren sind. Mag sein, dass ich mich zu wehren weiß, aber jungfräulich bin ich seit über fünfzig Jahren nicht mehr.“ Sie teilte dieses pikante Detail mit, ohne rot zu werden. „Noblesse, dass ich nicht lache. Ich stamme aus älterem Adel, als dieser alte Gänsegeier. Natürlich musste ich meinen Titel offiziell ablegen, nachdem ich Huddi geheiratet habe.“ Sie zuckte die Schultern. „Aber ich habe das nie bereut! Und man bringt mir trotzdem Respekt entgegen